Von: ka
Mailand – Nach dem Tod ihres großen Gönners Silvio Berlusconi brechen für rund 20 junge Frauen, von denen böse Zungen behaupten, dass sie bei den „Bunga-Bunga-Partys“ des inzwischen verstorbenen ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten und Unternehmers Silvio Berlusconi in Arcore oftmals zu Gast gewesen seien, harte Zeiten an. Die Familie Berlusconi hat beschlossen, die Auszahlung der großzügigen monatlichen Entschädigungen an die etwa 20 in die verschiedenen Ruby-Prozesse verwickelten Frauen einzustellen und ihnen die Wohnungen und Villen, die Silvio Berlusconi ihnen zur freien Nutzung überlassen hatte, zu kündigen. Zwei Frauen wollen sich wehren, aber ihre Chancen stehen schlecht.
Die etwa 20 jungen Frauen hofften vermutlich, durch die Teilnahme an den „eleganten Abendessen“ in der großen Villa von Silvio Berlusconi in Arcore bei Mailand, die laut Darstellung der Staatsanwaltschaft in wahre „Bunga-Bunga-Partys“ ausgeartet seien, leichteren Zugang zur glitzernden Welt des Showbusiness des TV-Tycoons zu gelangen. Stattdessen wurden sie in den im Jahr 2010 geplatzten Skandal um die Beziehung von Silvio Berlusconi mit dem marokkanischen Escort-Girl Karima el-Mahroug, besser bekannt unter dem Spitznamen Ruby Rubacuori, verwickelt. In der Folge mussten die Frauen in mehreren Prozessen als Zeuginnen aussagen, wodurch ihnen eine mögliche Fernsehkarriere verwehrt blieb.
Die jungen Frauen fielen aber weich. Um sie für ihre nie gestarteten Karrieren im Showbusiness, für ihr verlorenes Ansehen und für die Verwicklungen in die Prozesse der Ruby-Affäre zu entschädigen, entschied der Cavalliere, ihnen nicht nur monatlich 2.500 Euro zu zahlen, sondern ihnen auch zur kostenlosen Nutzung Wohnungen und Villen zu überlassen. Die Staatsanwaltschaft von Mailand hingegen glaubt, dass seine „Großzügigkeit“ Silvio Berlusconi vielmehr dazu gedient habe, sich das Schweigen der jungen Frauen zu erkaufen.
Nach dem Tod ihres großen Gönners brechen für die rund 20 jungen Frauen aber harte Zeiten an. Die Kinder von Silvio Berlusconi, allen voran Pier Silvio und Marina, die nach dem Tod ihres Vaters den vielen Immobiliengesellschaften des Fininvest-Konzerns vorstehen, beschlossen, den Frauen nicht nur alle Zahlungen zu streichen, sondern ihnen auch die kostenlosen Wohnrechte zu kündigen.
Hinter der Entscheidung der Familie Berlusconi, den rund 20 in die verschiedenen Ruby-Prozesse verwickelten Frauen, die seit Jahren regelmäßig eine monatliche „Entschädigung“ erhielten und kostenlos in Villen wohnen durften, endgültig den Hahn zuzudrehen, steht vor allem die Absicht mit einer für die Familie peinlichen Vergangenheit – einige der jungen Frauen sollen hohe Geldforderungen gestellt und Silvio Berlusconi unter Druck gesetzt haben – zu brechen und auf diese Weise ein deutliches Signal zu setzen.
Die Kinder von Silvio Berlusconi äußerten sich selten über die gerichtlichen Verwicklungen ihres Vaters, freuten sich aber über den Freispruch, „weil der Tatbestand nicht erfüllt ist“, im Prozess Ruby ter, in dem 21 weibliche Gäste wegen Meineids und zusammen mit dem Cavaliere auch wegen Korruption bei gerichtlichen Handlungen angeklagt waren. „Diese aus dem Nichts geborene und auf dem Nichts von einem kleinen, aber mächtigen Teil der Justiz mit rasender ideologischer Wut fortgeführte Affäre hat die Geschichte und die Politik unseres Landes sowie sein Bild im Ausland geprägt und bestimmt“, so Marina Berlusconi im Februar dieses Jahres. Auch ihre Schwester Barbara meldete sich zu Wort und bezeichnete das Urteil als „einen Sieg, der einen zu hohen Preis hat“.
Trotz der Proteste der jungen Frauen, die bald ohne „Entschädigung“ und Wohnung auf der Straße stehen werden, dürften Berlusconis Söhne und Töchter zur Entscheidung, den jungen Frauen den Geldhahn zuzudrehen, kaum Stellung beziehen. Neben dem Wunsch, dieses unsägliche Kapitel endgültig zu schließen, gibt es dafür gleich mehrere Gründe.
Einer ist, dass im Testament von Silvio Berlusconi keine Regelungen zugunsten dieser Frauen enthalten sind, was seinen Kindern die Handhabe gibt, ihnen alle Privilegien zu entziehen. Zudem haben die Immobiliengesellschaften rechtliche Schwierigkeiten, in ihren offiziellen Bilanzen die Abtretungen zu rechtfertigen, ohne Mieteinnahmen zu erzielen. Wie der Fall von zwei dieser Frauen, Alessandra Sorcinelli und Barbara Guerra, zeigt, handelte es sich bei der unentgeltlichen Überlassung um einen von Silvio Berlusconi persönlich vorgenommenen Akt, der „einen Mietvertrag zur vorübergehenden Nutzung bis zum 31. Dezember 2023“ vorsieht. Laut dem Schreiben der Immobiliengesellschaft, das Alessandra Sorcinelli und Barbara Guerra zugestellt wurde, erlosch dieser Vertrag mit dem am 12. Juni erfolgten Ableben von Silvio Berlusconi. Sorcinelli und Guerra sowie ihre Anwälte bestreiten diese Auslegung und behaupten, dass sie beweisen können, dass der letzte Wille des ehemaligen Ministerpräsidenten ein anderer gewesen sei.
Angesichts des Testaments des verstorbenen Politikers und TV-Tycoons dürften ihre Chancen aber schlecht stehen. Da die Justizaffäre um die „Bunga-Bunga-Partys“ noch nicht ausgestanden ist – nach dem Rekurs der Mailänder Richter wird sich am kommenden 5. März 2024 der römische Kassationsgerichtshof mit dem Freispruch im Prozess Ruby ter befassen – und viele der jungen Frauen ihre Anwälte noch nicht gänzlich bezahlt haben, können sich die jungen Frauen ihrer Vergangenheit nicht entziehen.
Politische Beobachter glauben, dass diese Entscheidung der Kinder Berlusconis in erster Linie zum Zweck getroffen worden sei, sich aller Altlasten zu entledigen. Je nachdem, wie die Europawahlen im Frühjahr für Forza Italia verlaufen, könnte hingegen entgegen allen Dementis unter Umständen entschieden werden, wieder selbst in die Politik zurückzukehren.