Von: mk
Bozen – Welche Herausforderungen bringt die Obdachlosenarbeit mit sich? Und wie können Freiwillige gestärkt werden, um ihre wertvolle Arbeit noch besser zu leisten? Diesen Fragen widmete sich am 5. März ein Infoabend für die Freiwilligen des Dormizil, der in den Räumlichkeiten von HANDS in der Duca-d’Aosta-Straße in Bozen stattfand. Mehr als 30 Ehrenamtliche kamen, um mit Fachleuten aus Psychologie und Sozialarbeit über zentrale Herausforderungen und Strategien in der Begleitung obdachloser Menschen zu sprechen.
Der Abend begann mit Impulsvorträgen von Oskar Giovanelli, Psychotherapeut bei HANDS, Luis Wieser, Psychologe und Psychotherapeut von La Strada – Der Weg und EXIT, sowie Lea Niedermair und Romina Ciafardone von Volontarius. Sie beleuchteten Themen wie den Umgang mit Krisensituationen, das Spannungsfeld zwischen Regeln und Vertrauen, die Dynamik von Autorität und ideologischer Haltung sowie die Auswirkungen von Alkohol- und Drogenkonsum auf das Verhalten von Betroffenen.
HANDS besteht aus einem interdisziplinäres Team mit Psycholog:innen, Ärzt:innen, Krankenpfleger:innen, Sozialassistent:innen und Erzieher:innen. Sie arbeiten Hand in Hand, um Betroffene auf ihrem Weg aus der Sucht zu unterstützen – sei es durch Verhaltensänderung, medizinische Versorgung, Wiedereingliederung in die Gesellschaft oder durch gezielte Unterstützung im Jugendbereich. Oskar Giovanelli verwies in seinem Kurzreferat auf die Maslowsche Bedürfnispyramide und verband sie mit obdachlosen Menschen. Grundlegende Bedürfnisse wie Sicherheit, soziale Zugehörigkeit und Selbstverwirklichung können erst dann erfüllt werden, wenn die physiologischen Bedürfnisse wie Nahrung und ein sicherer Schlafplatz, gesichert seine, betonte der Mitarbeiter von HANDS: „Menschen, die obdachlos sind, kämpfen täglich um fundamentale Bedürfnisse. Erst wenn diese gesichert sind, können sie sich auf die höheren Ebenen der Pyramide konzentrieren – wie etwa die berufliche Integration oder soziale Stabilität.“
Luis Wieser betonte die Komplexität von Suchterkrankungen: “In meiner langjährigen Tätigkeit habe ich nur wenige Menschen erlebt, die aus eigener Initiative den Ausstieg aus der Sucht gesucht und geschafft haben.“ Meist seien es das soziale Umfeld oder gesundheitliche Gründe, die den Anstoß zur Veränderung geben. Das Belohnungssystem im Gehirn spielt dabei eine zentrale Rolle: Stimulanzien erzeugen kurzfristige Hochs, auf due unweigerlich depressive Phasen folgen. Um eine nachhaltige Veränderung zu erreichen, brauche es stabile soziale Beziehungen, die Sicherheit und Orientierung geben.
Lea Niedermair und Romina Ciafardone von Volontarius unterstrichen die Bedeutung der Netzwerkarbeit: Im Jahr 2024 hat Volontarius 896 Personen begleitet, die in Bozen keinen festen Wohnsitz hatten. Ohne Zusammenarbeit mit anderen Organisationen wäre Unterstützung nicht möglich, sagten sie. Und sie verdeutlichten: „Kein Wohnsitz bedeutet keine Rechte, keine Unterkunft, keine Arbeit, keine Dokumente – ein Teufelskreis, der viele Menschen in die Perspektivlosigkeit drängt.” Das gemeinsame Ziel bleibt, obdachlose Menschen von einer passiven Haltung in eine aktive Rolle zu begleiten und ihnen neue Perspektiven aufzuzeigen.
In der anschließenden Diskussionsrunde teilten die Freiwilligen des Dormizil ihre Erfahrungen und stellten Fragen zu Konfliktbewältigung, deeskalierenden Maßnahmen und dem Umgang mit Hausregeln. Monika Stuefer, Sozialarbeiterin im Dormizil, betonte: “Es ist essenziell, den obdachlosen Menschen auf Augenhöhe zu begegnen und ihnen das Gefühl zu geben, Teil der Gemeinschaft zu sein.“ Paul Tschigg vom Verein Dormizil EO sagte: „Menschen, die auf der Straße leben, erleben täglich Angst, Konflikte und Resignation. Vertrauen entsteht nur, wenn Begegnungen von Respekt und Verständnis geprägt sind.”
Die Vorstandsmitglieder des Vereins Dormizil Maria Lobis und Norbert Pescosta freuten sich über die rege Teilnahme und die wertvollen Beiträge der Referierenden und Freiwilligen. “Dieser Abend hat gezeigt, wie wichtig der Austausch und die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Organisationen sind, um die Lebenssituation obdachloser Menschen nachhaltig zu verbessern.“ Sie möchten solche Veranstaltungen künftig häufiger durchführen, um die Freiwilligen zu stärken und ihnen Sicherheit in ihrer Tätigkeit zu geben.
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