Von: mk
Bozen – Kurzfristig dienen drakonische Maßnahmen nicht dazu, Unfälle und Fahrerflucht zu reduzieren. Dies ist das Ergebnis einer Untersuchung der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Freien Universität Bozen, basierend auf Daten des ISTAT. Das Punktesystem des Führerscheins hat sich im Laufe der Jahre dennoch als nützlicher erwiesen als Gefängnisstrafen, um die Zahl tödlicher Unfälle zu reduzieren.
Zwei Studien befassen sich mit dem Thema „Punkte oder Knast?“: Points or Prison? The Effects of Different Sanctions on Driving Behavior und Stay or Flee? Probability versus Severity of Punishment in Hit-And-Run Accidents.
Die Auswirkungen unterschiedlicher Sanktionen auf das Fahrverhalten
Ende vergangenen Jahres veröffentlichte Mirco Tonin, Professor für Wirtschaftspolitik an der Freien Universität Bozen, gemeinsam mit Silvia Bruzzone (ISTAT) und Stefano Castriota (Universität Pisa), eine Studie zur Verhinderung von Unfällen und Fahrerflucht, basierend auf Daten, die sich auf die Strafandrohungen bezogen. Tonin und seine Kollegen analysierten dafür Daten des ISTAT über die Zahl der Unfälle im Straßenverkehr mit Toten oder Verletzten in Italien zwischen 1996 und 2016 sowie über Vorfälle der Fahrerflucht. Erklärtes Ziel war es, anhand der Zahlen die Wirksamkeit der Maßnahmen zu überprüfen, die im Laufe der Jahre eingeführt worden waren: jener des 2003 eingeführten Punkte-Führerschein und der im Jahr 2016 eingeführten Tötungsdelikte im Straßenverkehr.
Die Daten zu den beiden Phänomenen
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation gab es im Jahr 2018 weltweit 1.350.000 Verkehrsunfallopfer und 50 Millionen Verletzte. Unfälle sind die häufigste Todesursache bei jungen Menschen im Alter zwischen 5 und 29 Jahren. Laut ISTAT-Daten aus Polizeiberichten gab es in Italien im selben Jahr 170.000 Unfälle mit 3.300 Toten und 240.000 Verletzten. Die Daten weisen glücklicherweise auf einen Rückgang hin. Das Phänomen der Fahrerflucht trifft in Europa auf ein bis sechs Prozent der Unfälle zu mit Toten oder Verletzten, wobei in Italien die Zahlen niedriger als in anderen Ländern (etwa ein Prozent) sind.
Wie nützlich sind die eingeführten Maßnahmen? Die Zahlen im Vergleich
„Normalerweise wird in der Literatur die Bedeutung von zwei Hebeln zur Bekämpfung krimineller Phänomene betont: die Intensität der Strafe und die Wahrscheinlichkeit einer Sanktionierung”, erläutert Mirco Tonin. „Unsere Studie vergleicht die kurzfristigen Ergebnisse der in Italien in den letzten zwei Jahrzehnten durchgeführten Politik, die sich in diesen Aspekten stark unterscheiden.” Die Ergebnisse sind erstaunlich: man möchte meinen, dass drakonische Maßnahmen das Verhalten eher ändern als leichtere Maßnahmen wie ein Punktesystem. Tatsächlich zeigt aber das Punktesystem größere Wirksamkeit für die Verringerung der Zahl der Toten und Verletzten als die Androhung von Gefängnisstrafen: Im ersten Fall gingen die täglichen Todesfälle um 2,3 (-58 Verletzte) zurück, während sie im zweiten Fall nur um eins (und -8 Verletzte, was statistisch nicht signifikant ist) zurückgingen.
Die Verhinderung der Straßenpiraterie
In der zweiten Studie, die von Tonin und Castriota verfasst wurde und ISTAT-Daten für den Zeitraum von 1996 bis 2016 ausarbeitet, haben die beiden Ökonomen hingegen die Bedingungen untersucht, die das Auftreten von Fahrerflucht begünstigen. Die beiden Professoren stellten fest, dass bei der Umstellung von Sommerzeit auf Sonnenzeit die erhöhte Helligkeit die Wahrscheinlichkeit einer Fahrerflucht um 20% reduziert. Das bedeutet also, dass die Möglichkeit, gesehen und identifiziert zu werden, den Anreiz für eine Fahrerflucht deutlich verringert; dies viel mehr als die Angst vor einer mehrjährigen Haftstrafe. „Einige der Vorschläge aus dieser Studie betreffen Maßnahmen, die die öffentliche Hand umsetzen kann, um die Fluchtneigung nach einem Verkehrsunfall zu verringern”, sagt Tonin, „also beispielsweise eine verbesserte öffentliche Beleuchtung und eine deutlich sichtbare Installation von Kameras an Orten mit hoher Unfallrate.
Es ist nun die Frage, ob sich der Vorteil der einen Maßnahme gegenüber der anderen – die Reduzierung der Punkte bis zum Führerscheinentzug gegenüber einer Haftstrafe – langfristig bestätigt. Die Schlussfolgerungen der beiden Ökonomen basieren in der Tat auf statistischen Daten und Techniken, die nur kurzfristige Effekte erfassen können, und einige grundlegende Elemente, wie Gewohnheiten und soziale Normen, die sich in der Regel nur langsam ändern.