Von: ka
Bozen/Lana – Wenige Kriminalfälle haben die Südtiroler Öffentlichkeit in der Vergangenheit dermaßen aufgewühlt, wie der grausame Erstickungstod eines neugeborenen Buben. Eine rumänische Erntehelferin, die wenige Stunden nach dem grausamen Fund am Montag als seine Mutter ausgeforscht worden ist, wird beschuldigt, den Neugeborenen kurz nach der Geburt vorsätzlich getötet zu haben. Unter der Trauer um den grausamen Tod des kleinen Buben sind im Netz bald Stimmen laut geworden, die gegen die Mutter schwere Vorwürfe erheben. Ihr hätte ihr eigenes Kind nicht leidgetan und sie hätte es daher einfach aus dem Weg geräumt, so der Tenor dieser Wortmeldungen.
Aber diese Leute machen es sich viel zu einfach. Zweifellos hat die Frau – immer sollten sich die Verdachtsmomente bewahrheiten – ein schreckliches Verbrechen begangen. Auf der anderen Seite wissen wir noch nichts über die genauen Hintergründe. Da wäre einmal der Vater. Hat er etwas von der Schwangerschaft gewusst, hat er die werdende Mutter unterstützt oder hat er sich einfach aus seiner Verantwortung gestohlen? Geht man davon aus, dass eine Schwangerschaft kaum bis zuletzt geheimgehalten werden kann, muss sich auch das Umfeld der Rumänin fragen, ob alles getan worden ist, um diese Tragödie zu verhindern. Eine einfache Erntehelferin in einer Notlage kann unter anderem schwerlich wissen, dass in Südtirol bereits heute eine ganze Reihe von Möglichkeiten und Hilfsangeboten – unter anderem die anonyme Geburt – besteht.
Zuletzt hat sich die Not einer Schwangeren, die in der Fremde weder ein noch aus gewusst hat, vielleicht bei der Geburt dermaßen zugespitzt, dass eine Kurzschlusshandlung zu dieser Tragödie geführt hat. Während der Frau niemand ihre Schuld abnehmen kann, steht Südtirol heute fassungslos vor dieser schrecklichen Tat.
Es ist zu wenig, ohne alle Hintergründe zu kennen, mit dem Finger auf diese Frau zu zeigen. Sie ist Täterin und Opfer zugleich. Vielmehr sollten wir darüber nachdenken, wie solche tragischen Vorfälle in Zukunft verhindert werden können.