Von: ka
Palermo – Auch ein Vierteljahrhundert nach dem Mordanschlag von Capaci, bei dem der berühmte Mafiajäger Giovanni Falcone und seine Leibwache ums Leben kamen, kommt Palermo nicht zur Ruhe. Die Mafia mordet wieder und trägt ihre blutigen Machtkämpfe weiter aus. Der ehrfurchtsvoll als „Zio Peppino“ bekannte und gefürchtete 67-jährige Mafiaboss Giuseppe Dainotti ist in Palermo beim Fahrradfahren erschossen worden.
Giuseppe Dainotti war erst 2014, nachdem er wegen schwerster Mafiaverbrechen – unter anderem war ihm die Ermordung eines Hauptmanns der Carabinieri zur Last gelegt worden – eine 24-jährige Haftstrafe verbüßt hatte, aus dem Gefängnis entlassen worden.
Es ist kurz vor 8.00 Uhr am Montagmorgen in Palermo, als eine Zeugin vier Schüsse hörte. Als sie das Fenster öffnete, sah sie „Zio Peppino“ in einer Blutlache auf der Straße liegen. Laut ersten Erkenntnissen der Ermittler wurde der 67-Jährige, der auf einem Fahrrad unterwegs war, vermutlich von zwei auf einem Motorrad sitzenden Killern zuerst flankiert und dann aus nächster Nähe mit mehreren Schüssen in den Kopf getötet. „Zio Peppino“ war ein prominenter Mafiaboss der Altstadt von Palermo und hatte, als er sich vor der lebenslänglichen Haftstrafe noch in „Freiheit“ befunden hatte, mit seinen Mitstreitern das Zentrum von Palermo beherrscht.
Der Quästor von Palermo, Renato Cortese, weiß, wie er diesen brutalen Mafiamord einzuordnen hat. Er hat schon mehrmals vor den aus der Haft entlassenen alten Bossen, die in ihre alten „Ämter“ zurückkehren wollen, gewarnt. Da wegen guter Führung oder anderer Umstände auch die wegen schwerster Verbrechen, wie mehrfachem Mord, verurteilten Mafiosi Hafterleichterungen und Haftermäßigungen gewährt werden, gelangen auch Schwerstverbrecher wie der alte Mafiaboss „Zio Peppino“ wieder in die Freiheit, was, so Quästor Renato Cortese, Exekutive und Justiz vor große Probleme stellt. Wieder in die Freiheit gelangt, nehmen nicht wenige Mafiosi erneut ihre „Arbeit“ auf und treffen dabei auf Ihresgleichen, welche nach der Zerschlagung des Clans der Corleonesi und wegen der harten Verfolgung durch den Staat, bereits heute mit nicht wenigen Schwierigkeiten zu kämpfen haben.
„Die Bosse, die aus dem Kerker kommen, treffen auf eine Stadt Palermo, die sich verändert hat und in der die Mafiaclans immer kleinere Bewegungsräume vorfinden. Diese ins Schleudern geratene Cosa Nostra sucht einen neuen Capo. Im Kampf um die Vorherrschaft geraten alte, aus der Haft entlassene Bosse und junge Mafiosi, die wegen der Verfolgung durch den Staat in Schwierigkeiten stecken, aneinander“, fasst Renato Cortese die heutige Situation zusammen.
In einem vor Jahren abgehörten Gespräch hatte bereits ein Capo den Auftrag erteilt, Giuseppe Dainotti aus dem Wege zu räumen, weil er laut ihm „geldgierig“ sei und nach seiner Haft seinen alten Platz wieder einnehmen wolle. Aber die Mafia hat viele Gesichter und ein alter Boss viele Feinde.
Ob Italiens Polizei, Carabinieri und Justiz der Mafia jemals Herr sein werden, steht in den Sternen. Angesichts der internen Machtkämpfe ist der eingeschlagene Weg sicher der Richtige.