Von: mk
Weißenbach/Ahrntal – Wie berichtet, hat sich am 19. März am Gornerberg (Henne) in Weißenbach im Ahrntal ein tragisches Lawinenunglück ereignet. Ein Tourengeher aus Deutschland war von einer Lawine erfasst und nur noch tot geborgen worden. Nun wurde ein Lokalaugenschein durchgeführt, um den Lawinenabgang genau zu analysieren.
Was war am Tag des Unglücks geschehen? Zwei Skitourengeher fuhren gerade von der Henne Richtung Weißenbach ins Tal, als sich in einem 42 Grad steilen Norwest-Hang auf etwa 2340 Metern Höhe eine Schneebrettlawine löste und einen der beiden Skifahrer mit sich riss. Am Hangfuß befand sich eine Mulde, in welcher der Skifahrer von den Schneemassen begraben wurde. Dadurch kam es zu einer Tiefenverschüttung. Sofort leisteten der zweite Skitourengeher und zwei weitere Augenzeugen vor Ort Kameradenrettung. Dennoch konnte das Leben des Verschütteten leider nicht gerettet werden.
Die Lawine brach in extrem steilem Gelände an und kam in muldenartigem, teils flachem Gelände zum Stehen. Dadurch konnten sich in der Ablagerung große Schneemengen ansammeln.
Wie durch einen Lokalaugenschein festgestellt wurde, handelte es sich bei dieser Unfalllawine um eine trockene Schneebrettlawine mittlerer Größe mit einer Anbruchmächtigkeit von etwa 30 bis 70 Zentimetern. Bestätigt wurde außerdem, dass die Lawine im schwachen Altschnee angebrochen war.
Unter einem relativ weichen Schneebrett aus kleinen, runden Kristallen, das nach unten hin härter wird, befindet sich in etwa 40 cm Tiefe eine weiche Schwachschicht aus kantigen Kristallen. In dieser konnte bei einem ECT (Extended Column Test) beim fünften Schlag aus der Schulter ein Bruch initiiert werden, der sich auch sogleich über den gesamten Block ausbreitete. In dieser Schwachschicht hatte sich auch die Lawine gelöst.
Im Schneebrett oberhalb der Schwachschicht befindet sich zudem eine Einlagerung von Graupel. Dies deutet auf den schauerartigen Charakter der Niederschläge vom 10. bis 16. März hin. Hier konnte bereits beim dritten Schlag ein Bruch ausgelöst werden. Allerdings breitete sich dieser nicht über den gesamten Block durch. Die Basis der Schneedecke ist eindeutig schwach: Hier findet man weiche Schichten aus kantigen und becherartigen Kristallen. Vermutlich riss die Lawine aufgrund der großen Zusatzbelastung der Schneemassen die nach unten rutschten, teilweise in diese Schichten durch.
Wie kam es zum Altschneeproblem?
Vom 11. bis 16. März hatte es in ganz Südtirol immer wieder geschneit, wodurch in Summe einiges an Neuschnee zusammen gekommen ist. Der Neuschnee kam auf einer ungünstigen Altschneeoberfläche zu liegen, wodurch das Altschneeproblem überhaupt erst entstehen konnte: Die Altschneeoberfläche (oder weiche Schichten in unmittelbarer Nähe davon) bildeten die Schwachschicht und der Neuschnee darüber, das gebundene Schneebrett.
Bleibt das Altschneeproblem bestehen?
Vom Altschneeproblem spricht man, wenn sich irgendwo in der Schneedecke sogenannte persistente Schwachschichten befinden. Persistent bedeutet, dass diese Schwachschichten langlebig sind und also nicht so schnell in stabilere Schneekristalle umwandeln können. Natürlich werden derartige Schwachschichten nur dann zum Problem, wenn sie auch von einem Schneebrett bedeckt sind. Denn die Zutaten für eine Schneebrettlawine sind nach wie vor Schwachschicht, Schneebrett (gebundener Schnee), Zusatzbelastung und steiles Gelände.
Wie die Experten des Lawinenwarndienst erklärten, ist im Gegensatz zum Triebschneeproblem das Altschneeproblem recht langlebig. Es ist sehr hartnäckig, da sich Schwachschichten im Altschnee nur sehr langsam in stabilere Schichten umwandeln bzw. das Schneebrett darüber nur sehr langsam seine Bretteigenschaften verliert. Dementsprechend bleibt das Altschneeproblem meist über eine lange Zeit bestehen.
Auch jetzt ist die Situation nicht anders. Seit dem Niederschlag vom 10. bis 16. März hat die Lawinenaktivität zwar deutlich abgenommen. Allerdings gibt es vor allem in wenig befahrenem Gelände noch immer Stellen, wo man Lawinen auslösen kann. Im Gegensatz zum Triebschneeproblem lassen sich diese Gefahrenstellen allerdings nur schwer erkennen. Hinzu kommt, dass Lawinen auch groß werden können: Zum einen sind nämlich Schwachschichten eines Altschneeproblems meist recht weitflächig vorhanden (wenn auch die Schwachschicht nicht überall gestört werden kann, z.B. weil sie durch „zu viel“ Schnee bedeckt ist) und können dementsprechend größer werden. Zum anderen können aufgrund der vielerorts schwachen Basis der Schneedecke bei einer Lawinenauslösung auch tiefere Schichten mitgerissen werden. Große Lawinen der Größe 3 sind nicht ausgeschlossen.
Gibt es zurzeit noch weitere Lawinenprobleme?
Pünktlich zum Frühlingsbeginn ist auch das Nassschneeproblem immer weiter in den Vordergrund gerückt, bis schließlich am 25. März ein für den Frühling typischer Tagesgang der Lawinengefahr beobachtet werden konnte. Zunächst war am letzten Wochenende noch etwas Niederschlag gefallen. Die Schneefallgrenze lag meist unter 2000 Metern. Der Schnee war aufgrund der milden Temperaturen, der diffusen Strahlung und der feuchten Luft bis weit hinauf und auch in Schattenhängen recht feucht.
Über Nacht verhinderten die Wolken teilweise ein Auskühlen der Schneedecke. Dementsprechend konnte man auch eine erhöhte Aktivität an Nassschneelawinen erkennen. Erst als das Wetter dann sonniger wurde und die Nächte klar, konnte die Schneedecke über Nacht wieder gefrieren, wurde dann allerdings im Tagesverlauf wieder feucht, wodurch sich auch in der Lawinengefahr ein Tagesgang bemerkbar machte.
Auch das Triebschneeproblem ist Anfang der Woche etwas in den Vordergrund gerückt, als der teils starke Wind besonders in Kammnähe für die Bildung von frischen Triebschneepaketen sorgte. Diese waren allerdings recht klein und konnten sich aufgrund der milden Temperaturen und der Sonneneinstrahlung recht gut stabilisieren und sind nur noch vereinzelt störanfällig.
Wie geht es weiter? „Am Wochenende erreicht uns von Norden her eine schwache Störung, wodurch wir besonders am Alpenhauptkamm etwas Neuschnee und teils stürmischen Wind erwarten. Auch werden die Temperaturen kurzzeitig etwas niedriger“, erklären die Experten vom Lawinenwarndienst. Das Nassschneeproblem wird also vermutlich etwas zurück gehen und das Triebschneeproblem wieder etwas in den Vordergrund rücken. Am Altschneeproblem wird sich allerdings nur wenig ändern, weshalb besondere Vorsicht geboten ist.
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