Von: luk
Bozen – Kinder- und Jugendanwältin Daniela Höller weist auf Zunahme der Gewalt gegen Minderjährige in Krisenzeiten hin: „So verständlich ein Unbehagen darf nicht in Gewalt an Kindern und Jugendlichen münden.“
Am 2. Oktober jedes Jahres wird der Internationale Tag der Gewaltlosigkeit begangen. Die Wahl des Tages ist bedeutsam: Es ist das Geburtsdatum von Mahatma Gandhi, der sein Leben dem gewaltlosen Kampf für die Bürgerrechte gewidmet hat. In der UN-Resolution, mit der dieser Gedenktag eingeführt wurde, wird die Bedeutung der Sensibilisierung der Öffentlichkeit für Gewaltlosigkeit zur “Gewährleistung einer Kultur von Frieden, Toleranz und Verständnis” betont. Es ist ein Prinzip, das immer gilt, aber besonders in dieser Zeit. Tatsächlich war 2020 ein ganz besonderes Jahr: Die Ausbreitung des Covid-19-Virus zwang die Regierung, sich für die Isolation zu entscheiden und Schulen, Sportzentren, Bibliotheken, Spielplätze – alles Orte, die als Treffpunkte dienen konnten – zu schließen. Minderjährige waren von den Maßnahmen besonders betroffen.
„Es mag als ein Widerspruch erscheinen, aber die Folge, die uns in der Kinder- und Jugendanwaltschaft am meisten erschreckt hat, war der Rückgang der Meldungen über Fälle von Gewalt gegen Kinder und Jugendliche während des Lockdowns. Im gleichen Zeitraum im Jahr 2019 hatten wir den zuständigen Behörden doppelt so viele Fälle gemeldet“, erklärt Kinder- und Jugendanwältin Daniela Höller. „Die Informationen, die wir aus anderen Staaten, wie z.B. China, erhalten haben, bestätigen, dass die Situationen häuslicher Gewalt mit Minderjährigen als Opfer (verbale, psychologische, körperliche, sexualisierte, miterlebte Gewalt und Vernachlässigung) zugenommen haben, ausgelöst durch die Schwierigkeiten, mit denen die Menschen während der Pandemie konfrontiert waren, und zudem hat es an der sozialen Kontrolle gefehlt, die es ermöglichen würde, diese Umstände an die Oberfläche zu bringen“, fährt Höller fort. Ein Umstand, der das Entstehen neuer Gewaltsituationen während der Zeit der Isolation bestätigen kann, ist folgender: Die Kinder- und Jugendanwaltschaft sah sich nach Ende des Lockdowns mit einer erheblichen Zunahme von Meldungen über Fälle von Gewalt gegen Minderjährige in all ihren Formen konfrontiert (von Mitte Mai bis heute gab es einen Anstieg von 267 Prozent im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Jahr 2019).
„Niemals zuvor haben wir es für wichtiger gehalten, den Internationalen Tag der Gewaltlosigkeit zu begehen, als in diesem Jahr“, sagt Höller. „Die Art und Weise, wie ein Unbehagen ausgedrückt wird, so verständlich es auch sein mag, darf nicht zu Gewalt gegen Minderjährige führen. Kinderschutz steht und fällt mit Hinschauen und Handeln – hier sind sowohl die Bezugspersonen der Kinder und Jugendlichen, aber auch außenstehende Personen aufgerufen, Missstände aufzuzeigen. Alle Minderjährigen brauchen Erwachsene, die sich für sie einsetzen und ihre Rechte und Interessen schützen,“ so die Kinder- und Jugendanwältin abschließend.