In Südtirol wird viel „Schnee“ geschnupft

Überraschend: In Bozen wird mehr Kokain konsumiert als in Mailand

Freitag, 22. März 2024 | 08:00 Uhr

Von: ka

Bozen/Mailand – Die Analyse von Abwasserproben, die im Rahmen des größten europäischen Forschungsprojekts zum Drogenkonsum analysiert wurden, brachte Überraschendes zutage. Die Ergebnisse zeigen, dass in Bozen mehr Kokain konsumiert wird als in Mailand. Zur „Ehrenrettung“ der Landeshauptstadt muss jedoch betont werden, dass ein Teil des Konsums auch auf Touristen und Durchreisende wie etwa Lastwagenfahrer zurückzuführen ist, aber das ändert wenig daran, dass in Südtirol sehr gerne „Schnee“ geschnupft wird.

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Zu den 88 europäischen Städten, aus deren Abwässern im Rahmen des größten europäischen Forschungsprojekts zum Drogenkonsum zwischen März und Mai 2023 Proben entnommen wurden, gehören auch die Südtiroler Landeshauptstadt und die lombardische Metropole Mailand. Die Europäische Agentur zur Suchtbeobachtung – European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction, EMCDDA – die seit 2011 jedes Jahr die Abwässer zahlreicher Städte auf dem europäischen Kontinent untersucht, veröffentlichte unlängst die Ergebnisse der umfangreichen Untersuchung.

Unter den in den Proben gefundenen Drogen kamen Cannabis, Kokain und MDMA, eine als Ecstasy bekannte Substanz, am häufigsten vor. Insgesamt werden in Europa immer größere Drogenmengen konsumiert, aber die Häufigkeit des Drogenkonsums weist sowohl bezüglich der unterschiedlichen Drogenarten als auch des Gesamtkonsums große regionale Unterschiede auf.

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Die Analyse von Abwasserproben brachte Überraschendes zutage. Die Ergebnisse zeigen, dass in Bozen mehr Kokain konsumiert wird als in Mailand. Was die Kokainrückstände im Abwasser betrifft, wurden die höchsten Werte zwar in west- und südeuropäischen Städten – insbesondere in Belgien, den Niederlanden, Spanien und Portugal – gemessen, aber mit 447 Milligramm pro Tag gerechnet auf 1.000 Einwohner übertrifft die Südtiroler Landeshauptstadt Mailand um Längen.

Alto Adige

In den Abwässern der lombardischen Metropole wurden „lediglich“ 369 Milligramm pro Tag gerechnet auf 1.000 Einwohner entdeckt. An den Wochenenden wurden in Bozen sogar Spitzenwerte von 554 Milligramm erreicht. Die Südtiroler Landeshauptstadt übertraf damit auch Innsbruck, das mit einem Tagesdurchschnittswert von 423 Milligramm in Bezug auf Kokainrückstände unter den österreichischen Städten den dritten Rang einnimmt.

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Der Leiter des Forums Prävention, Peter Koler, betont jedoch, dass der Konsum nicht allein auf die Einwohner zurückzuführen sei und der Einfluss des Tourismus und der Logistikunternehmen nicht unterschätzt werden dürfe. „Man muss berücksichtigen, dass nicht nur die einzelne Gemeinde, sondern auch das ganze Umland mituntersucht wird. Der Einfluss des Tourismus und der Mitarbeiter der Logistikunternehmen ist nicht zu unterschätzen. Dies wird deutlich, wenn man sich die Daten aus Kufstein ansieht. In der Kleinstadt an der deutsch-österreichischen Grenze, durch die viele Lastkraftwagen fahren, ist den Abwasseranalysen zufolge Ecstasy kaum und Kokain stark präsent. Alles auf Partys und den Freizeitkonsum zurückzuführen, ist viel zu kurz gedacht“, so Peter Koler gegenüber dem Corriere della Sera.

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Der Leiter des Forums Prävention meint, dass die Bekämpfung des Kokainkonsums im Gegensatz zu früher heutzutage viel schwieriger sei. „Aufgrund der Art und Weise, wie diese Substanz betrachtet wird, aufgrund der Wirkung, die sie auch in der Arbeitswelt zeigt, und weil sie weniger dämonisiert wird als andere Substanzen, wie etwa Heroin, wird Kokain heute in Milieus konsumiert, die nicht den klassischen verwahrlosten Drogenmilieus entsprechen. Dabei muss jedoch betrachtet werden, dass der Anteil der Bevölkerung, die Kokain konsumiert, unter drei Prozent liegt“, erklärt Peter Koler.

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Cannabis hingegen ist viel weiter verbreitet. Mit 22,6 Millionen Konsumenten im Alter von 15 bis 64 Jahren, was acht Prozent der Bevölkerung entspricht, ist Cannabis die am häufigsten konsumierte Droge in Europa. Mit einem Tagesdurchschnittswert von jeweils 54 und 57 Milligramm pro 1.000 Einwohner weisen Mailänder und Bozner in diesem Fall ein vergleichbares Drogenkonsumverhalten auf. Nach einem Rückgang im Jahr 2021 ist Cannabis wieder auf dem Vormarsch. Dem Mario-Negri-Institut für pharmakologische Forschung zufolge sei dieser Anstieg auf die nach der pandemiebedingten Pause erfolgte Wiederaufnahme zahlreicher Freizeitaktivitäten zurückzuführen.

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Eine ähnliche Kurve kann im Fall von MDMA, besser bekannt als Ecstasy, beobachtet werden. Nachdem im Jahr 2021 nur 1,36 Milligramm gemessen worden waren, stieg der Wert zwei Jahre später wieder auf 5,61 Milligramm an. Dies entspricht dem Bozner Konsum vor der Pandemie im Jahr 2018. Mit neun Milligramm hingegen ist Mailand unangefochtener Spitzenreiter des MDMA-Konsums. In der lombardischen Metropole wird übrigens auch eine dreimal so hohe Menge von Amphetaminen konsumiert wie in Bozen.

Zusammengefasst kann also gesagt werden, dass in Bozen Kokain sehr beliebt ist. Ein Teil des Konsums kann auf Touristen und Durchreisende wie etwa Lastwagenfahrer zurückgeführt werden, aber das ändert wenig daran, dass in Südtirol sehr gerne „Schnee“ geschnupft wird.

Bezirk: Bozen