Sardische Munitionsfabrik läuft auf Hochtouren – VIDEO

Bomben, Seeminen und Granaten für die Kriege der Welt

Dienstag, 12. Dezember 2023 | 07:20 Uhr

Von: ka

Domusnovas – Eine Munitionsfabrik, die in Domusnovas auf Sardinien Artilleriegeschosse, Seeminen und Bomben herstellt, gilt als umstrittenste Fabrik Italiens. Die Erzeugnisse der Munitionsfabrik, in der Hunderte von Angestellten Tag und Nacht ununterbrochen arbeiten, sind weltweit gefragt. Insbesondere die Artilleriegranaten, die in Domusnovas produziert werden, nähren die Hoffnung der Ukraine, weiterhin der russischen Armee widerstehen zu können. In einer zweiten hochmodernen Fabrik, die neben der ersten liegt, könnten noch mehr tödliche Bomben und Granaten hergestellt werden, aber ein Rekurs, der ein Verwaltungsgericht beschäftigt, verhindert die Inbetriebnahme.

RWM Italia S.p.A.

Die Atmosphäre in der Munitionsfabrik ist etwas gespenstisch. Eine riesige mechanische Spinne, die von der Decke hängt, greift nach acht Patronenhülsen, hebt sie gleichzeitig an, füllt sie mit Sprengstoff und lässt sie kurz darauf wieder vorsichtig zu Boden sinken. Durch diesen computergesteuerten maschinellen Vorgang wird die Munition unbenutzter Geschosse, die noch aus der Zeit des Kalten Krieges stammen, einer neuen Verwendung zugeführt und in die auf den Weltmärkten begehrteste Ware – 155-Millimeter-Artilleriegeschosse – verwandelt.

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Um die russische Invasion abzuwehren, verschießen die Artilleriebatterien der ukrainischen Landstreitkräfte täglich Tausende von Granaten dieses Standardkalibers. Da die Vorratslager der NATO längst erschöpft sind und die Produktion im Rest Europas vor 20 Jahren praktisch eingestellt wurde, ruhen viele Hoffnungen auf dieser sardischen Fabrik, die die wahrscheinlich modernste ihres Typs des Kontinents ist.

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Das 80 Hektar große Areal, das von hohen Mauern und Zäunen umgeben ist, gleicht weniger einem klassischen Fabrikgelände, sondern vielmehr einer Bunkeranlage und einem Munitionsdepot. Allein schon die Tatsache, dass strengste Sicherheitskontrollen gelten, zeigt, dass es sich um keine normale Fabrik handelt. Die Fabrik, die Anfang des Jahrtausends von der italienischen Rüstungsfirma Rwm Italia gebaut wurde, gehört seit dem Jahr 2011 zum deutschen Rüstungskonzern Rheinmetall.

Hinter den hohen Mauern herrscht reger Betrieb. Der gelieferte Stahl wird zu Zylindern geformt, die zusammen mit dem Sprengstoff wiederum zu Bomben, Seeminen und Artilleriegeschossen verwandelt werden. Während im ersten Teil des Munitionswerks die Stahlzylinder und die Gehäuse geschmiedet werden, geschieht im zweiten Teil die Befüllung mit verschiedenen Sprengstoffen. Aus nachvollziehbaren Sicherheitsgründen sind alle Gebäude mit Erd- und Betonwällen voneinander abgeschirmt.

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In Domusnovas werden auch jene gigantischen, 900 Kilogramm schweren Bomben hergestellt, die dazu dienen, unterirdische Bunker zu zerstören. Um den Bomben eine hohe Präzision zu verschaffen, werden die Gefechtsköpfe mit Laser- oder GPS-Geräten ausgestattet. Auch die fast 800 Kilogramm schweren Seeminen, die erst vor Kurzem von der australischen Regierung bestellt wurden, um die chinesische Flotte abzuschrecken, gehören zu den großen Bomben, die in Domusnovas produziert werden. Um eine hohe Herstellungsgüte zu gewährleisten, werden die Bomben, bei denen es sich je nach Flugzeugtyp um Einzelstücke handelt, nach der Lackierung mit mehreren computergesteuerten Geräten einer scharfen Qualitätskontrolle unterzogen.

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Die meisten Arbeitsschritte laufen fast immer automatisch und ohne Personal ab. Die heikelsten Phasen werden jedoch von den Munitionsarbeitern manuell gesteuert. Zu diesen Tätigkeiten gehört beispielsweise die Auswahl des Sprengstoffpulvers, das von zwei Personen gesiebt wird. Auch das Mischen der Sprengstoffe wird von Arbeitern streng überwacht.

Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine wird in Domusnovas pausenlos in drei Schichten Tag und Nacht gearbeitet. In der fabrikeigenen Kantine werden Mittagessen, Abendessen und Frühstück serviert. Das war nicht immer so. Nachdem die Regierung Conte die Lieferung von Flugzeugbomben an die Luftwaffen Saudi Arabiens und der Vereinigten Arabische Emirate untersagt hatte, drohte Rwm Italia kurzzeitig sogar die Schließung. Erst die Regierungen Draghi und Meloni hoben das Rüstungsembargo wieder auf.

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Heute hingegen herrscht Hochbetrieb. Die Rückkehr des Wettrüstens überschwemmte die Fabrik in Domusnovas mit Aufträgen. Rwm Italia stockte die Belegschaft von 300 auf 480 Mitarbeiter auf. Der Rüstungskonzern bräuchte mindestens weitere 100 Fachkräfte, aber die sind selbst auf Sardinien, wo die Arbeitslosigkeit höher als in Norditalien ist, schwierig zu finden.

Diese Fachkräfte werden insbesondere für die Herstellung von sogenannten Loitering Weapons – kleinen Killerdrohnen, die in der Ukraine starken Einsatz finden und nun auch von einigen NATO-Armeen erworben werden – benötigt, denn Rwm Italia möchte in Domusnovas demnächst mit dem Bau dieser neuen Waffen beginnen.

APA/APA/AFP/ARIS MESSINIS

Zur Unterstützung der Ukraine wird den an der Front bitter benötigten 155-Millimeter-Artilleriegeschossen vor allen anderen Aufträgen aber absoluter Vorrang eingeräumt. Die von Deutschland bezahlten Lieferungen von Kanonen- und Panzerhaubitzenmunition an die ukrainischen Streitkräfte gehen daher unvermindert weiter.

Aber da ihre Reserven fast aufgebraucht sind, fordert die Regierung in Kiew weitere Munitionslieferungen. Die wenigen Munitionsfabriken tun sich aber schwer, mit dem „Frontverbrauch“ Schritt zu halten. Erst vor einigen Tagen musste die EU einräumen, dass sie ihr Versprechen, eine Million Artilleriegranaten zu liefern, nicht einzuhalten vermag.

Esercito Italiano/M109 L

Dies ist eine paradoxe Lage, denn in Domusnovas steht eine zweite, nagelneue Fabrik, die noch moderner als die erste ist. Der Haken ist nur, dass diese Anlage, für die von Rwm Italia 45 Millionen Euro investiert wurden, aufgrund eines Rekurses, über den noch ein Verwaltungsgericht befinden muss, nicht in Betrieb gehen kann. Es geht darum, ob in der Fabrik, wie vom Rüstungskonzern behauptet, lediglich Chemikalien gemischt werden oder ob die Anlage zur Herstellung von Chemikalien dient. Letzteres würde eine Umweltverträglichkeitsprüfung erfordern, wodurch das Zulassungsverfahren neu eröffnet werden müsste. Ob Domusnovas seine Produktion verdreifachen kann, liegt nun in den Händen der Richter.

Letztendlich ist es ein Wettlauf um die Zeit. Während die russische Munitionsproduktion auf Hochtouren läuft und Putins Armee auch auf massive Hilfe aus Nordkorea zählen kann, gerät die Ukraine aufgrund ausbleibender Lieferungen langsam ins Hintertreffen. In jedem Fall beschert die Arbeit in der Munitionsfabrik von Domusnovas vielen bisher arbeitslosen Sarden die Aussicht auf eine bessere Zukunft. Auch auf längere Sicht dürfte ihnen die Arbeit nicht ausgehen. Da in der Ukraine und im Nahen Osten Krieg herrscht und viele Regierungen aufgrund der Spannungen und der immer unsicherer werdenden Weltlage ihre Streitkräfte massiv aufrüsten, herrscht bei den Rüstungskonzernen Hochkonjunktur.