Von: ka
Bozen/Andrian – Weil er nach seinen eigenen Angaben bereits fünf Mal durch die Zweisprachigkeitsprüfung gerasselt war, gab der 35-jährige Hausarzt aus Andrian, Matteo Gottardi, seine Praxis auf. Angesichts dieses Verlustes wird im Südtirol News-Artikel die Frage aufgeworfen, ob sich Südtirol auf diese Weise nicht selbst ins Bein schießt. Die Frage kann eindeutig mit Ja beantwortet werden.
Die Zweisprachigkeitsprüfungen wurden in einer Zeit eingeführt, als kaum Mangel an medizinischen Fachkräften herrschte. Zu Recht stand damals das Ziel im Vordergrund, jedem Patienten zu ermöglichen, sich in seiner eigenen Muttersprache an den Arzt wenden zu können. Dabei fiel kaum auf, dass an den mitunter praxisfernen Sprachprüfungen auch Mediziner scheiterten, die sich in der zweiten Sprache gut ausdrücken konnten. Trotz seiner guten Deutschkenntnisse erwies sich auch für den Andrianer Hausarzt die Zweisprachigkeitsprüfung als unüberwindbares Hindernis.
Dabei ist der gezeigte Einsatz von Matteo Gottardi sogar besonders lobenswert. Infolge des Ärztemangels tun sich heutzutage viele Mediziner die Mühe, für diese Prüfung zu lernen und zu ihr anzutreten, erst gar nicht mehr an. Wer im Landl bleiben will, findet in den Arztpraxen und in den Privatkliniken genügend medizinische Betätigungsfelder. Andere hingegen kehren nach dem Medizinstudium nicht mehr nach Südtirol zurück und ziehen es vor, im Ausland zu bleiben.
In Südtirol möge man sich diesmal die übliche Ethnodiskussion und die liebgewonnene Paragrafenreiterei ersparen, denn machen wir uns nichts vor: Während europaweit Hausärzten mit lukrativen Gehältern und Arbeitsbedingungen der rote Teppich ausgerollt wird, wird in Südtirol immer noch scheinbar alles getan, um wertvolle medizinische Fachkräfte zu vergraulen. Dies gilt nicht nur für die Hausärzte, sondern für alle fachmedizinischen Berufe bis hin zu den Krankenpflegern. Nebenbei leistet das Beharren auf strenge Regeln der Zweiklassenmedizin Vorschub.
Auch wenn der Abschied von manch Hürde schwer wiegt, gilt es, die Frist für die Erlangung des Zweisprachigkeitsnachweises weiter zu verlängern und die Prüfungen praxisnäher zu gestalten. Es kann nicht sein, dass Prüflinge medizinischer Berufe fachfremde Prüfungsthemen über sich ergehen lassen müssen.
Diese Reformen müssen zeitnah erfolgen. Ansonsten wird sich die „Abstimmung mit den Füßen“ fortsetzen und dabei noch beschleunigen. Aber für die Kritiker und Gegner wird das kein Problem darstellen. Wie einige Verhaltensweisen bestimmter Gruppen während der Pandemie zeigten, kann man sich anstatt des Rats und der Hilfe des Hausarztes zu bedienen auch alle notwendigen Informationen auf YouTube, Facebook und Telegram zusammenklauben oder sich – noch besser – gleich an den örtlichen Schamanen wenden.