Wende im Unfalltod einer 20-jährigen Studentin – VIDEO

„Auto hatte alte und abgefahrene Reifen, einer war 16 Jahre alt“

Montag, 22. April 2024 | 08:02 Uhr

Von: ka

Modena/San Bartolomeo di Reggio Emilia – Im Fall des Unfalltods einer 20-jährigen Studentin, Elena Russo, die vor zwei Jahren beim Ausliefern von Pizzen ums Leben gekommen war, kam es zu einer fast schon unverhofften Wende. Nachdem das technische Gutachten ergeben hatte, dass der Fiat Punto der Pizzeria, mit dem die junge Frau die Pizzen zu den Kunden gebracht hatte, mit vier alten und abgenutzten Reifen ausgestattet war, ordnete der Ermittlungsrichter an, gegen die beiden Inhaber der Pizzeria wegen fahrlässiger Tötung Anklage zu erheben.

Elena Russo galt als vorbildliche junge Frau. Um ihr Studium bezahlen zu können, lieferte die 20-jährige Jurastudentin aus Modena, die nebenbei ehrenamtlich für das Rote Kreuz tätig war, für eine Pizzeria abends Pizzen an die Kunden aus. Die 20-Jährige war erst einen Monat bei der Pizzeria beschäftigt, als sie am 30. Januar 2022 kurz nach 20.00 Uhr tödlich verunglückte. Der Fiat Punto der Pizzeria, mit dem Elena Russo die Pizzen auslieferte, prallte gegen einen Leuchtmast und überschlug sich. Für die junge Studentin kam jede Hilfe zu spät, sie erlag noch an der Unfallstelle ihren schweren Verletzungen.

X/Vigili del Fuoco

Zunächst schien es, als ob Elena Russo Opfer eines tragischen Verkehrsunfalls ohne Fremdverschulden geworden wäre, was die ermittelnde Staatsanwaltschaft dazu veranlasste, die Archivierung des Falls zu beantragen. Es war der Hartnäckigkeit ihrer Eltern Annamaria und Francesco zu verdanken, dass es nicht dazu kam. Mit Unterstützung ihrer Anwälte Cesare Bonazzi und Simona Magnani sorgten sie dafür, dass der tragische Unfalltod ihrer Tochter genau untersucht wurde.

Zwei Jahre später kam es zur fast schon unverhofften Wende. Der zuständige Ermittlungsrichter Andrea Rat ordnete an, dass die Staatsanwaltschaft gegen die beiden gesetzlichen Vertreter der Pizzeria innerhalb von zehn Tagen Anklage erheben müsse. Dem Ermittlungsrichter zufolge habe es sich um einen Arbeitsunfall mit Todesfolge gehandelt, der durch die Verletzung der Sicherheitsvorschriften aufgrund des schlechten Zustands der Reifen zustande gekommen sei, die infolge ihres hohen Alters und ihrer starken Abnutzung nicht mehr auf der Straße gegriffen hätten.

Die Entscheidung des Richters erfolgte nach den Ausführungen des vom Gericht bestellten Sachverständigen, Ingenieur Mattia Strangi, der während des Beweisverfahrens angehört wurde. Selbst der Staatsanwalt Enrico Finocchiaro, der die Ermittlungsakte zum Fall Elena Russo von seinem Vorgänger übernommen hatte, stimmte zu, dass es zwischen den verletzten Arbeitssicherheitsregeln und dem Tod der jungen Studentin einen kausalen Zusammenhang gibt.

YouTube/Elena Russo

Die Anwälte der Eltern der Toten zeigen sich nach der Entscheidung des Ermittlungsrichters zufrieden. „Wir haben uns bereits im September 2022 gegen den Antrag auf Abweisung des Verfahrens gewehrt. Aus dem von uns in Auftrag gegebenen Gutachten geht hervor, dass das Fahrzeug zum Unfallfallzeitpunkt mit alten und abgenutzten Reifen vier verschiedener Marken unterwegs war. Während zwei Reifen acht Jahre alt waren, wurde bei einem anderen Reifen sogar ein Alter von nicht weniger als 16 Jahren festgestellt. Zudem wies das Auto einen schlecht am Boden angeschweißten Pizzawärmer und eine Fehlfunktion der Servolenkung auf. Die entscheidende Unfallursache war aber der schlechte Zustand der Reifen“, kommentiert Simona Magnani die Entscheidung des Gerichts.

Anwalt Nino Giordano Ruffini, der die beiden Eigentümer vertritt, ist vollkommen anderer Meinung. Seiner Ansicht nach sei Elena Russo in einem Straßenbereich, in dem nur eine Höchstgeschwindigkeit von 50 Kilometern pro Stunde erlaubt ist, mit dem Fiat Punto viel zu schnell unterwegs gewesen. Nino Giordano Ruffini, der betont, dass die Reifen für den Straßenverkehr geeignet gewesen seien, ist zuversichtlich, im Lauf des Prozesses die Unschuld der Arbeitgeber der Studentin beweisen zu können.

Mehrere Justizbeobachter weisen jedoch darauf hin, dass nach der Häufung tödlicher Arbeitsunfälle nicht nur in der italienischen Öffentlichkeit, sondern auch im italienischen Justizwesen dem Thema Arbeitssicherheit immer größerer Platz eingeräumt wird. Sollte das Gericht zur Ansicht gelangen, dass der schlechte Zustand der Reifen hauptverantwortlich für das Zustandekommen des tödlichen Unfalls war, könnten die Inhaber nicht nur wegen fahrlässiger Tötung, sondern auch zur Zahlung eines hohen Schadenersatzes verurteilt werden.

Daher ist es wenig überraschend, dass Justizexperten das Verfahren als richtungsweisend erachten und mit Spannung auf den Prozessbeginn warten. In jedem Fall zahlt es sich für Arbeitgeber schon heute aus, auf die Fahrtüchtigkeit der von ihren Angestellten benutzten Firmenautos zu achten.

Die Trauer um Elena Russo hingegen ist auch noch zwei Jahre nach ihrem Tod groß. In Gedenken an die verunglückte Jurastudentin wurde im Universitätsgebäude von Modena ein Hörsaal nach ihr benannt.