Von: ka
Lanciano – In Lanciano, einer Kleinstadt in den Marken, wurde am frühen Sonntagmorgen ein blutiger Raubüberfall auf eine Villa verübt, der aufgrund der Brutalität der Kriminellen in der italienischen Öffentlichkeit tiefstes Entsetzen auslöste. Die Räuber, die im Haus einen – nicht vorhandenen – Tresor vermuteten, zögerten nicht, der Ehefrau ein Ohr abzuschneiden.
Es war am frühen Sonntagmorgen gegen 4.00 Uhr, als sich vier Kriminelle einer Villa in Carminiello di Lanciano näherten. Sie durchschnitten die Umzäunung, stiegen durch ein Gitter in die Kellerräume des alleinstehenden Gebäudes und gelangten von dort in das Erdgeschoss der Villa. Dort überraschten sie den 69-jährigen Carlo Martelli, einen pensionierten Chirurgen, und seine Ehefrau Niva Bazzan im Schlaf.
Was daraufhin folgte, war für die beiden Eheleute ein wahrer Albtraum. Carlo Martelli und Niva Bazzan wurden gefesselt und geschlagen. Immer wieder fragten die gewalttätigen Räuber, die ein ausgezeichnetes Italienisch sprachen, nach dem Zugang zum Tresor, den die Kriminellen im Haus vermuteten. Aber in der Villa des pensionierten Arztes war nie ein Tresor eingebaut worden. Die wütenden Räuber glaubten dem 69-Jährigen aber kein Wort und begannen auf das gefesselte Ehepaar wie wild einzuprügeln. Sie drohten Carlo Martelli, seine Ehefrau „in kleine Stücke zu schneiden“, wenn er nicht sofort damit herausrücken würde, wo die Reichtümer der Familie versteckt seien. Damit meinten es die Räuber durchaus ernst. Um ihre Drohung zu unterstreichen, zögerten sie nicht, Niva Bazzan ein Stück ihres Ohrs abzuschneiden. Über eineinhalb Stunden lang dauerte der Horror der beiden älteren Eheleute an, die glaubten – wie sie später der Polizei und den Medien erzählen sollten – diese Nacht nicht lebend zu überstehen.
Wie vom Wahnsinn getrieben, durchsuchten die vier Kriminellen die ganze Villa nach Wertgegenständen. Dabei ließen sie auch das Schlafzimmer des behinderten Sohns des Ehepaars nicht aus. Der Behinderte selbst blieb aber von den vier Räubern unbehelligt.
Erst nachdem sie die ganze Wohnung durchkämmt hatten, erkannten die Räuber, dass es den von ihnen vermuteten Tresor in der Villa schlicht nicht gab. Die Täter, die in der Villa „nur“ etwas Schmuck der Ehefrau ergattern konnten, ließen sich von Carlo Martelli Bankomat- und Kreditkarten aushändigen, mit denen sie den nächsten automatischen Schalter aufsuchten. Allerdings konnten die Räuber aus bisher ungeklärten Gründen auch in diesem Fall nicht zu Bargeld kommen. Sie kehrten unverrichteter Dinge zur Villa zurück, holten ihren „Kollegen“, der in der Zwischenzeit das Ehepaar bewacht hatte, ab und suchten mit dem Fahrzeug von Carlo Martelli, einem Fiat Sedici, das Weite. Später wurde das Fahrzeug unweit von Lanciano aufgefunden. Vermutlich hatte ein weiterer Komplize in einem Auto auf das Räuberquartett gewartet, um sie unerkannt aus der Region zu bringen.
Etwas mehr als zwei Stunden nach Beginn des Überfalls, gegen 6.00 Uhr, gelang es dem Ehepaar, sich selbst zu befreien und um Hilfe zu rufen. Der Bruder des 69-Jährigen, der im Nachbarhaus wohnt, verständigte die Polizei und die Rettungskräfte. Carlo Martelli und Niva Bazzan wurden erstversorgt und mit schweren Verletzungen am Körper und im Gesicht in das Krankenhaus von Lanciano eingeliefert. Besondere Sorgen bereitet die Ohrverletzung von Niva Bazzan. Carlo Martelli hingegen wurde von den Ärzten ein Gesichtstrauma diagnostiziert.
Polizei und Carabinieri lösten umgehend eine Großfahndung aus. Von der Auswertung mehrerer Überwachungskameras erhoffen sich die Ermittler neue Erkenntnisse.
Der brutale Überfall auf Carlo Martelli und seine Frau, die sich mit einer wohltätigen Vereinigung sehr verdient um das Allgemeinwohl gemacht hatten, sorgte in der italienischen Öffentlichkeit für helles Entsetzen. Der Bürgermeister von Lanciano, Mario Pupillo, und andere Persönlichkeiten verurteilten das Verbrechen und drückten Carlo Martelli und Niva Bazzan ihre tief empfundene Solidarität aus.
„Wir werden alles tun, um die Schuldigen festzunehmen und im Kerker verfaulen zu lassen. Man kann nicht im eigenen Haus mit der Angst leben“, so Innenminister Matteo Salvini.