Von: mk
Hamburg – Immer wieder tauchen Behauptungen auf, dass das Coronavirus aus einem Labor stammen könnte – auch von namhaften Wissenschaftlern. Im vergangenen Frühjahr hat etwa der französische Virologe Luc Montagnier für Furore gesorgt. Der Nobelpreisträger erklärte öffentlich, das Coronavirus sei eine Chimäre, also ein in einem Labor künstlich zusammengesetztes Virus. Nun schlägt eine Studie der Universität Hamburg in eine ähnliche Kerbe, berichtet ndr.de.
In einer Untersuchung, die er im vergangenen Jahr durchgeführt hat, kommt der renommierte Physiker Roland Wiesendanger zum Schluss, dass vieles auf einen Labor-Unfall an einem virologischen Institut in Wuhan hindeutet. Dafür würden sowohl die Zahl als auch die Qualität der Indizien sprechen. Der Unfall könnte damit die Ursache der gegenwärtigen Pandemie sein.
Ein Hinweis, den Wiesendanger nennt, sei die Tatsache, dass bisher kein Zwischenwirt gefunden wurde, der den SARS-CoV-2- Erreger von Fledermäusen auf Menschen übertragen habe. Außerdem seien die SARS-CoV-2-Viren “erstaunlich gut” in der Lage, an menschliche Zellrezeptoren anzukoppeln und in menschliche Zellen einzudringen. Wiesendanger zufolge ist dies ein weiterer Hinweis darauf, dass der Ursprung des Virus nicht natürlich sei.
Gegen die Theorie, dass das Coronavirus über Fledermäuse auf dem Fischmarkt von Wuhan gelangt sei, spreche außerdem einerseits der Umstand, dass dort keine Fledermäuse angeboten würden. Im virologischen Institut der Stadt gebe es auf der anderen Seite eine der weltweit größten Sammlungen von Fledermauserregern. Zudem seien im Zusammenhang mit dem Labor Sicherheitsmängel dokumentiert worden.
Eine junge Wissenschaftlerin des virologischen Instituts in Wuhan habe sich bereits im Oktober 2019 als erste infiziert. Ein weiterer Hinweis?
Wiesendanger hat für seine Studie wissenschaftliche Literatur, Artikel in Print- und Online-Medien sowie persönliche Kommunikation mit internationalen Kolleginnen und Kollegen ausgewertet. Er räumt selbst ein, dass es sich nicht um wissenschaftliche Beweise, sondern lediglich um Indizien handelt.
Trotzdem warnt der Physiker: Seit Jahren werde am Institut für Virologie in Wuhan an Corona-Viren geforscht, wobei harmlose Erreger derart manipuliert würden, damit sie gefährlicher und aggressiver werden. Das Ergebnis könnte dann als biologische Waffe eingesetzt werden. Auch in anderen Ländern wie Australien oder den USA würden Viren gentechnisch verändert. Wiesendanger regt dazu an, über ein Verbot dieser Art von Forschung zu diskutieren.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte zuletzt nach einer vierwöchigen Untersuchung erklärt, dass immer noch nicht klar sei, woher das Virus stammt und dass man noch mehr Daten von China benötige. Der Leiter des WHO-Teams hält es für unwahrscheinlich, dass der Erreger aus einem Labor stammt. Stattdessen geht das Team davon aus, dass SARS-COV-2 vermutlich von Fledermäusen stammt. China selbst betont, das Virus sei möglicherweise durch tiefgefrorene Lebensmittel verbreitet worden.
Zweifel an Studie
Wiesendanger ist allerdings Nanophysiker und war bislang wissenschaftlich auf Gebieten wie Virologie, Evolution und Epidemiologie nicht tätig. Er hat seinen Beitrag nicht bei einem wissenschaftlichen Journal eingereicht und damit auch keiner Begutachtung durch Fachleute unterzogen. Er hat ihn auch nicht auf einem „Preprint“-Server hochgeladen, die der fachlichen Diskussion vor einer endgültigen Publikation. Zugänglich ist der Beitrag nur über „Researchgate“, eine Art Facebook für Wissenschaftler, schreibt die Online-Ausgabe vom Tagesspiegel.
Die Mitteilung der Uni geht darauf nicht ein und spricht durchweg nicht etwa von einem Thesenpapier, sondern von einer „Studie“. Die Veröffentlichung und Bekanntmachung auf diese Weise sei mit Uni-Präsident Dieter Lenzen abgestimmt gewesen, berichtet ZDF online.
Tatsächlich gilt in Fachkreisen die Frage, ob das Coronavirus natürlich oder im Labor entstanden ist, nach wie vor als ungeklärt. Die molekularbiologischen Daten erlauben es nicht, eine der beiden Möglichkeiten auszuschließen. Echte Fachleute, zu denen Wiesendanger als Physiker nicht zählt, halten einen natürlichen Ursprung aufgrund der ihnen vorliegenden Informationen in der Mehrzahl für deutlich wahrscheinlicher.
Zudem ist aus Kreisen der Universität zu hören, dass viele entsetzt sind und um den Ruf ihrer Hochschule fürchten, die erst jüngst zur Exzellenz-Universität aufgestiegen ist. Wiesendangers Papier habe fachlich nur in etwa das Niveau einer durchschnittlichen studentischen Seminararbeit, erklärt ein an der Uni Lehrender gegenüber dem Tagesspiegel.
Studentische Vertreter fordern ein klares Signal ihrer Alma Mater. Der „Freie Zusammenschluss von Student*innenschaften“ etwa nennt den Vorgang einen „Skandal“ und sieht in dem Papier ein „Machwerk aus zusammengewürfelten Studien, kritiklos übernommenen Artikeln und YouTube-Videos“.