Eingriff in den Fettstoffwechsel

Therapieresistenter Krebs: Uni Innsbruck neuen Behandlungsmöglichkeiten auf der Spur

Freitag, 19. Juli 2024 | 07:56 Uhr

Von: mk

Innsbruck – Die beiden größten Herausforderungen bei der Bekämpfung von Krebs sind die Bildung von Metastasen und Entwicklung von Resistenzen gegenüber medikamentösen Therapien. Eine neue Studie unter Beteiligung der Universität Innsbruck ebnet den Weg zur Entwicklung alternativer Wirkstoffe zu klassischen Chemotherapeutika.

In Österreich leben derzeit 400.000 Menschen mit der Diagnose Krebs, eine Erkrankung, die für etwa ein Viertel der jährlichen Todesfälle verantwortlich ist. Dank fortschrittlicher Chemo- und Immuntherapien kann Krebs zwar immer besser behandelt werden, aggressiven Krebsarten wie Bauchspeicheldrüsenkrebs und bestimmten Typen von Brustkrebs steht die Medizin jedoch weitestgehend machtlos gegenüber. Die meisten Patientinnen und Patienten versterben dabei nicht an den ursprünglichen Tumoren, sondern an deren Ablegern, den Metastasen. Sie entstehen, wenn sich Krebszellen vom Tumor lösen, sich in gesundem Gewebe ansiedeln und dort durch invasives Wachstum z.B. lebenswichtige Organe zerstören.

Neue Einblicke in Mechanismen der Metastasierung und Therapieresistenz

Metastasierender Krebs ist nur in seltenen Fällen vollständig heilbar. Ein Fortschreiten der Erkrankung kann zwar medizinisch verlangsamt werden, allerdings entwickeln Krebszellen oft Resistenzen gegenüber Chemotherapeutika. Das macht sie besonders tückisch und tödlich. Wie die Behandlung von Krebs trotz Therapieresistenz in Zukunft möglich sein könnte, erläutert nun eine neue Studie des Michael-Popp-Instituts der Universität Innsbruck, der Universität Erlangen-Nürnberg, der Universität Würzburg und des Massachusetts Institute of Technology (MIT), die kürzlich in der Fachzeitschrift Nature Cell Biology veröffentlicht wurde.

„Grundlage unserer Forschungsarbeit ist ein zellulärer Umwandlungsprozess, die sogenannte epithelial-mesenchymale Transition (EMT)“, erklärt Studienautor Andreas Koeberle, Leiter des Michael-Popp-Instituts. Voraussetzung für diesen Prozess ist, dass sich einzelne epitheliale Krebszellen, aus denen ein kompakter Tumor besteht, in Krebszellen mit mesenchymalen Eigenschaften verwandeln. Solche Krebszellen lösen sich vom ursprünglichen Tumor, können durch den Körper wandern und an den verschiedensten Orten Metastasen bilden. „Sie sind häufig auch resistenter gegenüber klassischen Chemotherapeutika“, so Andreas Koeberle.

Angriff auf wandernde Krebszellen 

Im Zuge ihrer Metamorphose ändern mesenchymale Zellen ihren Stoffwechsel und bauen zunehmend mehrfach ungesättigte Fettsäuren anstelle von einfach ungesättigten Fettsäuren in ihre Zellmembran ein. Fette geben den Zellen Struktur, machen sie aber auch anfälliger für einen Mechanismus, der erst 2012 entdeckt wurde und bis heute nicht gänzlich verstanden ist: die Ferroptose. „Die Ferroptose ist ein durch Eisen und Sauerstoffradikale vermittelter nicht-programmierter Zelltod, der auch in Zusammenhang mit neurologischen und anderen degenerativen Krankheiten steht“, erklärt Studienautor Thomas Brabletz, Inhaber des Lehrstuhls für Experimentelle Medizin I an der Universität Erlangen-Nürnberg. „Dabei oxidieren die Fettsäuren, schädigen die Zellmembran und zerstören schließlich die gesamte Zelle.“

In Laborexperimenten gelingt es bereits, mesenchymale Tumorzellen gezielt abzutöten, indem sich die Forscher.innen ihre Ferroptose-Sensitivität zunutze machen. „Die pharmakologische Manipulation bestimmter Enzyme des Fettstoffwechsels kann selbst in Krebszellen, die bereits eine gewisse Resistenz gegenüber der Ferrotosen aufgebaut haben, zur verstärkten Einlagerung mehrfach ungesättigter Fettsäuren in der Zellmembran führen. So wird ihre Ferroptose-Sensitivität noch weiter erhöht“, schließt Andreas Koeberle.

Therapeutisches Potenzial 

Die Studie legt erste Grundlagen für die Entwicklung neuer Wirkstoffe gegen aggressive Krebsarten mit hohem Metastasierungspotenzial abseits klassischer Chemotherapeutika. Weil die epithelialen Zellen des ursprünglichen Tumors aufgrund ihrer geringen Konzentration mehrfach ungesättigter Fettsäuren allerdings nicht auf die Ferroptose ansprechen, ist bei der Krebsbehandlung langfristig eine Kombination dieser Wirkstoffe mit klassischen Chemo- und Immuntherapien geplant.