Von: ka
Matera – Ein vom Gericht von Matera gefälltes, wegweisendes Urteil in einem Trennungsfall löst in der italienischen Öffentlichkeit heftige Diskussionen aus. Anstatt das alleinige Wohnrecht in der ehelichen Wohnung einem der getrennten Ex-Partner – meist ist es die Mutter – zuzuerkennen, wiesen die Richter die Wohnung dem Sohn des trennungswilligen Paares zu. Um die „Doppelelternschaft“ zu gewährleisten, wechseln sich Vater und Mutter einander halbmonatlich als „Gäste“ ab. Zudem verfügte das Gericht, dass kein Partner dem anderen für das Kind Unterhalt zahlen müsse.
L'Autorità garante #infanzia #adolescenza ha pubblicato il #parere sul ddl #affido inviato alla commissione Giustizia @SenatoStampa. "Ogni #separazione ha una storia a sé: valutare caso per caso. Prima l'interesse dei figli poi le esigenze dei #genitori". https://t.co/rZyPs7rUSL pic.twitter.com/7D4FF2eJz6
— Garante Infanzia (@agiasocial) November 13, 2018
Ein Urteil, das vom Gericht von Matera in einem einvernehmlichen Trennungsfall ausgesprochen wurde, lässt ganz Italien aufhorchen. Die Richter von Matera kehrten die bisherige Praxis in ihr Gegenteil um. Anstatt jeweils 15 Tage einmal bei einem und dann beim anderen Elternteil zu verbringen, bekommt nun der Sohn das alleinige Wohnrecht, während Vater und Mutter sich untereinander abwechselnd jeweils für einen halben Monat als „Gäste“ zu ihm ziehen. Bei dieser vom Gericht verfügten „Doppelelternschaft“ fällt auch das Zahlen von Unterhalt für das Kind weg. Beide ehemaligen Partner müssen für alle ihren Sohn betreffenden Kosten und Spesen gemeinsam aufkommen und sind dazu verpflichtet, sich Rechte sowie Pflichten im Einvernehmen zu teilen. In gewissem Sinne nimmt das Gericht von Matera den höchst umstrittenen Gesetzesentwurf des Lega-Senators Pillon, der auch nach Trennung und Scheidung des Ehepaares die „gemeinsame Elternschaft“ vorsieht, vorweg. Wie verschiedene Experten bemerken, wird in diesem Fall eine „perfekte Doppelelternschaft“ geschaffen, die sich voll und ganz an das Prinzip des gemeinsam ausgeübten Sorgerechts anlehnt.
Aber ganz gleich, welches Modell für Elternschaft auch nach der Trennung bevorzugt wird, so sind sich viele Beobachter doch darin einig, dass Modelle, die einen Konsens zwischen den Ex-Partnern fördern, bevorzugt werden sollten. Die amtlichen Zahlen zeigen, dass in Italien Trennung und Scheidung längst ein Millionengeschäft sind.
Während in Italien die Scheidungen von 52.355 im Jahr 1995 auf 82.469 im Jahr 2015 anstiegen, verdoppelten sich die Trennungen im selben Zeitraum von 52.323 auf 91.706, wie die Zahlen des italienischen Statistikamtes ISTAT belegen. Im gleichen Zeitintervall sank die Anzahl der Eheschließungen von 290.009 auf 194.377, was einen Verlust von fast 100.000 Ehen bedeutet. Über dem Daumen gepeilt, heißt das, dass für zwei Paare, die den Bund der Ehe eingehen, ein Paar die Trennung einreicht. Anhand dieser Zahlen und der Durchschnittskosten lässt sich daraus leicht der Umsatz des „Trennungs- und Scheidungsgewerbes“ berechnen. Eine einvernehmliche Trennung kostet dem Paar 3.000 Euro, was einen Gesamtumsatz von fast 140 Millionen Euro erzeugt. Richtig teuer wird es, wenn sich die trennungswilligen Ehepartner nicht einig sind. Im Schnitt fallen bei der gerichtlichen Trennung Kosten von 14.000 Euro an, die zu einem Umsatz von 630 Millionen Euro führen. Damit schlagen die italienischen Ehetrennungen allein mit rund 770 Millionen Euro zu Buche.
Bei den Scheidungen wird mit noch viel höheren Kosten gerechnet. Laut vorsichtigen Schätzungen beträgt der Umsatz der einvernehmlichen und gerichtlichen Scheidungen fast zwei Milliarden Euro. Die wahren Zahlen dürften aber noch höher liegen, weil die verschiedenen Gutachten, die die Sorgerechtsklagen „begleiten“, die Kosten noch einmal in die Höhe schnellen lassen.
Und was meinen unsere Leserinnen und Leser? Wie soll im Trennungsfall das Wohl des Nachwuchses am besten gewahrt und gemeinsame Elternschaft am besten organisiert werden?