Von: ka
Modena/Bologna – 23 Jahre, nachdem ihm aufgrund falscher Anschuldigungen sein eigenes Kind genommen worden war, konnte der heute 45 Jahre alte Federico Scotta seinen Sohn endlich wiedersehen und umarmen.
Im Rahmen der Ermittlungen im Fall der sogenannten „Teufel der Ebene von Modena“ war Federico Scotta aufgrund falscher Anschuldigungen, Kinder missbraucht zu haben, zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden. Wegen dieser Anschuldigungen waren dem 45-Jährigen im Jahr 1997 sein Sohn Nik und seine beiden Töchter genommen worden. Nik, der gleich wie seine beiden Schwestern adoptiert worden war, erfuhr erst zwei Jahrzehnte später seine wahre Herkunft. Beim Wiedersehen flossen viele Tränen.
Federico Scotta und seine ursprünglich aus Thailand stammende Frau Kaempet gehören zu jenen Eltern, denen vor fast einem Vierteljahrhundert die Kinder genommen worden waren. Nachdem einige Kinder Psychologen und Sozialassistenten von angeblichen Missbräuchen und „satanischen Riten“ erzählt hatten, waren Federico Scotta und seine Frau Kaempet in das Visier der Ermittler geraten. Gleich wie andere Väter und Mütter war auch der 45-Jährige beschuldigt worden, Kinder missbraucht zu haben. Obwohl die Beweislage sehr dünn gewesen war und später andere Gerichte die damalige Beweisführung sowie Art der Befragung der Kinder kritisiert hatten, waren im Laufe verschiedener Prozesse mehrere Eltern zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Zudem waren ihnen die Kinder genommen worden. Insgesamt waren 16 Kinder zur Adoption freigegeben worden. Einige Berufungsgerichte hoben später die Urteile auf und sprachen die Angeklagten frei. Andere hingegen bestätigten die harten Urteile der ersten Instanz.
Auch das Ehepaar Scotta hatte es sehr hart getroffen. Im Jahr 1997 waren ihnen die damals dreijährige Elena und der erst sechs Monate alte Nik genommen worden. Ihr jüngstes Kind, Stella, war sogar direkt von der Geburtenstation aus zur Adoption freigegeben worden. Federico Scotta hingegen war von einem Gericht zu einer Gefängnisstrafe von zwölf Jahren verurteilt worden. Insgesamt verbrachte der 45-Jährige elf Jahre in Haft.
Erst zwei Jahrzehnte später – im Jahr 2017 – kam dank der investigativen, von den Autoren „Veleno“ getauften Reportage der beiden Journalisten Pablo Trincia und Alessia Rafanelli ans Licht, dass praktisch die gesamten Anschuldigungen auf falsche Tatsachen beruht hatten. Ein Mädchen – heute ist sie eine junge Frau – das damals Federico Scotta beschuldigt hatte, gab zu, dass sie alles, was sie erzählt hatte, erfunden hatte. Dank der Reportage „Veleno“ gelang es Elena, ihren leiblichen Bruder Nik, der von einem anderen Paar adoptiert worden war, zu kontaktieren.
Nik, der heute fast 24 Jahre alt ist und seit Jahren mehr über seine wahre Herkunft erfahren wollte, stimmte zu, seinen Vater zu treffen. Sein Vater, der nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis in Bologna in einem Camper wohnt und sich als Wachmann und Portier über Wasser hält, kämpft vor Gericht immer noch für seine Rehabilitierung.
„Wir werden sehen. Im Moment ist mir nur wichtig, eine Bindung zu meinem Sohn aufzubauen“, so Federico Scotta auf die Frage, ob er auf eine Entschädigung hoffte.
Beim Treffen mit Nik flossen viele Tränen. „Nach 23 Jahren habe ich meinen Sohn wiedergesehen. Ich kann nicht beschreiben, was ich fühle, aber ich kann sagen, dass es kein schöneres Gefühl gibt. Ich schwebe über Wolken“, so Federico Scotta, auf dessen leidgeprüftem Gesicht sich nach Jahren das erste Mal wieder ein Lächeln zaubert. Der heute 45-Jährige, dessen Welt mit kaum mehr als 20 Jahren fast von einem Tag auf den anderen zusammengebrochen war, hofft, dass die beiden Schwestern dem Beispiel seines Sohnes folgen und sich ihm annähern werden.
Aber Nik und Federico waren nicht alleine. Auch zwischen Sonia und ihrer Mutter gab es nach zwei Jahrzehnten ein Wiedersehen.
Was aber bleibt, ist eine der größten Justiztragödien des vergangenen Vierteljahrhunderts. Einige Verurteilte, die aufgrund fadenscheiniger Anschuldigungen verurteilt worden waren und ihre Kinder verloren hatten, hatten sich sogar das Leben genommen oder waren in Haft verstorben. Selbst jene, die in den Berufungsprozessen freigesprochen worden waren, mussten jahrelang um ihre Rehabilitierung kämpfen.
Die Jagd nach den angeblichen „Teufeln der Ebene von Modena“ brachte über viele Eltern und ihre Kinder unermessliches Leid.