Von: ka
Rom – Die Erkenntnis, dass die Präsidentin des römischen Senats, Maria Elisabetta Alberti Casellati, in elf Monaten nicht weniger als 124 Mal das ihr zur Verfügung stehende Staatsflugzeug, eine Falcon 900, genutzt hat, sorgt in Italien für heftige Polemiken.
Während Quellen aus dem Senat unterstreichen, dass die Flüge durchgeführt worden sind, um die Corona-Gefahr zu minimieren, sprechen Politiker von einer gerade in Krisenzeiten unangemessenen Geldverschwendung, die den Italienern, die unter der Corona-Notlage leiden, nicht vermittelbar ist. Vertreter verschiedener Parteien fordern die Senatspräsidentin dazu auf, die Gründe für die häufige Nutzung des Flugzeugs – im Schnitt ein Flug alle drei Tage – zu erklären. „Eine Erklärung dieses Sachverhalts ist wichtig und dringend nötig, es ist eine Frage der Transparenz“, so der Senator der Fünfsternebewegung Gianluca Perilli.
Die Tageszeitung „La Repubblica“, die das Flugbuch der Falcon 900, die der Senatspräsidentin zur Verfügung steht, zitiert, führt an, dass vom Mai 2020 bis zum April 2021 die Falcon 900 insgesamt 97 Mal die Strecke Rom-Venedig geflogen ist. Dabei muss berücksichtigt werden, dass die Familie von Maria Elisabetta Alberti Casellati in geringer Entfernung von Venedig, nämlich in Padua, wohnt. Neben der Tatsache, dass das der Senatspräsidentin zur Verfügung stehende Staatsflugzeug offenbar für die Strecke Wohnort – Padua – und Arbeitsplatz – Rom – verwendet worden ist, fällt auch auf, dass die Falcon 900 im August mehrmals in Anspruch genommen worden ist, um nach Sardinien zu fliegen. Im Vergleich dazu hat der Präsident der Abgeordnetenkammer, Roberto Fico, im gleichen Zeitraum lediglich dreimal einen Staatsflug genutzt.
Die „Vielfliegerei“ der Senatspräsidentin – laut dem Flugbuch der Falcon 900 sind es insgesamt 124 Flüge – sorgt in der italienischen Hauptstadt für heftige Polemiken. Die Kritik wird aber zurückgewiesen. Da sie aus gesundheitlichen Gründen keine langen Autofahrten vertrage, sei Elisabetta Alberti Casellati laut Quellen aus dem Senat Maria aufgrund des Covid-19-Risikos dazu übergegangen, das Staatsflugzeug zu benutzen.
„Ein Flug alle drei Tage. Das ist eine sehr hohe Anzahl, die eindeutig Erklärungen ihrerseits bedarf. Es handelt sich um eine enorme Nutzung von öffentlichen Geldern für Ortswechsel und Reisen, die zumindest zu einem guten Teil auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln möglich sind“, meint der Senator der Fünfsternebewegung Gianluca Perilli.
Sein Kollege Andrea Cioffi geht mit Maria Elisabetta Alberti Casellati noch härter ins Gericht. „Die Präsidentin kann sich nicht über alle Bürger stellen. Niemand kann sich eine solch bedenkenlose Nutzung von Staatsflügen – manche sogar, um in den Urlaub zu fliegen – leisten. Wir warten darauf, dass die Präsidentin uns etwas zu diesem Thema sagt“, so der stellvertretende Vizepräsident der Fünfsterne-Fraktion im Senat, Andrea Cioffi.
„La Repubblica“ und „Il Fatto Quotidiano“ weisen mit Blick auf die Tatsache, dass drei Viertel aller von der Senatspräsidentin getätigten Staatsflüge die Strecke Rom-Venedig betreffen, darauf hin, dass der Schnellzug Frecciarossa vom Bahnhof Rom Termini aus nur dreieinhalb Stunde benötigt, um nach Padua zu gelangen. Zudem sind die in den Schnellzügen herrschenden Corona-Hygiene und -Sicherheitsmaßnahmen sehr streng, was eine Ansteckung mit dem Coronavirus nahezu ausschließt. Für weiteren Unmut sorgen sechs Flüge nach Sardinien, die allesamt auf den Monat August entfallen. Andere Buchungen der Falcon 900 betreffen Flüge nach Mailand und nach Kalabrien. Nach einem Gesetzesdekret vom Juli 2011 muss der Präsident des Senats kraft seines Amtes seine Reisen weder begründen noch öffentlich machen. Dieselbe Behandlung ist auch dem Präsidenten der Republik, jenen der Abgeordnetenkammer sowie jenen des Ministerrats aber auch dem Präsidenten des Verfassungsgerichts vorbehalten.
„Die 124 Flüge haben über eine Million Euro gekostet. Ohne die Tatsache zu schmälern, dass die Senatorin eine wichtige Institution repräsentiert, hätte die Vertreterin des zweithöchsten Amts im Staat in einer Zeit der tiefen sozialen und wirtschaftlichen Krise ein bescheideneres und umsichtigeres Verhalten an den Tag legen sollen. Dazu hätte auch gehört, nicht das Staatsflugzeug zu benutzen, um während der Ferienzeit nach Sardinien zu fliegen. Das Schweigen der Senatspräsidentin nach der Aufdeckung durch die Zeitung ‚La Repubblica‘ ist weder für Italien noch für diejenigen, die gerne andere Nachrichten als die heutigen lesen würden, ein gutes Signal“, kritisiert der nationale Koordinator der italienischen Grünen, Angelo Bonelli.
„Ich finde das, was passiert ist, beunruhigend. In solch schwierigen und harten Zeiten für das Land müssen die Institutionen und die Politiker, die sie vertreten, als Erste Vorbild sein. Es tut mir leid, dass dies nicht geschehen ist“, so der Parteisekretär von Sinistra Italiana, Nicola Fratoianni, der mit diesen Worten dem Gefühl vieler Italiener eine Stimme gibt.