Von: ka
Cesenatico – Italiens Touristiker plagt seit Jahren die Sorge, vor Beginn der Tourismussaison nicht genügend Personal auftreiben zu können. Auch heuer wieder werden von den Inhabern der italienischen Hotels, Bars, Restaurants und Eisdielen händeringend Kellner, Köche, Zimmerpersonal und Rezeptionsmitarbeiter gesucht.
Die Lage ist dermaßen dramatisch, dass dieses Jahr nicht wenige Strände riskieren, ohne ihrem „Hauptdarsteller“ – dem „Bagnino“ – zu bleiben. Immer weniger junge Leute wollen im Sommer dem Beruf des Rettungsschwimmers, Bademeisters und Pflegers des Strandbads, dessen italienische Bezeichnung „Bagnino“ selbst den meisten Italienurlaubern geläufig ist, nachgehen. Obwohl die Inhaber der Strandbäder mittlerweile recht ansehnliche Gehälter bieten, meldet sich niemand. „Ich biete monatlich zwischen 1.800 Euro und 3.000 Euro, aber niemand will es machen“, so das traurige Fazit eines Strandbadbetreibers.
Sie sind die Hauptdarsteller vieler italienischer Sommerfilme, sind Mitbegründer der italienischen „Dolce vita“ und sind von einem richtigen italienischen Badeurlaub nicht wegzudenken. Die Rede ist von den Rettungsschwimmern, Bademeistern und Pflegern des Strandbads, dessen italienische Bezeichnung „Bagnino“ selbst den meisten Italienurlaubern geläufig ist. Hartnäckigen Gerüchten zufolge soll zu ihren Aufgaben auch die „Betreuung“ der weiblichen Gäste ihres Strandbads gehören.
Von der Herrlichkeit vergangener Jahre ist besonders heuer aber nur mehr wenig zu spüren. Gleich wie nach anderen Saisonkräften wie Kellnern und Köchen, Baristen und Zimmermädchen wird auch händeringend nach „Bagnini“ gesucht. Die Inhaber vieler italienischer Strandbäder befürchten sogar, dass dieses Jahr viele Beobachtungstürme leer bleiben könnten. Nachdenklich stimmt, dass es offenbar nicht am „Reddito di cittadinanza“ genannten italienischen Bürgergeld, an vertraglichen Unregelmäßigkeiten oder an zu niedrigen Gehältern zu liegen scheint.
Für Stefano Battistoni, Inhaber einer Badeanstalt in Cesenatico und Vorsitzender der Genossenschaft der Rettungsschwimmer, sieht das Haupthindernis, neue „Bagnini“ zu finden, eher an anderer Stelle. „Unsere Rettungsschwimmer, oder besser gesagt die lizenzierten Rettungsschwimmer, arbeiten in einer Genossenschaft zusammen, die die Betreuung mehrere Strandbäder innehat. Während Anfänger monatlich 1.800 Euro netto bekommen, erhalten erfahrene Mitarbeiter bis zu 3.000 Euro. Trotzdem ist es schwierig, Leute zu finden, die sich für diesen Beruf entscheiden. Das ist meiner Ansicht so, weil die mit diesem Beruf verbundenen Pflichten vielfältiger Natur sind und für die Arbeit viel Zeit aufgewendet werden muss“, meint der Vorsitzende der Genossenschaft der Rettungsschwimmer von Cesenatico.
„Unsere Rettungsschwimmer arbeiten normalerweise in der 40-Stunden-Woche, wobei bis zu acht Überstunden geleistet werden können. Hinzu kommt der freie Tag, der als gesetzliche Pflicht vorgesehen ist“, fügt Battistoni hinzu.
Der Mangel an Bewerbern dürfte aber auch daran liegen, dass Rettungsschwimmer spezielle vierteljährliche Kurse absolvieren müssen. Diese Weiterbildung kann jährlich bis zu 350 Euro kosten. „Von 90 Kursteilnehmern, allesamt Oberschüler, die letztes Jahr ihre Lizenz erhalten hatten, sind nur 14 in die Saison gestartet“, so Stefano Battistoni gegenüber dem Corriere della Sera.
Ein Nachteil ist auch, dass der „Bagnino“-Beruf als niedere Arbeit gilt. „Da ich viel mit den jungen Leuten spreche, weiß ich, dass nicht der Gehalt das Problem ist. Im Mai letzten Jahres ist einer gegangen, weil er nicht mehr den Strand reinigen wollte. Das ist mir aufgefallen, weil er rund 2.000 Euro im Monat bekommen hat. Der Grund war, dass er diese niedrige Arbeit nicht mehr verrichten wollte“, seufzt Battistoni.
Die Inhaberin eines kleinen Strandbades bei Tarquinia in der mittelitalienischen Region Latium, Marta Marzioli, betont ebenfalls, dass den jungen Leuten angenehme Arbeitszeiten wichtiger sind als der Gehalt. „Um den Turm meines Bades zu besetzen, musste ich zwei Teilzeitkräfte einstellen. Als Grund gaben sie an, dass sie nicht jeden Nachmittag arbeiten wollten“, so Marta Marzioli.
Marta Marzioli beklagt auch, dass es sehr schwierig sei, Leute mit Erfahrung zu finden. „Dieses Jahr haben wir sehr viele junge Rettungsschwimmer. Es wäre aber besser, wenn ihnen erfahrene Rettungsschwimmer zur Seite stehen würden. Es gibt immer weniger Leute, die schon viele Jahre dabei sind“, meint die Inhaberin eines kleinen Strandbades bei Tarquinia.
Einer von ihnen ist Giovanni Zavalloni. Mit 49 Sommersaisonen als Bademeister gilt der 65-Jährige, der im Winter jahrelang als Maurer tätig war, in Cesenatico als „Opa der Bagnini“. Für Giovanni Zavalloni ist der Mangel an Rettungsschwimmern keine Überraschung.
„Der große Unterschied zu früheren Generationen, wie der meinen, ist, dass diese jungen Leute die Saisonarbeit nicht mehr als Notwendigkeit empfinden. Sie haben nicht den Hunger auf Arbeit, den wir hatten. Das liegt auch daran, dass sie in Familien aufwachsen, in denen es an nichts mehr mangelt“, erklärt der 65-Jährige.
Für die jungen Rettungsschwimmer ist es auch schwierig, Verantwortung zu übernehmen. „Da wir die Erste Hilfe am Strand und im Meer darstellen, ist Rettungsschwimmen ein anspruchsvoller Beruf. Es ist eine körperlich anstrengende Arbeit, die stetiger Weiterbildung bedarf. Besonders Studenten kann ich diesen Beruf nur empfehlen. Man lernt viel über die Handhabung von Notfällen und insbesondere auch, wie man ihnen vorbeugen kann. Ebenfalls ein Vorteil ist, dass man im Freien arbeiten kann und viel Kontakt mit Menschen hat“, streicht Giovanni Zavalloni die Sonnenseiten seines Berufs heraus.
Es wäre wünschenswert, wenn Giovanni Zavalloni, der noch das halbe Jahrhundert als „Bagnino“ voll machen will, viele junge Leute für seinen Beruf begeistern könnte. Abgesehen von der Pflege und der Sicherheit der Strände ist ein italienischer Strand ohne „Bagnino“ kaum vorstellbar.