Von: apa
Eine angeblich neue Reifen-Regelung in Italien hat in Österreich, der Schweiz, Deutschland und anderen europäischen Ländern in den vergangenen Tagen für Aufregung gesorgt.
In dem beliebten Urlaubsland sollen ab dem 15. April nur mehr Sommerreifen an den Autos erlaubt sein. Bei der Verwendung von Winterreifen drohten hohe Strafen, berichten mehrere Medien. Doch die Regelung ist nicht, wie behauptet, neu und wichtige Informationen zur Einordnung findet man teilweise erst bei genauerer Sichtung der entsprechenden Artikel.
Die berichtete Reifenregelung gibt es in Italien bereits seit mehreren Jahren. Darüber hinaus gibt es kein allgemeines Verbot von Winterreifen oder Ganzjahresreifen in Italien. Wichtig ist lediglich, dass der im Zulassungsschein eingetragene Geschwindigkeitsindex bei den im Sommer gefahrenen Winterreifen nicht unterschritten wird.
Einige der Nachrichtenartikel sprechen von einer “Sommerreifen-Pflicht” oder erwähnen erst sehr spät im Text, dass es für die Strafbarkeit beim Verwenden von Winterreifen in Italien gewisse Einschränkungen gibt. Dadurch besteht die Gefahr, dass der Eindruck erweckt wird, es handle sich um ein generelles Winterreifenverbot. Vor allem in sozialen Medien werden zum Teil nur Screenshots der Titel oder irreführende Textbeiträge geteilt.
Geschwindigkeitsindex ist relevant
Tatsächlich geht es bei der Regelung vor allem um das Einhalten des in der Zulassung eingetragenen Geschwindigkeitsindex, also der erlaubten Höchstgeschwindigkeit der Autoreifen. Beim Reifenkauf muss auch in Österreich darauf geachtet werden, dass die Reifen mindestens für dieselbe Geschwindigkeit freigegeben sind wie die zugelassene Höchstgeschwindigkeit, der Geschwindigkeitsindex der Reifen darf also bis auf wenige Ausnahmen nicht darunter liegen. Der Index ist auf der Seite des Reifens in unmittelbarer Nähe der Reifendimension als Buchstabe hinter einer zweistelligen Zahl zu finden.
Eine dieser Ausnahmen gilt für Winterreifen. Da diese meistens über eine geringere Höchstgeschwindigkeit verfügen als Sommerreifen, ist es erlaubt, dass der Geschwindigkeitsindex unter der zugelassenen Höchstgeschwindigkeit liegt, wenn die Reifengeschwindigkeit natürlich eingehalten wird.
Vorsicht bei M+S-Reifen
In Österreich wie auch in Deutschland gibt es keine generelle, sondern eine situative Winterreifenpflicht. Das bedeutet, bei winterlichen Verhältnissen müssen Autos geeignete Reifen angelegt haben. In Österreich betrifft das die Zeitspanne von 1. November bis zum 15. April, in Deutschland gibt es keine zeitliche Eingrenzung.
In Deutschland ist entscheidend, dass Winterreifen mit einem Alpinsymbol (“Schneeflocke”) gekennzeichnet sind, lediglich als “Matsch & Schnee” markierte Produkte (M+S-Reifen) gelten seit kurzem laut ÖAMTC nicht mehr als Winterreifen. In Österreich dürfen demnach aber weiterhin auch bloße M+S-Reifen genutzt werden, wobei hier zu einer Erneuerung der Ausstattung geraten werde, nachdem das Alpinsymbol bereits seit einigen Jahren eine Standardkennzeichnung darstelle und eine M+S-Kennzeichnung ohne Alpinsymbol meistens auf sehr alte Produkte hindeute. Außerdem handelt es sich bei der Kennzeichnung um keine geschützte Kennung, die von jedem Hersteller verwendet werden könne.
Aufpassen muss man in Italien aber bei der Verwendung von M+S-Reifen in den Sommermonaten. Diese als neu beschriebene Sommer-Regelung für Winterreifen gilt allerdings bereits seit 2014. Winterreifen sind demnach auch im Sommer geduldet, wenn der in der Zulassung eingetragene Geschwindigkeitsindex bei M+S-Reifen nicht unterschritten wird. Während von 15. Mai bis 15. Oktober alle montierten Reifen mindestens den Index im Zulassungsschein erreichen müssen, sind im Winter Reifen bis zur Untergrenze “Q” erlaubt.
Winterreifen bei hohen Temperaturen leistungsschwächer
Italien will durch die Regelung die Verkehrssicherheit erhöhen und Unfälle reduzieren. Hintergrund ist dabei, dass Winterreifen am besten bei Temperaturen unter sieben Grad Celsius funktionieren und bei wärmeren Temperaturen eine signifikant schlechtere Bremsleistung aufweisen können.
Beim Verstoß gegen die italienischen Vorgaben drohen laut den Medienberichten Strafen zwischen 419 und 1.682 Euro. Beim ÖAMTC seien bisher aber noch nie Beschwerden oder Informationen über Strafen aufgrund fälschlich verwendeter Winterreifen eingetroffen, wie ein Sprecher erklärte.
Nichtsdestotrotz empfiehlt der ÖAMTC Urlaubenden in Italien noch vor der Fahrt den Wechsel auf Sommerreifen. Das sei technisch und rechtlich die sicherste Variante, so der Sprecher. Ganzjahresreifen sollten mit dem Index laut Zulassungsschein abgeglichen werden.
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