Von: mk
Bozen – Einbrüche, Betrug und internationaler Drogenhandel mit Kartellen aus Kolumbien pflastern den Weg des Bozners Paolo Boninsegna. Nach einer 36-jährigen Karriere als Krimineller möchte er nun seinem Leben allerdings eine Kehrtwende geben, berichtete die Zeitung Alto Adige am Sonntag.
Bei Paolo Boninsegna handelt es sich um keinen sogenannten „Pentito“, einen Kollaborateur mit der Justiz. Er hat niemanden verpfiffen, der gemeinsam mit ihm in kriminelle Aktivitäten verwickelt war. 20 Jahre lang verbrachte der 49-Jährige in mehreren Hochsicherheitsgefängnissen in Italien.
Drei Prozesse gegen ihn wurden direkt von der Bezirksdirektion der Antimafia-Polizei angefacht. Voraussichtlich muss er noch für weitere fünf Jahre seine Haftstrafe abbüßen – unter anderem auch deshalb, weil er einen stellvertretenden Staatsanwalt in Bozen während eines Verhörs mit dem Tod bedroht hat.
In einem Brief an die Ordnungshüter teilte der 49-Jährige vor ein paar Tagen mit, dass er nun in seinem Leben ein neues Kapitle aufschlagen möchte. Eine Frau, in die sich der mehrfach Verurteilte schwer verliebt habe, sei die Ursache des Sinneswandels. Durch sie sei ihm klargeworden, dass es im Leben auf andere Werte ankomme.
Er sei müde, Verbrechen zu begehen und davonzurennen. In seiner Laufbahn habe er die Denkweise von internationalen Drogenbossen kennengelernt. In diesem Umfeld könne auch ein kleiner Fehler den eigenen Tod zur Folge haben. Zwar sei es möglich, eine Menge Geld zu machen, doch man wache auch stets mit dem Gedanken auf, dass dieser Tag der letzte sein könnte.
„Ich habe mehrmals mein Leben riskiert“, erzählt der 49-Jährige heute. Vor zehn Jahren hatten ihn die Carabinieri gemeinsam mit 20 internationalen Drogenhändlern festgenommen. Paolo Boninsegna war führendes Mitglied einer Bande, die nach Italien 750 Kilogramm reinstes Kokain im Wert von rund 80 Millionen Euro geschmuggelt hatte. Im Jahr 2001 wurde er erwischt, weil er über zwölf Millionen Euro an Mehrwertsteuer am Fiskus beim Verkauf von Autos aus dem Ausland vorbeigeschleust haben soll.
Wie er selbst verrät, habe ihn das kriminelle Milieu stets angezogen. Als er mit 16 Jahren als Kellner in einem Restaurant in der Dalmatienstraße in Bozen arbeitete, sei er zum Schützling des sogenannten „Clans der Kalabresen“ geworden. Jeden Abend nach dem Essen spielten die Mitglieder eine Runde Poker. Auf dem Tisch lagen viel Bargeld und Kokain herum. Paolo Boninsegna war allen sympathisch. Er hatte die Aufgabe, Wache zu schieben, sodass im Fall einer Polizeirazzia Geld und Drogen sofort versteckt werden konnten.
Nach und nach wurden ihm erste Vorschläge unterbreitet, sich an Einbrüchen zu beteiligen. Obwohl er noch sehr jung war, spezialisierte sich Boninsegna auf das Knacken von Safes. „Sie kamen zu mir und verrieten mir, wo ich das Geld finden würde. In wenigen Tagen verschaffte ich mir einen Überblick und schritt dann zur Tat. Einmal habe ich auch einen Tresor des Unternehmers Pietro Tosolini in seinem Appartement in der Roen-Straße geplündert. Ich habe nie Aufträge angenommen, die unter einer Summe von 100 Millionen alter Lire lagen“, verrät der heute 49-Jährige.
Sein Ziel sei es gewesen, rasch zu viel Geld zu kommen, was ihm auch gelang. In den 90-erJahren habe er im Monat nie weniger als 100 Millionen Lire verdient. Er habe im Luxus gelebt – mit großen Autos, mit Abenden im Casino, mit Edel-Prostituierten und Essen in guten Restaurants.
Mit 20 Jahren erwarb er vier Appartements in Bozen und zwei weitere im Ausland. „Ich dachte, mir gehört die Welt. Allerdings habe ich auch vielen geholfen, weshalb ich auch in Bozen immer viel Rückhalt und Unterstützung gefunden habe“, erzählt Paolo Boninsegna. Als nach ihm gefahndet worden sei, sei er oft einfach in der Wohnung eines Freundes untergetaucht.
Die 20 Jahre hinter Gittern sind freilich die Kehrseite des verschwenderischen Lebens. Auf die Frage, ob es sich ausgezahlt hat, beantwortet Boninsegna mit einem klaren Nein. „Ich habe mein Leben weggeworfen, meine drei Kinder haben meinetwegen gelitten, ich habe meine Mutter enttäuscht. Ich habe alle enttäuscht“, erklärt der Bozner. Trotz allem würden sie ihn immer noch lieben.
Er verspüre ein starkes Schuldgefühl, weil er seine Fähigkeiten auch anders hätte einsetzen können. „Ich will nun ein neues Kapitel in meinem Leben aufschlagen und ich will, dass es alle wissen“, erklärt der 49-Jährige.