Von: ka
Dro – Einige Tage nach dem Angriff einer Bärin, von dem er mehrere Verletzungen davongetragen hat, spricht der französische Tourist Vivien Triffaux über die vielleicht längsten Momente seines Lebens.
„Sie stand auf ihren Hinterbeinen einen Meter von mir entfernt und wir sahen uns an. Ich versuchte, ihr klarzumachen, dass ich keine bösen Absichten hegte. Dann ging sie weg. Das Ganze dauerte nur ein paar Sekunden, aber mir kam es wie eine Ewigkeit vor“, so Vivien Triffaux. „Wir müssen ein Gleichgewicht mit der Natur finden“, meint der französische Tourist.
Vivien Triffaux, der am Dienstag, dem 16. Juli, oberhalb von Dro im Trentino von der Bärin Kj1 angegriffen worden war, konnte einige Tage später aus dem Krankenhaus entlassen werden. „Mein Leben ist nicht in Gefahr, aber ich habe vom Bärenangriff eine tiefe Bisswunde sowie mehrere Verletzungen im Brustbereich und an den Gliedmaßen davongetragen“, erklärt der 43-jährige französische Tourist im Interview mit der Zeitung Domani.
Vivien Triffaux, der als Arzt in einem französischen Krankenhaus arbeitet, spricht ausführlich über den Angriff der Bärin, der sich ereignete, als er auf einem markierten Wanderweg, der von Dro bergaufwärts nach San Giovanni al Monte führt, unterwegs war. Der französische Tourist betont gegenüber dem Journalisten des Domani, dass er ganz normal gewandert und nicht gerannt sei.
„Ich erreichte eine Abzweigung zwischen einem steinigen Waldweg und einem kleinen, oberhalb dieses Weges gelegenen Pfad, der stark verwachsen und wenig sichtbar war. Plötzlich rannte ein Bär auf mich zu“, so Vivien Triffaux. Die Bärin griff ihn sofort an. „Ich erhaschte einen Blick auf ein Jungtier, das hinter ihr lief, und wusste sofort, dass sie aggressiv war. Ich hatte gerade noch Zeit, mich auf den Boden zu kauern und mich zu schützen, vor allem meinen Hals und meinen Kopf. Die Bärin biss mir in den Arm und fügte mir mehrere Kratzwunden zu. Sobald sie ihren Griff lockerte, versuchte ich zu fliehen, indem ich mich in die Vegetation oberhalb des darunter liegenden Waldweges stürzte. Ich musste unbedingt von ihrem Jungtier wegkommen“, gießt der 43-Jährige diese dramatischen Momente in Worte.
Die Bärin folgte ihm jedoch. „Ich versuchte, mich jenseits des Waldwegs weiter zu entfernen und nach der anfänglichen Panik wieder Ruhe zu bewahren. Ich stand auf und stellte mich ihr, woraufhin die Bärin aufhörte, aggressiv zu sein. Sie stand auf ihren Hinterbeinen einen Meter von mir entfernt und wir sahen uns an. Ich versuchte, ihr klarzumachen, dass ich keine bösen Absichten hegte. Dann entfernte sie sich. Das Ganze dauerte nur ein paar Sekunden, aber mir kam es wie eine Ewigkeit vor“, erzählt Vivien Triffaux.
Als er sich wieder in Sicherheit glaubte, rief Vivien Triffaux sofort seine Frau an und teilte ihr mit, was geschehen war. Anschließend wählte er die Notrufnummer. Er wurde vom Notarzt und seinem Team erstversorgt und ins Krankenhaus Santa Chiara von Trient geflogen. Aufgrund seiner Verletzungen wurde der 43-Jährige vom Notfallraum umgehend in die Abteilung für plastische Chirurgie verlegt. Erst am Montag, dem 22. Juli, konnte Triffaux, dem die behandelnden Mediziner eine Heilungsdauer von 20 Tagen bescheinigten, das Trienter Krankenhaus wieder verlassen.
In der Zwischenzeit geriet er selbst im Mittelpunkt einer Debatte, von der er nicht einmal geahnt hätte, dass sie ihn jemals erfassen würde. Da es die Heimat seines Großvaters war – sein Großvater mütterlicherseits war nach dem Zweiten Weltkrieg nach Frankreich ausgewandert – urlaubt Vivien Triffaux mit seiner Familie immer wieder gerne im Trentino. Aufgrund seiner verwandtschaftlichen Nähe mit dem Trentino beschäftigt auch ihn die hitzige Debatte, die zwischen den Befürwortern eines Abschussplans und den Tierschützern, die Entnahmen vehement ablehnen und stattdessen eine Politik des Zusammenlebens der Bären mit den Menschen fordern, tobt.
ATTACCO DELL'ORSO, IL RACCONTO DEL TURISTA AGGREDITO"Sono rimasto fermo, così mi sono salvato"Prima ricostruzione del turista francese aggredito ieri da un orso nei boschi sopra Dro.
Posted by RTTR La Televisione on Wednesday, July 17, 2024
„Diese brutale und gewalttätige Begegnung mit der Bärin wird mich für den Rest meines Lebens prägen. Es war auch eine Begegnung mit der wildesten Seite der Natur und sie fand nur ein paar Hundert Meter von unserem Zuhause entfernt statt. Ich möchte mich nicht öffentlich zu einer möglichen Tötung der Bärin äußern. Ich denke jedoch, dass dieser Angriff die Debatte über das Zusammenleben von Menschen und Wildtieren neu entfachen sollte. Zwischen der Sicherheit des Menschen und dem Erhalt der biologischen Vielfalt müssen wir ein Gleichgewicht finden, wobei wir uns jedoch vor Augen halten müssen, dass es der Mensch ist, der den anderen Arten den größten Schaden zufügt. Um zukünftige Angriffe zu verhindern, gilt es, geeignete Maßnahmen zu finden und sie untereinander abzuwägen. Dies ist eine schwierige Debatte, die lange Überlegungen und daher Zeit erfordert“, wirbt Vivien Triffaux für eine besonnene Vorgehensweise.
„Ich bin dankbar, am Leben zu sein, und ich erkenne, wie viel Glück ich habe, meine Lieben in meiner Nähe zu haben. Diese schlimme Erfahrung hat mich zum Nachdenken darüber gebracht, was im Leben wirklich wichtig ist“, abschließend der 43-jährige Franzose.
Da auch die zweite Abschussverordnung des Trentiner Landeshauptmanns Maurizio Fugatti vom Verwaltungsgericht in Trient vorläufig ausgesetzt wurde, bleibt die Bärin Kj1 – vorerst – am Leben. Die Debatte, ob und unter welchen Bedingungen es ein Zusammenleben zwischen Bären und Menschen geben kann, wird das Trentino aber auch Südtirol noch die kommenden Jahre beschäftigen.