Finanzwache deckt „leichten Weg zum Lkw-Führerschein“ auf – VIDEO

„2.000 Verdachtsfälle, viele sprechen nicht einmal Italienisch“

Freitag, 03. Mai 2024 | 08:19 Uhr

Von: ka

Brescia – In Zusammenarbeit mit ihren Kollegen der Straßen- und der Provinzpolizei ist es den Beamten der Finanzwache gelungen, ein riesiges Betrugsnetzwerk auszuheben. Wie die Finanzpolizisten herausfanden, hatten Kriminelle ein technisch ausgefeiltes und umfangreiches Betrugssystem aufgebaut, das gegen die Zahlung hoher Geldsummen Führerscheinkandidaten auf sehr unlautere Art und Weise zu einem Führerschein verhalf.

Zum betrügerischen Netzwerk gehörten neben vier Fahrschulen, die demselben Inhaber zuordenbar waren, auch ein „Souffleur“, der den Kandidaten während der Prüfung die richtigen Antworten ins Ohr flüsterte. Neben den Haupttätern, die die eigentlichen Mitglieder des Netzwerks waren, wird gegen 60 weitere Verdächtige ermittelt. Derzeit werden 2.000 Führerscheine aller Kategorien – unter ihnen besonders viele Lkw-Führerscheine – auf ihre Gültigkeit überprüft. Die Ermittler glauben, dass der Großteil von ihnen durch Betrug erworben wurde.

Patenti facili in cambio di denaro. Operazione di #GuardiadiFinanza Polizia di Stato e #PoliziaProvinciale di #Brescia. Eseguite 4 ordinanze di custodia cautelare, 60 indagati e sequestrato 1 milione di euro. #NoiconVoi #nellaTradizioneilFuturo

Posted by Guardia di Finanza on Thursday, May 2, 2024

Erste Ermittlungen, die bereits im Juli des vergangenen Jahres zur Schließung einer Fahrschule durch die Finanzwache geführt hatten, brachten die Beamten auf die Fährte eines riesigen kriminellen Netzwerks, das nicht weniger als 2.000 „Schlaumeiern“ aus ganz Italien auf betrügerische Art und Weise zu einem Führerschein verholfen haben könnte. Nachdem nach der Schließung der ersten Fahrschule in Verolanuova südlich von Brescia bereits im September vier Personen festgenommen worden waren, klickten am 2. Mai für vier weitere mutmaßliche Täter, die den Anschuldigungen zufolge Mitglieder desselben Betrugsnetzwerks seien, die Handschellen.

Guardia di Finanza Brescia/S.C.I.C.O.

Als „Kopf“ des Netzwerks gilt ein Mann aus Brescia, der Inhaber von vier Fahrschulen war. Den Anschuldigungen zufolge bescheinigte er zusammen mit seinen Komplizen den Kandidaten, die bei ihm einen Führerschein „erwerben“ wollten, den in Wirklichkeit nie erfolgten Besuch der vorgeschriebenen Ausbildungskurse. Vor den geplanten Prüfungen statteten er und seine Mittäter dann die Kandidaten mit Mikrokameras und Miniaturkopfhörern aus. Über den Miniaturkopfhörer waren die Kandidaten mit einem „Souffleur“ verbunden, der ihnen während der Prüfung von Neapel aus die zu gebenden richtigen Antworten ins Ohr flüsterte. Im Rahmen der Polizeiaktion wurde der „Souffleur“ festgenommen und in den Hausarrest überstellt.

Guardia di Finanza Brescia/S.C.I.C.O.

Der dreiste Betrug flog auf, als im Rahmen von Kontrolleinsätzen der Verkehrspolizei beim örtlichen Kraftfahrzeugamt Dutzende von Kandidaten unterschiedlicher ethnischer Herkunft im Besitz von elektronischen Geräten angetroffen wurden, die für den Empfang von Prüfungsantworten geeignet waren. Nach den Verhören der ertappten „Schlaumeier“, die allesamt auf freiem Fuß angezeigt wurden, erkannten die Ermittler, dass sie auf ein weitreichendes Betrugsnetzwerk gestoßen waren.

Il giallo delle patenti facili

Il giallo delle patenti faciliPatenti facili in cambio di denaro. Duemila le licenze sospette. In carcere il titolare di quattro scuole guida nel Bresciano. Nell'organizzazione anche un "telefonista" che suggeriva le risposte da Napoli durante gli esami. Francesca Malaguti per il Tg3 delle 14:20 del 2 maggio 2024

Posted by Tg3 on Thursday, May 2, 2024

Die Ermittlungen ergaben bald, dass der Inhaber der vier Fahrschulen die „Spinne im Zentrum des Netzes“ war. Bei der folgenden Hausdurchsuchung stellten die Beamten nicht weniger als eine Million Euro in bar sicher, für die der Eigentümer der Fahrschulen keine glaubwürdige Herkunft nennen konnte. Das Bargeld wurde von der Finanzwache beschlagnahmt.

Dem Inhaber der Fahrschulen und seinen Komplizen werden die Bildung einer kriminellen Vereinigung, Bestechung und zahlreiche Fälle von Urkundenfälschung zur Last gelegt. Zudem werden sich die Inhaftierten wegen des Sonderdelikts der Abnahme von Fahrprüfungen mittels betrügerischer elektronischer Geräte sowie wegen Erpressung vor Gericht verantworten müssen.

Guardia di Finanza Brescia/S.C.I.C.O.

„Es wurde ein Betrugssystem aufgedeckt, das schwerwiegende Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit hat. Die vier Fahrschulen, die demselben Eigentümer gehörten, waren die Sammelstelle für angehende Lkw-Fahrer aus ganz Italien. Um die Prüfung abzulegen, begaben sie sich eigens dafür in die Provinz Brescia. Wir werden alle Verdachtsfälle untersuchen. Fest steht, dass viele der Fahrer, die einen Führerschein erhielten, nicht einmal Italienisch sprechen“, so der Oberstaatsanwalt von Brescia, Francesco Prete.

„Es gab ein festes Honorar, das sich zwischen 2.000 und 5.000 Euro bewegte“, so die Staatsanwältin Marzia Aliatis über die vermutete Art und Weise, wie die sichergestellte Summe von einer Million Euro zustande gekommen sei. Doch die Suche nach Bargeld ist noch nicht abgeschlossen. Um versteckte Bargeldpakete aufzuspüren, befinden sich derzeit speziell ausgebildete Suchhunde der Finanzwache im Einsatz.

Guardia di Finanza Brescia/S.C.I.C.O.

Die italienische Öffentlichkeit ist tief besorgt. Die Tatsache, dass auf Italiens Straßen und Autobahnen Hunderte von Vierzigtonner-Lkw mit Männern am Steuer unterwegs sein könnten, die die Fahrererlaubnis auf betrügerische Art und Weise erworben haben, ist mehr als nur niederschmetternd.