Von: ka
Rom/Rimini/Faenza – Obwohl sich Hunde und Katzen bei Jung und Alt immer größerer Beliebtheit erfreuen, ist den allermeisten Bürgern selten bewusst, dass es auch eine immer dreister vorgehende „Jungtiermafia“ existiert, die sich die steigende Nachfrage nach Jungtieren zu Nutze macht.
In Italien hat die illegale Einfuhr von Rassehundewelpen und anderen ähnlich wertvollen Jungtieren aus Osteuropa ungeheuerliche Ausmaße angenommen. Immer wieder gelingt es den Carabinieri und der Polizei, einen illegalen Jungtiertransport abzufangen, aber die „Lieferungen“, die es dennoch nach Italien schaffen, sind vermutlich um ein Vielfaches größer.
Die Jungtiere wie Welpen und Kätzchen werden in Osteuropa für wenige Euros erworben, um dann auf dem italienischen Schwarzmarkt um ein Vielfaches des Einkaufspreises verkauft zu werden. Die Welpen und Kätzchen, die sehr früh ihren Tiermüttern entrissen wurden, werden ohne jegliche Prophylaxe, mit nur wenig Nahrung und Wasser versorgt und dicht in enge Boxen eingezwängt, meist auf Lkws auf die lange Reise von Osteuropa nach Italien geschickt. Bei diesem unter unwürdigsten Bedingungen durchgeführten, illegalen Transport sterben meist 35 bis 50 Prozent der Jungtiere.
Einen ganz besonders eklatantem Fall von illegalen Tierhandel und Tierquälerei entdeckten im Sommer 2017 die Carabinieri von Rimini, als sie ein Abschleppfahrzeug anhielten. In einem kleinen Raum, der unter den Sitzen versteckt war, fanden die Carabinieribeamten ein Dutzend Welpen der Rassen Malteser, Chihuahua sowie Französische Bulldogge. Die Hundewelpen waren seit Stunden eng zusammengedrängt in völliger Dunkelheit unterwegs und mussten ohne Wasser und Nahrung inmitten ihres eigenen Kots ausharren.
„Die Tiere waren verängstigt, dehydriert, krank und litten unter großen Schmerzen. Mit dem Fahrzeug reisten drei Männer ungarischer Nationalität, denen wir Vergehen wie Tierquälerei und illegale Einfuhr von Haustieren unter dem erschwerenden Umstand des geringen Alters der Tiere – die Welpen waren weit weniger, als die vom Gesetz vorgeschriebenen 12 Wochen alt – beanstandeten“, so Hauptmann Domenico Montalto, Kommandant der Carabinierikompanie von Rimini.
Ein ähnlichen Schlag gegen den illegalen Handel von Hundewelpen konnte letzte Woche auch die Staatspolizei melden. Auf der Autobahn A1 in der Emilia Romagna wurden bei einer Fahrzeugkontrolle im Kofferraum 26 Hundewelpen entdeckt. Gegen die beiden Insassen des Wagens – zwei Männer aus Kampanien – wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.
In Ungarn und der Slowakei kosten die Tiere zwischen 50 und 80 Euro. In der Ukraine und in Russland erzielen die Welpen ganz besonders gesuchter und wertvoller Rassen in den höchsten Fällen einen Preis von 300 Euro. Auf dem italienischen Markt stehen Schoßhündchen ganz besonders hoch im Kurs, aber es werden auch Welpen des Bernhardiner, Golden Retriever und anderer großer Hunderassen illegal nach Italien eingeführt. Für Welpen dieser Rassen sind die heimischen Kunden bereit, 600 bis 5.000 Euro zu bezahlen. Das heißt, dass der Schmuggel mit Hundewelpen für die „Jungtiermafia“ das 10 bis 20-fache des Einkaufspreises abwirft, also eine Gewinnspanne von 90 Prozent und mehr aufweist. Dabei werden Straftaten wie Tierquälerei, illegale Einfuhr von Haustieren unter dem erschwerenden Umstand des geringen Alters der Jungtiere, betrügerischer Handel und Falschbeurkundung begangen. Letzteres Vergehen ergibt sich daraus, weil das in den Papieren aufscheinende Alter der Jungtiere meist nicht dem wahren Alter der Welpen und Kätzchen entspricht.
Ein Ministerialdekret, das es auch Liebhabern erlaubt, bis zu fünf Zuchttiere zu halten und jährlich, bis zu 30 Welpen zu „produzieren“, erleichtert die Arbeit von Polizei und Carabinieri nicht. „Dank“ dieser großzügigen Regelung gelingt es skrupellosen „Hobbyzüchtern“ am Fiskus und allen veterinärmedizinischen Kontrollen vorbei, ein illegales Jahreseinkommen von 30.000 bis 40.000 Euro zu erzielen. Zudem können an solchen „Bauernhöfen“ illegal eingeführte Zuchttiere und deren Welpen als in Italien geborene Tiere ausgegeben werden.
In einem Fall hoben die Carabinieri der Kompanie von Faenza eine illegale Zuchtstätte aus.
„Die Jungtiere wurden in für Hühner vorgesehene Legeboxen und in Obstkisten gehalten. Die Welpen wurden mit faulendem Fleisch voller Würmer ernährt, das aus einer Art illegaler Metzgerei stammte. Zudem stellten wir verfallene Medikamente und in einer Kühltruhe den Kadaver eines Malteserwelpen sicher. Bei diesem Einsatz konnten wir 120 Welpen, welche mit hoher Wahrscheinlichkeit aus dem Schwarzhandel stammten, retten“, so Cristiano Marella, Kommandant der Carabinerikompanie von Faenza.
Der Inhaber der „Zuchtanstalt“ wurde in der Folge im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs zu neun Monaten Haft und einer Geldstrafe verurteilt. Gegen die zuständigen Tiermediziner wurde das Hauptverfahren eröffnet.
Trotz der Erfolge der Polizei und Carabinieri ist der Weg noch weit. Neben gesetzlichen Änderungen und Strafverschärfungen für die weiter oben genannten Straftaten wird auch eine verstärkte Zusammenarbeit mit den Ordnungskräften der Ursprungsländer ins Auge gefasst.
Aber auch die Endkunden trifft eine große Verantwortung. Leider drücken viele Hunde- und Katzenliebhaber im Bezug auf die Herkunft der Tiere lieber gerne beide Augen zu.