Covid-19 kann langfristig mentale Fähigkeiten beeinträchtigen – VIDEO

Corona-Langzeitfolgen: Gehirn liegt im „kognitiven Nebel“

Freitag, 20. November 2020 | 08:05 Uhr

Von: ka

Mailand/Rom – Nach einer überstandenen Corona-Krankheit berichten im Schnitt fünf Prozent der Patienten von Beeinträchtigungen ihrer mentalen Fähigkeiten. Weltweit verdichten sich Hinweise, dass Covid-19 bei einer kleinen Anzahl von Genesenen Folgeschäden, die die Leistungsfähigkeit des Gehirns betreffen und bestimmte Charakteristiken wie Konzentrations- und Erinnerungsschwächen miteinschließen, hinterlässt. Unter den Patienten, die über diese Symptome klagen, befinden sich auffällig viele junge Leute.

APA/APA (AFP)/JOHN THYS

Covid-19 ist eine schwere Krankheit, die die Funktion verschiedener Organe unseres Körpers auch noch mittel- bis langfristig beeinträchtigen kann. Eine von diesen Langzeitfolgen ist neurologischer Natur und wird unter Wissenschaftlern „kognitiver Nebel“ genannt. „Covid-19 kann unsere mentalen Fähigkeiten mittel- und langfristig beeinflussen. Viele der Genesenen klagen über eine Art „Nebel im Gehirn“ und über mentale Müdigkeit. Es handelt sich dabei um sogenannte Nachwirkungen. Aus heutiger Sicht betreffen diese Symptome rund eine von 20 Personen, wobei es sich vor allem um junge Leute handelt“, so die Biologin Barbara Gallavotti.

Dieser „Nebel im Gehirn“ beinhaltet in der Regel auf kurze Sicht einen Verlust des Erinnerungsvermögens. Er schließt aber auch Symptome wie Verworrenheit und Konzentrationsschwierigkeiten mit ein. Unter den „Genesenen“ befinden sich auch Personen, die sich bereits wenige Wochen nach der Heimkehr nicht mehr an eine Reise erinnern können, oder Menschen, die das Aussehen des eigenen Autos oder seit Jahren getätigte Arbeitsabläufe „vergessen“ haben. Diese ehemaligen Covid-19-Patienten behaupten, dass der „Gehirnnebel“ ihre Arbeitsfähigkeit negativ beeinflusst. Unter anderem beanspruchen die gleichen Arbeiten längere Zeit, als vor der Krankheit. Zudem klagen diese Personen, die sich am Arbeitsplatz oft konfus und überfordert fühlen, über früher eintretende und stärkere Ermüdung.

Barbara Gallavotti

Diese schwierig einzuordnenden Langzeitfolgen bedürfen noch einer eingehenden Erforschung, aber erste Zahlen, die weltweit gesammelt werden, scheinen darauf hinzuweisen, dass es sich bei ihnen um Symptome des „Post Covid-Syndroms“ oder von „Long-Covid“ handelt. Mit diesen Begriffen werden neuerdings eine Reihe von Leiden zusammengefasst, die noch Monate nach der offiziellen Genesung auftreten können.

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Die Wissenschaftler sind sich noch uneins, was den „Nebel des Gehirns“ auslöst. Sicher ist, dass bei jedem Einzelnen die Symptome sehr variieren und dass sehr viele jüngere Patienten ohne Vorerkrankungen davon betroffen sind. Die Forschung steht erst am Anfang, aber einige Zahlen weisen bereits jetzt in eine bestimmte Richtung. Unter anderem berichtet der angesehene Intensivmediziner des „Montefiore Hospital“ in New York, Aluko A. Hope, davon, dass rund ein Drittel seiner Patienten sich nicht mehr an vorher bekannte Telefonnummern erinnern kann und manchmal Schwierigkeiten dabei hat, während der freien Rede die richtigen und geeignetsten Worte zu finden.

Von den 3.930 Mitgliedern einer kanadischen „Covid-Genesenenvereinigung“ klagt die Hälfte ebenfalls über Konzentrationsschwierigkeiten. Studien aus Frankreich und aus den USA scheinen ebenfalls zu bestätigen, dass Genesene häufig noch Monate nach der Krankheit unter mentalen Beeinträchtigungen leiden. Für viele Forscher ist die Überraschung an sich nicht groß. Andere schwere Erkrankungen wie die Lyme-Borreliose oder das Pfeiffersche Drüsenfieber können ebenfalls langfristige mentale Schwächen zur Folge haben.

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Heute gilt es als gesichert, das SARS-CoV-2 neurologische Beeinträchtigungen verursachen kann, von denen der erwähnte „Nebel im Gehirn“ noch nicht einmal der Schlimmste ist. Es gibt eine Anzahl von Patienten, die über Kopfschmerzen, Schwächegefühl und über den wochenlangen Verlust des Geruchs- und Geschmackssinns klagen.

Wie die Coronaviren die Nervenzellen angreifen, ist noch nicht restlos geklärt. Eine der Theorien besagt, dass die vom Virus ausgelöste Immunabwehr auch nach der „Genesung“ nicht vollständig zum Stillstand kommt. Die im Rahmen der Immunantwort ausgesandten Enzündungsmoleküle „können vor allem für das Gehirn wie eine Art Gift wirken“, so die Leiterin der Abteilung für Neurologie und neurologische Infektionskrankheiten der Yale School of Medicine, Serena Spudich.

APA/APA (Symbolbild/AFP)/HANDOUT

Es gibt aber auch gute Nachrichten. Auch wenn die von SARS-CoV-2 verursachte Krankheit Covid-19 erst ein Jahr alt ist, zeige den Forschern zufolge die Erfahrung anderer schwerer, von Viren verursachter Krankheiten, dass diese neurologischen Symptome in der Regel nach mehreren Wochen und Monaten von alleine verschwinden. Dies – so die Wissenschaftler – könne auch für die wenig erfreulichen Langzeitfolgen von Covid-19, die unter dem Sammelbegriff „Post Covid-Syndrome“ zusammengefasst werden, gelten.

Es lebt also die Hoffnung, dass von Konzentrationsschwierigkeiten und ähnlichen Symptomen nach mehreren Monaten nur mehr schlechte Erinnerungen an eine schlimme Zeit übrig bleiben.