Von: ka
Neapel – Am frühen Dienstagmorgen rückten viele Streifen der Carabinieri aus, um in gleich mehreren neapolitanischen Stadtvierteln über ein Dutzend Kriminelle, die dem organisierten Verbrechen zugerechnet werden, festzunehmen. Die Verhafteten werden beschuldigt, unter der Führung von Domenico D’Ausilio einen Camorra-Clan aufgebaut und zum Zweck, von Gewerbetreibenden aller Art Schutzgelder zu erpressen, die ganze Gegend um die Phlegräischen Felder mit einem „Krieg“ überzogen zu haben. Drei der zum Clan der D’Ausilio gehörenden Camorristi wird auch zur Last gelegt, einen illegalen Parkwächter, der die Schutzgeldzahlung verweigert hatte, ermordet zu haben.
In jahrelangen Ermittlungen gelang es der Bezirksdirektion der Antimafia-Polizei und den Carabinieri von Neapel, genug Indizien und Beweise, die auf ein ausgedehntes, vor allem auf die Erpressung von Schutzgeldern fußendes kriminelles Netzwerk schließen ließen, zu sammeln. Die Ermittlungen ergaben, dass an der Spitze des von einem „alten Bekannten“ der Ordnungskräfte – Domenico D’Ausilio, im Camorra-Milieu besser unter seinem Spitznamen „Mimì ‘o sfregiato“ bekannt – gegründeten Netzwerks, das die Gegend um die Phlegräischen Felder im wahrsten Sinne des Wortes beherrschte, seine Söhne Antonio und Felice D’Ausilio standen.
Die Geschichte des „neuen“ Camorra-Clans der D’Ausilio begann im Jahr 2016, nachdem Felice D’Ausilio während eines Hafturlaubs geflüchtet war. Aus dem Untergrund heraus versuchten Felice D’Ausilio und seine Männer das seit jeher den D’Ausilio gehörende Territorium um die Phlegräischen Felder, das sie zwischenzeitlich an den Clan der Bitonto-Nappi verloren hatten, „zurückzuerobern“. Zu diesem Zweck überzogen sie die Küstengegend, die von Bagnoli bis nach Neapel reicht, mit einem „Krieg“. Den Ermittlungen zufolge machten sich die Männer des D’Ausilio-Clans in den folgenden Jahren unzähliger Anschläge, Schlägereien, Schießereien und anderer gewaltsamer Aktionen schuldig, die allesamt dem alleinigen Zweck dienten, die Gewerbetreibenden einzuschüchtern und ihnen zu zeigen, „wer Herr im Haus ist“. Auch in der Auseinandersetzung mit dem Clan der Bitonto-Nappi gingen die D’Ausilio, die mit dem mächtigen Clan der Licciardi verbündet waren, als Sieger hervor.
Napoli: eseguite misure cautelari nei confronti di 15 indagati per associazione mafiosa, omicidio, estorsione e ricettazione dai locali #Carabinieri, coordinati dalla DDA partenopea. Ricostruita l'operatività tra clan camorristici per le varie attività illegali. #PossiamoAiutarvi pic.twitter.com/vBnipzbgea
— Arma dei Carabinieri (@_Carabinieri_) January 19, 2021
Nach der erneuten Übernahme der „Herrschaft“ unterwarfen die D’Ausilio alle Gewerbetreibenden ihres Territoriums einem brutalen Schutzgeldsystem. Die Männer des Clans zwangen die Kaufleute und Handwerker, die Inhaber von Bars, Baufirmen und Gastlokalen, aber auch die Besitzer von Bootsanlegestellen, ihnen Schutzgeld zu entrichten. Selbst die illegalen Parkplatzwächter, die vor den Abendlokalen der Umgebung den Besuchern Parkplätze verkauften, und die Prostituierten, die im Herrschaftsbereich der D’Ausilio ihre Dienste anboten, entgingen nicht der Geldgier des Clans. Die Erpressten mussten dem Clan regelmäßig oder als „einmalige Sonderzahlung“ Geldsummen zwischen 100 und 50.000 Euro übergeben.
Wer sich hingegen weigerte, die Gebühr zu entrichten, wurde umgebracht. Dieses schreckliche Schicksal ereilte den illegalen Parkwächter Gaetano Arrigo. Er fiel am 17. Juni 2016 einem Mordanschlag zum Opfer.
Am frühen Dienstagmorgen machten die Carabinieri diesem Treiben endgültig ein Ende und zerschlugen den Clan der D’Ausilio. Sie zogen in verschiedene neapolitanische Viertel aus und nahmen 15 Männer fest. Zwölf von ihnen wurden nach dem Verhör direkt in eine Haftanstalt überstellt.
Allerdings zeigt gerade die Geschichte des D’Ausilio-Clans, wie tief das organisierte Verbrechen in Neapel und seiner Umgebung noch verankert ist. Es wird noch vieler solcher Verhaftungen und Beschlagnahmungen bedürfen, um die Neapolitaner von der Geisel der Camorra zu befreien.