Region mit den meisten Infizierten kämpft um Skisaison – VIDEO

Aostatal: „Mit diesen Zahlen ist ein Lockdown nicht ausgeschlossen“

Freitag, 30. Oktober 2020 | 08:04 Uhr

Von: ka

Aosta – Nicht eine große Region mit einer Millionenstadt wie die Lombardei, sondern das kleine Aostatal hält den traurigen Rekord der Corona-verseuchtesten Region Italiens. Aufgrund der Ähnlichkeiten zwischen dem Aostatal und Südtirol – bei beiden handelt es sich um relativ dünn bevölkerte alpine Bergregionen – ist die Erforschung der Gründe, die zu diesem wenig erfreulichen Spitzenplatz geführt haben, auch aus Südtiroler Sicht von Interesse.

ANSA/Tiziano Manzoni

Wegen der hohen Anzahl der Neuansteckungen mit dem Coronavirus und der absehbaren Überlastung des einzigen Krankenhauses wird in Aosta inzwischen über einen totalen regionalen Lockdown nachgedacht. Mit lokalen „Roten Zonen“ und anderen weniger einschränkenden Corona-Maßnahmen hofft man aber noch, die Skisaison retten und eine „Schließung“ des Aostatals vermeiden zu können.

In keiner anderen italienischen Region ist das Virus dermaßen stark im Umlauf wie im Aostatal. „Wenn die von der Regierung verfügten Maßnahmen keine Erfolge zeitigen sollten, werden wir in drei bis vier Wochen strengere Maßnahmen, die einen totalen Lockdown nicht ausschließen, anwenden müssen“, so der medizinische Koordinator der regionalen Taskforce für die Corona-Notlage, Luca Montagnani.

In der Tat sind die Zahlen erschreckend. Betrachtet man die letzten zwei Wochen, hält das Aostatal mit einem Schnitt von 575 Corona-Positiven auf 100.000 Einwohner den traurigen Rekord der Corona-verseuchtesten Region Italiens. Auch was die stationären Aufnahmen und die Todesfälle anbelangt – jeweils 59,7 Neuaufnahmen und auf sieben Tagen gerechnet 6,3 Todesfälle auf 100.000 Einwohner – belegt die autonome, teilweise französischsprachige Bergregion beide wenig erfreulichen Spitzenplätze. Zu allem Überdruss verfügt die kleine alpine Region, die an Frankreich und der Schweiz angrenzt, nur über ein einziges Krankenhaus. Zudem ist der ursprünglich bereits für Juli versprochene, aus Fertigbauteilen errichtete Zubau des Krankenhauses, der zusätzliche Covid-19-Patienten aufnehmen sollte, noch nicht fertiggestellt.

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Die Pläne, das Aostatal „stillzulegen“, stoßen aber auf den heftigen Widerstand der Tourismustreibenden, die sich um die für die Bergregion immens wichtige Wintersaison sorgen. Die aktuell geltenden, von der römischen Regierung verfügten Corona-Einschränkungen haben die Touristiker bereits dazu gezwungen, den Beginn der Skisaison zu verschieben. Nun fürchten sie, nach einem regionalen Lockdown die Wintersaison endgültig abschreiben zu können.

Um einen Lockdown zu vermeiden, sind laut dem für die Gesundheitsfürsorge zuständigen Regionalassessor Roberto Barmasse nun die Ausrufung von lokalen „Roten Zonen“ mit strengeren Einschränkungen sowie gezielte Maßnahmen, die das soziale Leben der Valdostaner einschränken, im Gespräch. „Wir bewerten Daten über das soziale Leben der Einwohner, um in den nächsten zwei bis drei Tagen gezielte Maßnahmen einzuführen. Zu diesen gehören unter anderem lokale Ausgangssperren, die verhindern sollen, dass sich die Leute in den Kellerlokalen treffen“, so Roberto Barmasse.

Ansa/Telenews

Die privaten Feiern sind laut den Experten der Hauptgrund für die starke zweite Coronawelle im Aostatal. „Der Grund für die starke Ausbreitung des Virus ist das intensive Gemeinschaftsleben der Einwohner. Traditionell besitzt fast jedes Einzelhaus einen Partykeller oder ein Kellerlokal, in dem man sich mit Freunden und Verwandten trifft und feiert. In den kleinen Bergdörfern sind diese Feiern sehr häufig“, erklärt Luca Montagnani.

Viele Virologen und Epidemiologen teilen diese Meinung. Viele Untersuchungen würden zeigen, dass private Feiern und besondere feierliche Anlässe wie Hochzeiten, Taufen oder auch Jahrgangsfeiern, bei denen viele Freunde und Verwandte zusammenkommen, bei der Verbreitung des Coronavirus eine herausragende Rolle spielen.

Im Aostal hoffen die Touristiker immer noch, nach dem Ablauf des Dekrets des Präsidenten des Ministerrates die Skilifte und Seilbahnen wieder in Betrieb nehmen zu können. Luca Montagnani winkt aber ab. „Steigt die Kurve der Neuansteckungen weiter, müssen wir die Seilbahnen und Skilifte gezwungenermaßen geschlossen halten. Mit nur einem Krankenhaus in der Region können wir uns nicht gleichzeitig um die Covid-19-Patienten und um die Opfer von Skiunfällen, die mit einem Schädeltrauma in der Ersten Hilfe landen, kümmern“, so der Mediziner Luca Montagnani, der als Primar auch der einzigen Intensivstation des Aostatals vorsteht.

Ob es Verantwortlichen gelingen wird, den Valdostanern zu vermitteln, dass sie auf ihre privaten Feste und Feiern in den nächsten Wochen und Monaten besser verzichten sollten, steht in den Sternen. Südtirol hingegen tut gut daran, den schwierigen Drahtseilakt zwischen Rettung der Skisaison und Bekämpfung von Covid-19, den das Aostatal versuchen wird, aus nächster Nähe zu betrachten. Aufgrund der Ähnlichkeiten zwischen dem Aostatal und Südtirol könnte die eine oder andere Maßnahme auch bei uns von Nutzen sein.