Von: ka
Lisanza/Sesto Calende/Arona/Lago Maggiore – Das Schiffsunglück auf dem Lago Maggiore, bei dem vier Menschen ums Leben kamen, schlägt in der italienischen Öffentlichkeit weiterhin hohe Wellen.
Angesichts der Tatsache, dass es sich bei den Opfern nicht um Normalbürger, sondern um Mitarbeiter des italienischen und des israelischen Geheimdienstes Mossad handelte, ist dies wenig verwunderlich. Viele Italiener fragen sich, was der Zweck dieses Treffens war und warum sich die Gruppe von Agenten miteinander befreundeter Dienste für eine Bootsfahrt auf dem See entschied. Einige italienische Medien versuchen, Licht in diese Angelegenheit zu bringen.
Letzten Informationen zufolge befanden sich zum Zeitpunkt des Unglücks, das sich am späten Abend des 28. Mai auf dem See zwischen Lisanza und Arona ereignete, 21 Personen an Bord. Unter ihnen befanden sich auch mehrere Mitarbeiter des italienischen Geheimdienstes und des israelischen Dienstes Mossad.
Laut ersten Erkenntnissen soll es der Lenker des Boots mit dem Namen „Good…uria“ – ein kleines Hausboot, das für Veranstaltungen und private Feste gemietet werden kann – trotz der Unwetterwarnungen und des sich verschlechternden Wetters versäumt haben, rechtzeitig in den Hafen zurückzukehren. Das Boot, das mehrere Hundert Meter vom Seeufer entfernt im Lago Maggiore fuhr, wurde höchstwahrscheinlich von einem Downburst – eine schwere Fallbö, die meist bei Gewittern auftritt, aber auch bei Schauern vorkommen kann – erfasst und durch die starken Winde zum Kentern gebracht. Während etwa ein Dutzend Passagiere schwimmend das Ufer erreichen konnte und etliche weitere von den Rettungskräfte aus dem See gerettet werden konnten, kam für vier Bootsgäste – zwei Männer und zwei Frauen – jede Hilfe zu spät.
Bei den ersten beiden Opfern handelte es sich um den 62-jährigen Claudio Alonzi aus Alatri und seine 53-jährige Frau Tiziana Barnobi. Sowohl Claudio Alonzi als auch Tiziana Barnobi waren hochrangige Angestellte der Nachrichtenabteilung des Nachrichtendienstes für die Sicherheit der Republik AISE. Das dritte und das vierte Todesopfer sind der 54-jährige israelische Staatsbürger Shimoni Erez und die 50-jährige Anya Bozhkova. Während es sich bei Shimoni Erez um einen pensionierten Mitarbeiter des Mossad handelte, war die ursprünglich aus Brjansk in Russland stammende Anya Bozhkova Ehefrau des Kapitäns Claudio Carminati. Die Leichen von Barnobi und Bozhkova wurden in einer Kabine gefunden, in die sich die beiden Frauen wegen des schlechten Wetters geflüchtet hatten.
Nach der Alarmierung rückten eine Vielzahl von Rettungskräften zum Unglücksort auf dem See aus. Den meisten Passagieren des gekenterten Boots gelang es, schwimmend das Ufer zu erreichen. Etliche wurden von Helfern aus dem Wasser gerettet. Fünf Bootsgäste mussten nach der Erstversorgung durch die Rettungskräfte mit leichten Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert werden. Die Such- und Rettungsmaßnahmen wurden trotz schwieriger Wetterbedingungen die ganze Nacht hindurch fortgesetzt, wobei auch ein mit Infrarotdetektoren ausgestatteter Hubschrauber der italienischen Küstenwache zum Einsatz kam.
Entgegen ersten Meldungen war das Hausboot nicht für eine Geburtstagsfeier gemietet worden. Recherchen der Mailänder Tageszeitung Corriere della Sera zufolge sei der Ausflug auf dem See vorher nicht geplant gewesen. Nach einem Treffen zwischen hochrangigen Mitarbeitern der beiden Geheimdienste, bei dem untereinander mehrere Geheimdokumente und Computerfiles ausgetauscht worden seien, sollen die Geheimdienstmitarbeiter des Mossad ihren Heimflug nach Tel Aviv versäumt haben. Um die Zeit bis zum nächsten Flug zwei Tage später zu verkürzen und das Treffen zwischen befreundeten Diensten mit einem gemeinsamen Abend ausklingen zu lassen, sollen Mitarbeiter des AISE, die mit dem Bootsinhaber Carminati bekannt sind, einen abendlichen Bootsausflug auf dem Lago Maggiore vorgeschlagen haben. So kam es, dass zwischen aktiven Mitarbeitern und jenen in Ruhestand fast zwei Dutzend – die genaue Zahl ist nicht bekannt – Geheimdienstmitarbeiter beider Dienste am Abend mit der „Good…uria“ in See stachen. Zu beachten ist dabei, dass das Hausboot eigentlich nur für höchstens 15 Passagiere zugelassen war.
Bereits um 17.30 Uhr war von den Hafenbehörden des großen Sees eine Unwetterwarnung ausgegeben worden, die alle Bootslenker dazu angehalten hatte, umgehend den nächstgelegenen Hafen anzulaufen. Kapitän Carminati hatte diese Warnung offensichtlich in den Wind geschlagen und war in Ufernähe auf dem See geblieben. Zum Fall dieser Tragödie, die vielleicht hätte verhindert werden können, nahm die Staatsanwaltschaft von Busto Arsizio Ermittlungen auf.
Für viele Italiener ist es aber viel interessanter, um was es beim Treffen zwischen den beiden Diensten, die als eng befreundet gelten und untereinander regelmäßig Information austauschen, ging. Die genesenen Mitarbeiter des Mossad sind längst wieder in Tel Aviv. Über den Inhalt der Dokumente und über die Beweggründe des Treffens wird die Öffentlichkeit wohl nie etwas erfahren.