Von: mk
Bozen – Nicht nur Erwachsene, sondern auch viele Jugendliche denken über Suizid nach. Problematisch wird es, wenn Todesphantasien zu einer fixen Idee werden. Young+Direct, die Jugendberatungsstelle des Südtiroler Jugendringes bietet jungen Menschen kostenlos und niederschwellig Hilfe an.
„Wenn es Jugendlichen schlecht geht, dann taucht auch manchmal der Gedanke an den Tod als Ausweg auf“, so Michael Reiner, Leiter der Jugendberatungsstelle Young+Direct. „Sie äußern dann Sätze wie Ich wünschte, ich wäre tot oder Am liebsten würde ich nur noch sterben. Der Tod wird als eine von vielen Möglichkeiten gesehen, ein (vorübergehendes) Problem (endgültig) zu lösen. Sie malen sich in diesen Momenten aus, wie es wäre, wenn sie ihr Leben beenden würden. Die meisten schaffen es, dann wieder auf andere Gedanken zu kommen.
Es kommt jedoch auch in jungen Jahren vor, dass man an solchen Phantasien hängen bleibt. Depressive oder besonders labile Jugendliche, die über längere Zeit das Gefühl haben, mit der Welt nicht mehr zurecht zu kommen, flüchten sich häufig in diese Gedanken und können sie nicht mehr abschalten. „Wenn ihr Leidensdruck nicht erkannt und ihnen nicht geholfen wird, wächst ihre Verzweiflung“, so Reiner weiter, „der Suizid wird dann mehr und mehr zum scheinbar einzigen Ausweg. Die Phantasien werden immer realer, schließlich treffen sie konkrete Vorbereitungen und versuchen sich das Leben zu nehmen.“
Die innere Entwicklung, die einen Menschen dazu bringt sich selbst zu töten, ist von außen schwer zu erkennen, trotzdem gibt es Zeichen, die auf eine Gefährdung hindeuten. Man sollte hellhörig werden, wenn jemand zum Beispiel plötzlich sein Verhalten ändert, gleichgültig und lustlos ist, Kontakte abbricht, sich zurückzieht und isoliert.
Wenn jemand offen ausspricht, dass er sich umbringen will, so muss das ebenfalls ernst genommen werden. Es ist ein Irrtum zu glauben, dass Menschen, die über Suizid reden, sich nicht töten. 80 Prozent der Menschen, die sich umbringen, teilen ihre Absicht vorher in irgendeiner Form mit.
„Bei Jugendlichen kommt es häufig vor“, so Reiner, „dass sie ihre Suizidabsichten einer Freundin oder einem Freund anvertrauen, allerdings mit dem Hinweis, es ja nicht weiterzusagen. In dieser Situation ist es wichtig, sich nicht unter Druck setzen zu lassen und in jedem Fall Hilfe zu holen.“
Sowohl Erwachsene als auch Jugendliche, die Suizidabsichten äußern oder bei denen man solche vermutet, sollten darauf angesprochen werden. Viele glauben, das Beste wäre in so einer Situation, das Thema zu wechseln, um die Betroffenen abzulenken. „Es ist wichtig, diesen Menschen die Möglichkeit zu geben, über ihre Suizidgedanken und die zu Grunde liegenden Probleme zu reden und sie dabei zu unterstützen, sich Hilfe zu holen. Gerade Young+Direct bietet auch in solchen Fällen kostenlos und niederschwellig kompetente Unterstützung an“, so Martina De Zordo, SJR-Vorsitzende.
Kostenlose Hilfe für Jugendliche bietet die Jugendberatungsstelle Young+Direct:
Persönliches Gespräch: Andreas-Hofer-Straße 36 in Bozen
Jugendtelefon: 8400 36366
WhatsApp: 345 0817056
Skype: young.direct
Facebook: YoungDirect Beratung Consulenza
E-Mail: online@young-direct.it
Internet: www.young-direct.it
Caritas: „Angehörige von Suizidopfern haben es besonders schwer“
Am 10. September wird weltweit der Tag der Suizidprävention begangen. Die Caritas nimmt dies zum Anlass, um auf die schwierige Situation der Hinterbliebenen aufmerksam zu machen. „Trauer nach dem Verlust eines lieben Menschen durch Suizid ist besonders schwer zu bewältigen“, weiß der Leiter der Caritas Hospizbewegung, Günther Rederlechner aus langjähriger Erfahrung, „Selbstvorwürfe, Schuldgefühle, Scham und oft auch das Unverständnis von außen machen einen natürlichen Trauerprozess fast unmöglich“. Das zeigt sich auch in der Caritas Telefonseelsorge, die als anonyme Anlaufstelle gerade auch für Menschen mit quälenden Suizidgedanken sowie betroffene Angehörige und Freunde rund um die Uhr telefonisch zur Verfügung steht.
„Die Frage nach dem Warum ist für Angehörige von Suizidopfern besonders quälend. Gerade Verwandte und Freunde möchten verstehen, warum der geliebte Mensch sich das Leben genommen hat und warum sie es nicht verhindern konnten. Sie machen sich Vorwürfe, oft kommt auch Zorn dazu, weil dieser Mensch sie in dieser schrecklichen Situation allein zurückgelassen hat“, weiß Günther Rederlechner. Über das Geschehene zu sprechen werde in diesem Fall besonders schwierig, auch weil das Umfeld oft unterschwellige Schuldzuweisungen mache. „Dabei wird oft vergessen, dass hinter einem Suizid meist eine lange Geschichte dahinter steckt, eine tief verwurzelte Depression, welche die Betroffenen oft jahrelang verstecken“, so Rederlechner. Umso wichtiger sei für die Angehörigen das Verständnis ihres Umfelds und die Möglichkeit, sich offen und ehrlich auszusprechen. „Leider passiert oft genau das Gegenteil: Die Angehörigen stoßen auf Unverständnis. Sie ziehen sich aus Angst, von anderen verurteilt zu werden, zurück und isolieren sich“, so Rederlechner.
Die Caritas-Hospizbewegung bietet Begleitung für Angehörige von Suizidopfern an. „Für die Betroffenen ist es hilfreich, zu wissen, dass sie in einem geschützten Rahmen mit einer Trauerbegleiterin über ihre Situation und Empfinden sprechen kann. Durch diese Begleitung bekommt die Trauer ihren Platz, den sie braucht, um bewältigt zu werden. Trauernde können somit Erleichterung und Sicherheit erfahren.“, erklärt Rederlechner.
Dies bestätigt auch Silvia Moser aus ihrer jahrelangen Erfahrung als Leiterin der Telefonseelsorge. Der Dienst hat sich anlässlich seines 15jährigen Bestehens bereits im Frühjahr des Themas in vertiefter Weise angenommen, „weil diese Problematik gerade auch in einem so erfolgsverwöhnten Land wie Südtirol etwas ist, das die Betroffenen sehr einsam und uns alle völlig hilflos macht“. Mit dem Niederländer Viktor Staudt hat die Telefonseelsorge einen Mann eingeladen, der seinen Suizidversuch überlebt hat und seitdem im Rollstuhl sitzt. Er, der sich mittlerweile als gefragter Vortragender und Buchautor europaweit einen Namen machte, hatte in beeindruckender Weise immer wieder die Wichtigkeit des Darüber-Reden-Könnens betont – und zwar für Menschen, die von Suizidgedanken gequält seien ebenso wie für Angehörige, die einen Menschen durch Suizid verloren hätten.
„Wir von der Telefonseelsorge sind rund um die Uhr an jedem Tag des Jahres unter der Grünen Nummer 840 000 481 erreichbar. Und es ist einfach so: Reden kann wirklich helfen und entlasten“, fasst Silvia Moser die Erfahrungen aus den vielen Gesprächen zusammen, die das mittlerweile 80köpfige ausgebildete Freiwilligenteam mit den unterschiedlichsten Menschen aus ganz Südtirol geführt habe. Sich Belastendes auch ganz anonym von der Seele reden zu können und dabei auf Resonanz und Mitgefühl zu treffen, könne helfen, den Alltag wieder leichter zu bewältigen und auch ermutigen, professionelle Begleitung in Anspruch zu nehmen, die beim Thema „Suizid“ sehr hilfreich und wichtig sein könne. Denn niemand müsse sich seiner Gefühle oder Gedanken wegen schämen, im Gegenteil, findet Silvia Moser. „In unserer leistungsorientierten Gesellschaft vergessen wir oft, dass wir Menschen sind und dass wir Gefühle haben, Gefühle, die aber ein Zeichen der Sehnsucht nach dem wahren Leben und Sinn sind“, betont Moser. Die Telefonseelsorge ist täglich rund um die Uhr unter der grünen Nummer 840 000 481 erreichbar.
Wer eine Begleitung bei der Hospizbewegung in Anspruch nehmen möchte oder nähere Informationen sucht, kann sich direkt beim Caritas-Dienst unter Tel. 0471 304 370 oder hospiz@caritas.bz.it melden.