Von: ka
Latina – Ein Melonenfeld bei Latina in der mittelitalienischen Region Latium ist zun Schauplatz eines abscheulichen Verbrechens geworden. Nachdem der illegal angestellte landwirtschaftliche Arbeiter Satnam Singh in eine Maschine geraten war und dabei seinen Arm verloren hatte, lud ihn sein Arbeitgeber – ein 38-jähriger Großbauer – zusammen mit seiner verzweifelten Frau einfach in einen Kleintransporter und brachte beide zu ihrer wenige Kilometer entfernten Behausung, vor der er sie auf der Straße aussetzte.
Den Untersuchungen der Carabinieri zufolge soll der 38-jährige Antonello Lovato, gegen den nun wegen Totschlags und unterlassener Hilfeleistung ermittelt wird, erst nach dieser Fahrt die Notrufnummer 112 gewählt haben. Trotz mehrerer Notoperationen erlag der 31-jährige Satnam Singh zwei Tage nach dem schweren Arbeitsunfall am Mittwoch seinen Verletzungen. Der Tod des jungen Inders löste in der italienischen Öffentlichkeit Abscheu und Entsetzen aus.
Der schreckliche Arbeitsunfall geschah am Montag auf einem Melonenfeld bei Latina. Der 31 Jahre alte Inder Satnam Singh und seine Frau Alisha wurden wie üblich am Morgen vor ihrer Behausung mit einem Kleintransporter abgeholt und zu den nur wenige Kilometern entfernten Feldern gebracht, auf denen sie seit zwei Jahren als Tagelöhner „schwarz“ Melonen und Zucchini säten und ernteten. Ersten Erkenntnissen zufolge arbeiteten die beiden bereits seit ihrer Ankunft in Italien vor zwei Jahren für denselben landwirtschaftlichen Großbetrieb, dessen Inhaber – der 38-jährige Antonello Lovato – offenbar kein Problem darin sah, für einen angeblichen Stundenlohn von nur vier Euro, „Arbeitssklaven“ illegal auf seinen Melonenfeldern zu beschäftigen.
Damit ist er leider nicht allein. Verbrecherische „Caporalato-Netzwerke“ – mit dem Begriff „Caporalato“ wird die im Süden grassierende Sklavenarbeit in der Landwirtschaft bezeichnet – sind trotz vieler polizeilicher Maßnahmen insbesondere in den Regionen Mittel- und Süditaliens bedauerlicherweise noch immer weit verbreitet.
Zum Unglück kam es am Montagnachmittag, als die „Arbeitssklaven“ mit Plastikplanen Treibhäuser zudeckten, um sie für die Melonen herzurichten. Aus bisher noch unbekannten Gründen wurde der junge Inder von der schweren, von einem Traktor gezogenen landwirtschaftlichen Maschine, auf der die Plastikplane aufgewickelt war, mitgeschleift. Die Maschine trennte ihm den rechten Arm ab und zerquetschte seine Beine. Anstatt sofort den Notruf zu wählen, lud ihn sein Arbeitgeber – ein 38-jähriger Großbauer Antonello Lovato – zusammen mit seiner verzweifelten Frau einfach in einen Kleintransporter und brachte beide zu ihrer wenige Kilometer entfernten Behausung, vor der er sie auf der Straße aussetzte.
„Er lag auf dem Boden und überall war Blut. Sie luden uns in einen Lieferwagen. Ich dachte, sie würden uns ins Krankenhaus bringen. Ich schrie und flehte sie an, ihn nicht liegenzulassen“, so Alisha. Den Ermittlungen der Carabinieri zufolge befand sich Antonello Lovato selbst am Steuer des Kleintransportes. Der abgetrennte Arm hingegen wurde einfach auf eine Gemüsekiste gelegt. Als die Carabinieri aus Latina eintrafen, lag die abgetrennte Gliedmaße noch immer auf der Gemüsekiste.
Der Versuch, den schweren Arbeitsunfall zu vertuschen, schlug jedoch fehl. Wer genau die Rettungskräfte verständigte, ist derzeit noch unklar und daher noch Gegenstand von Ermittlungen. „Mich hat die Aufregung überwältigt, aber dann habe ich um Hilfe gerufen“, wird Antonello Lovato später gegenüber den Carabinieri beteuern. Möglich ist es aber auch, dass Kollegen und Freunde des 31-Jährigen, der in der religiösen Gemeinschaft der Sikhs der Region fest verwurzelt war, die Notrufnummer wählten.
Satnam Singh wurde vom Notarzt und den Rettungskräften erstversorgt und in das Krankenhaus San Camillo von Rom geflogen. Dort wurde der 31-Jährige mehreren Notoperationen unterzogen. Alle Bemühungen der Mediziner, Satnam Singhs Leben zu retten, sollten sich jedoch als vergeblich erweisen. Zwei Tage nach dem schweren Arbeitsunfall erlag der junge Inder am Mittwoch seinen schweren Verletzungen.
In der Zwischenzeit nahmen die Carabinieri von Latina Ermittlungen auf. Ersten Erkenntnissen zufolge sollen weder der Inhaber des landwirtschaftlichen Großbetriebs noch die „Caporali“ – die „Aufseher“ der illegal angestellten landwirtschaftlichen Tagelöhner – sofort nach dem Unglück die Notrufnummer gewählt haben. Vielmehr sei es ihr erster Gedanken gewesen, den Unfall zu vertuschen und sich des Verletzten zu entledigen.
Die zuständige Staatsanwaltschaft von Latina ermittelt gegen den 38-jährigen Antonello Lovato wegen Totschlags und unterlassener Hilfeleistung. Zu diesen schweren Anschuldigungen könnte bald der Tatbestand der Ausbeutung illegal beschäftigter Migranten hinzukommen. Die Vermutung, dass der 38-Jährige nur einen Stundenlohn von vier Euro gezahlt habe, bekräftigt diesen schweren Verdacht.
Im Falle einer Verurteilung riskiert Antonello Lovato eine langjährige Haftstrafe. Der Tod des jungen Inders löste in der italienischen Öffentlichkeit Abscheu und Entsetzen aus. Die Gewerkschaften und der italienische Bauernverband verurteilten die Tat. Sie fordern den Gesetzgeber auf, die herrschenden Gesetze gegen den Missstand des „Caporalato“ weiter zu verschärfen und die Kontrollen zu intensivieren. Die Stadtgemeinde von Latina wird sich dem kommenden Strafverfahren als Zivilpartei anschließen. Alisha trauert um ihren Mann. Der gemeinsame Traum von einem besseren Leben endete in einer schrecklichen Tragödie.