Von: ka
Genua – Eine Woche nach dem Desaster und einen Tag, nachdem das letzte Opfer zu Grabe getragen worden war, fällt der Staub der zerborstenen Betonteile der Morandi-Brücke langsam zu Boden. In den Medien und in der Öffentlichkeit wird fleißig nach Schuldigen und Verantwortlichen gesucht, wobei sich die gegnerischen Lager in einer widerlichen Schlammschlacht absolut gar nichts schenken.
Aber das Problem liegt tiefer. Eine Frage ist, wie groß das Interesse einer Aktiengesellschaft – die Autobahnen wurden Ende der 90-er Jahre privatisiert – die ihren Teilhabern regelmäßig Gewinne ausschütten muss, sein kann, den Großteil ihrer Mauteinnahmen in die Wartung der Viadukte fließen zu lassen. Eine andere Frage ist, wie gut die Kontrollen – der Morandi-Brücke wurde erst im Vorjahr ihre Befahrbarkeit bescheinigt – funktionieren. Die dritte Frage ist, welche Bürgerinitiativen und Parteien jahrelang den Bau einer Alternativstrecke verhindert haben. Nun soll es aber auf einmal ganz schnell gehen.
Auch in Südtirol fällt nach dem Desaster von Genua manch sorgenvoller Blick auf die heimischen Brücken und Viadukte der Autobahn A22. Aber bei letzter Adresse winkt man ab. Südtirols Viadukte und Brücken seien sicher, so heißt es aus der Zentrale. Vielleicht könnte ja das hiesige Modell, wo die betroffenen Provinzen und Regionen den Ton in der Autobahngesellschaft angeben, zum Modell für die in Rom angedachte „Rückholaktion“ der italienischen Autobahnen werden.
Ganz sicher aber muss sich etwas ändern. Ansonsten wird die kollabierte Morandi-Brücke zum Sinnbild für ein Land, wo sich nichts ändert, nichts weitergeht, wo Gier und Schlendrian regieren und wo das Allgemeinwohl der Bürger der letzte Gedanke der herrschenden Kaste ist.
Es gibt so viele Fragen, doch nur wenig Antworten.