Von: mk
Bozen – Krankheiten, Unfälle oder Geburten lassen sich nicht planen – und natürlich sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sanitätsbetriebes auch am Heiligabend für die Menschen da. Nicht immer ist die Nacht still – ein Blick hinter die Kulissen.
Einer, der Weihnachten im Krankenhaus sehr gut kennt, ist Landesrat Hubert Messner, bis vor wenigen Jahren noch Primar der Abteilung für Neugeborenen-Intensivstation am Krankenhaus Bozen:
„Heiligabend im Dienst war stets sehr stimmungsvoll. Viele brachten selbstgemachtes Essen mit und wir lösten traditionell unser ‚Engele-Bengele‘ mit einer kleinen Bescherung auf. In der Neonatologie schmückte jedes Jahr ein Christbaum die Abteilung und die weihnachtliche Atmosphäre verbreitete ein warmes, wohliges Gefühl. Gemeinsam mit den Eltern der stationierten Frühchen feierten wir, es waren immer sehr schöne Stunden der Verbundenheit, Heiligabend im Dienst war schon etwas Besonderes.“
Martin Steinkasserer, Primar der Gynäkologie und Geburtshilfe am Krankenhaus Bozen, erinnert sich ebenso gerne an vergangene Dienste zurück: „Den 24. Dezember auf der Abteilung zu verbringen, war immer ein ganz besonderes Erlebnis. Am Vormittag und frühen Nachmittag gab es noch jede Menge Arbeit – man hat ja versucht, alle dringenden Untersuchungen so rasch wie möglich durchzuführen. So gut es ging, versuchte man alle Patientinnen und vor allem die Neo-Mamis zu entlassen, um ihnen das Weihnachtsfest zu Hause zu ermöglichen. Es gab aber auch ältere, einsame Patientinnen, die froh waren, dass sie auf der Abteilung bleiben konnten. Die Pflegerinnen haben sich ganz besonders herzlich um diese Patientinnen gekümmert: von Kosmetik bis zu einer neuen Zopffrisur war alles mit dabei. Gegen Abend hin wurde die Stimmung immer ruhiger, Tee, Kekse und ruhige Gespräche waren fixer Bestandteil des Weihnachtsabends. Häufig haben wir uns auch in der Abteilungsküche zu einem gemeinsamen Abendessen zusammengesetzt.“
Tamara Strobl, Koordinatorin der Medizin am Krankenhaus Innichen, kann diese besondere Stimmung bestätigen: „Manche Patienten sind traurig, dass sie an dem Tag da sind – andere wiederum sagen, es sei ihnen so lieber, da es ihnen zu anstrengend wäre zu Hause. Schwierig ist es, wenn wir Palliativpatienten betreuen – sie sind sich meist im Klaren darüber, dass es möglich ist, dass sie das nächste Fest nicht mehr erleben. Oft versucht man dann einen Ausgang für ein paar Stunden an dem Tag zu ermöglichen.“
Natürlich werden die Krankenhäuser und ganz besonders die Abteilungen schon Tage vorher festlich geschmückt, hier hängt es von der Kreativität des Abteilungsteams ab, wie sehr der Christbaum funkelt und glitzert. Auch die Seelsorge ist in den meisten Krankenhäusern schon in den Wochen davor unterwegs, um auf Weihnachten einzustimmen. So wird im Krankenhaus Meran im Hochparterre immer eine große Krippe aufgebaut. Bei der Weihnachtsfeier für das Personal dürfen „Stille Nacht“ und „Tu scendi dalle stelle“ nicht fehlen. Am Heiligabend selbst werden von der Seelsorge gemeinsam mit der Bezirksdirektion sowie einer Bläsergruppe Weihnachtswünsche in den Abteilungen überbracht mit einem weihnachtlichen Zeichen für das Personal.
Wer möchte, erhält eine Nussschale, die als Minikrippe vorbereitet werden kann, in diese wird am Abend das Christkind hineingelegt. Für das Seelsorge-Team ist klar:
„Weihnachten ist ein Familienfest, das in unterschiedlicher Weise Gefühle und auch starke Emotionen hervorbringt, bei Jüngeren und Älteren gleichermaßen. Erinnerungen werden geweckt, die einander erzählt werden. Auch in den Gesprächen mit der Seelsorge sind diese oft Thema.“
Am Heiligabend selbst gibt es von Schlanders bis Innichen ein besonderes Menü, damit die aufgenommenen Patientinnen und Patienten auch kulinarisch etwas Festlichkeit erfahren: „Man soll diese besondere Zeit auch spüren, sehen und riechen können“, so Marlen Hofer und Hans Klammer aus der Küche im Krankenhaus Bruneck. „Wenn alle Jahre am Heiligabend eine Gruppe von Geigenspielern unser Krankenhaus und die Abteilungen besucht, so freuen sich all jene, die sich in dieser Zeit hier aufhalten müssen, aber auch die Mitarbeiter genießen ein paar unbeschwerte Momente. Auch ein weihnachtlicher Teller mit Keksen wird mit Dankbarkeit angenommen.“
Wer im Gesundheitswesen arbeitet, der weiß, dass es sich nicht um einen Job von Montag bis Freitag handelt. Trotzdem sind natürlich auch die Frauen und Männer im Sanitätsbetrieb Privatpersonen mit Familien, Freunden und Weihnachtstraditionen. Tamara Strobl erinnert sich: „Der Dezember-Dienstplan ist immer sehr interessant. Alle warten schon gespannt darauf und auch ich selbst habe in Erinnerung, dass man auf den Dezemberplan immer am gespanntesten war. Ich und auch unsere vorherige Koordinatorin haben die Einteilung immer so gemacht, dass alle Jahre ein Wechsel ist und dass diejenigen mit den kleinsten Kindern an dem Tag frei haben. Ich schaue auch, dass ich die Einteilung so mache, dass die, die an Weih[1]nachten arbeiten, an Silvester und Neujahr freihaben und umgekehrt.
Es gibt allerdings die Möglichkeit, sich freiwillig für den Dienst einzutragen. Und das passiert wirklich, es finden sich immer Freiwillige, die an diesem Tag arbeiten möchten.“
Facharzt Luca Sebastianelli, Verantwortlicher der Neurorehabilitation am Krankenhaus Sterzing, hat mit besonders fragilen Patientinnen und Patienten zu tun: „Dieser Tag ist immer sehr berührend in unserer Abteilung. Unsere Patienten sind für Monate bei uns, deshalb entwickelt sich auch eine intensive Beziehung, die man fast mit einer erweiterten Familie gleichsetzen kann.“ Am Heiligabend selbst wird morgens mit allen Patientinnen und Patienten sowie dem Personal gemeinsam gefeiert, wer kann, stellt im Rahmen der Therapie selbst etwas Süßes her. Es wird gemeinsam gesungen – musikalisch begleitet auf verschiedenen Instrumenten von Teammitgliedern. Am Nachmittag schaut die Musikkapelle Sterzing vorbei und gibt Weihnachtsstücke zum Besten, gefolgt von der heiligen Messe und den Grüßen der Bezirksdirektion. Die Patientinnen und Patienten selbst seien auch verändert an diesem Tag, so Luca Sebastianelli: „Es herrscht eine hoffnungsvolle und friedliche Stimmung. Unsere Patientinnen und Patienten haben alle eine sehr schwere Zeit hinter sich, es ist in solchen Fällen nicht immer einfach, wieder ins Leben zurückzufinden. Doch an Weihnachten merkt man, dass die Hoffnung wieder auflebt.“
Besonders in Erinnerung geblieben ist Sebastianelli, ein junger Patient, der im Wachkoma war („vegetativer Zustand“), denn während der Weihnachtsfeier seien dem jungen Mann Tränen über das Gesicht gelaufen. Von da an ging es dem Patienten langsam besser und er machte Fortschritte.
Hört man sich bei den Diensthabenden an den Krankenhäusern um, so bestätigen diese unisono, dass an Silvester ungleich mehr los sei – Party, Alkohol und Knallkörper sind eben eine gefahrenbeladene Kombi. Am Heiligabend selbst sei es relativ ruhig, so auch Sylvia Weiss, Koordinatorin der Notaufnahme am Krankenhaus Schlanders: „Manchmal ein Haushaltsunfall oder Grippepatienten“. Ganz anders sehe es an den restlichen Feiertagen aus, dort habe man vor allem vermehrt orthopädisch-traumatologische Wintersportpatienten zu versorgen.
Wie man im Dienst „feiert“, das lässt sich leider nicht planen. Koordinatorin Strobl erinnert sich: „Ich hatte selbst mal Nachtdienst und war mit einer Kollegin im Dienst, wir haben uns Schokomousse mitgenommen und sind aber nicht dazu gekommen, diese zu essen, da wir die ganze Nacht so viel zu tun hatten. Zu Weihnachten sind meist nur mehr schwer kranke Patienten da, die nicht entlassen werden können und aus dem Grund gibt es dann oft auch viel zu tun“. Man versuche diesen Tag etwas „besonderer“ zu machen, auch wenn sich vom Ablauf her wenig ändere – Pflege, Therapien und Arztvisiten gibt es auch an diesem Tag.
Psychiatrie-Primar Roger Pycha weiß, wie Menschen sich fühlen, die an diesem Tag arbeiten müssen und er rät zu Einsatzfreude und Achtsamkeit. Als Arzt sieht er, dass an den Festtagen auch mehr Patientinnen und Patienten Hilfe benötigen, die besonders froh und dankbar sind, wenn sie sie erhalten.
Ist das Arbeitsklima gut, stützen und tragen sich die Kolleginnen und Kollegen gegenseitig: So erzählt Koordinatorin Strobl, dass manche sehr aufmerksam seien und entweder etwas Süßes oder ein kleines Geschenk für das Team vorbeibringen würden.
Falls Kinder im Krankenhaus aufgenommen sind, scheint das Ganze nochmals komplizierter, doch diese sind stärker als man meint: Sie kommen gut zurecht, wenn mal was anders läuft, und wenn man es entsprechend kommuniziert. Je positiver die Eltern den Aufenthalt sehen, umso normaler wird dieser für die Kinder. Für Eltern, Geschwister oder Oma und Opa ist es meist schwerer – an Weihnachten ist man ja generell nachdenklicher, sensibler, selbst diejenigen, die sagen, es sei ihnen egal.
Eine ganz besondere Stimmung herrscht in den fünf Kreißsälen Südtirols: Babys entscheiden (meist) selbst, wann sie zur Welt kommen wollen und so manches Kind hat sich eben dafür ein ganz besonderes Datum ausgesucht, Familienzauber hin oder her. Hebammenkoordinatorin Sabine Anrater des Kreißsaals im Krankenhaus Meran weiß, dass statistisch gesehen auch an diesem Abend zwei bis drei Babys das Licht der Welt erblicken werden: „Geburten lassen sich nicht planen, deshalb weiß man nie genau, wie vielen ‚Christkindern‘ man bis zum Schluss in die Welt hilft. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir jedoch Heiligabend 2020, mitten in der Corona-Pandemie, an dem gleich fünf Babys geboren wurden, das war wirklich hektisch …“ Sie erinnert sich, dass die kleinen, von den Kolleginnen mitgebrachten Häppchen im Aufenthaltsraum der Hebammen bis zum Schluss unberührt blieben – „die hat dann der Nachtdienst-Turnus verspeist“, erinnern sich die Betroffenen mit einem Lachen zurück.
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