Von: ka
Bozen – Beim Ende des Kalten Krieges – der Schreiber dieser Zeilen lernte gerade für seine Maturaprüfung – waren Freude und Hoffnung groß. Nach Jahrzehnten, an denen die Welt manchmal am Abgrund eines Atomkriegs gestanden war, glaubten viele, dass nun eine Zeit ewigen Friedens anbrechen werde.
Unter dem Jubel der jungen Männer und ihrer Eltern wurde die Wehrpflicht samt ihrem „Zwilling“ Zivildienst abgeschafft. Der Glaube, dass die militärische Sicherheit fortan einem kleinen Berufsheer überlassen werden könne und der einfache Normalbürger darüber keinen Gedanken mehr verschwenden müsse, war schier grenzenlos.
Jahrelang ging das auch gut. Obwohl in näherer und weiterer Entfernung immer wieder Kriege aufflammten, störten diese nicht die sorgfältig gehütete Wohnzimmeratmosphäre, die seit der Abschaffung der ungeliebten „Naja“ auch in Südtirol herrschte.
Dreieinhalb Jahrzehnte später ist die Ernüchterung groß. Seit nur wenige Autostunden von Südtirol entfernt einer der blutigsten Kriege seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs tobt und Zar Putin im Begriff ist, dabei die Oberhand zu gewinnen, wird den Europäern – darunter auch den Südtirolern – erst bewusst, wie fast wehrlos sie dieser Tragödie gegenüberstehen. Fast noch schlimmer wiegt die bittere Erkenntnis, dass die jahrzehntelange Vernachlässigung alles Militärischen bei gleichzeitiger Missachtung der Wehrhaftigkeit es Despoten wie dem Kremlfürsten erst ermöglichte, seine Hand nach der Ukraine auszustrecken.
Europa ist gezwungen, umzudenken. Dabei geht es nicht nur darum, der Verteidigung mehr finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, sondern auch allen Bürgern zu vermitteln, dass Demokratie, wenn sie überleben will, auch wehrhaft sein muss. Dabei kann sich kein Bürger aus seiner Verantwortung stehlen. Man mag über den Politiker Matteo Salvini oft geteilter Meinung sein, aber sein Vorstoß, dass alle jungen Männer und Frauen in Italien sechs Monate lang verpflichtenden Zivildienst leisten sollten, hat Kopf und Fuß. Viele junge Menschen könnten dabei lernen, was Gemeinschaft und Solidarität bedeuten.
Dass in diesem Zusammenhang auch über die Wiedereinführung der Wehrpflicht gesprochen wird, ist mit Blick auf heutige und kommende Bedrohungen nur allzu verständlich. Der Gedanke, wieder mit einem Sturmgewehr im Feld zu liegen, mag schmerzhaft sein, aber das Einstehen für unsere Werte kann nicht immer eine „Schönwetterveranstaltung“ sein.