Von: luk
Das Fersental, auch Valle dei Mòcheni oder Valle del Fèrsina genannt, ist ein abgelegenes Tal in der italienischen Region Trentino-Südtirol, das eine Besonderheit aufweist: Hier lebt eine kleine deutsche Minderheit, die sogenannten „Bersntoler“, die noch heute einen alten deutschen Dialekt sprechen. Diese Sprachinsel ist eine der wenigen verbliebenen deutschen Gemeinschaften in Italien und bietet einen faszinierenden Einblick in die Geschichte und Kultur Mitteleuropas.
Wer sind die Bersntoler?
Die Bersntoler sind Nachfahren mittelalterlicher Siedler aus dem deutschen Sprachraum, die im 13. Jahrhundert in das Fersental im Trentino kamen. Sie wurden damals von den örtlichen Feudalherren gerufen, um das unerschlossene Tal landwirtschaftlich zu nutzen. Im Laufe der Jahrhunderte entwickelte sich eine einzigartige Sprach- und Kulturgemeinschaft, die bis heute in den Dörfern Palai im Fersental (Palù del Fersina), Fierozzo und Frassilongo erhalten geblieben ist.
Die Sprache der Bersntoler
Das “Bersntolerisch”, wie die Sprache genannt wird, ist ein alter deutscher Dialekt, der Elemente verschiedener bairischer und süddeutscher Dialekte enthält. Obwohl die Mehrheit der Bevölkerung mittlerweile Italienisch spricht, wird der Dialekt in den Dörfern noch von älteren Menschen gepflegt und auch in Schulen gelehrt, um ihn für kommende Generationen zu bewahren. Es gibt zudem kulturelle Initiativen und Feste, die dazu beitragen, die Traditionen und die Sprache lebendig zu halten.
Leben und Kultur im Fersental
Das Fersental ist für seine malerische Landschaft bekannt – mit grünen Wiesen, dichten Wäldern und Bergen, die das Tal umrahmen. Die Region ist ein beliebtes Ziel für Wanderer und Naturliebhaber, die die Ruhe und Schönheit dieser abgelegenen Gegend schätzen. Traditionelle Handwerkskunst, wie die Verarbeitung von Holz und die Herstellung von typischen Produkten wie Käse, sind weitere wichtige Bestandteile des Lebens im Fersental.
Die Kultur der Bersntoler spiegelt ihre Verbundenheit mit der Natur und ihren bäuerlichen Ursprüngen wider. Viele Feste und Bräuche, die im Tal gefeiert werden, gehen auf alte Traditionen zurück und sind eng mit dem landwirtschaftlichen Kalender verknüpft.
Eine Minderheit im Wandel
Wie viele Minderheiten in Europa steht auch die deutsche Sprachgemeinschaft im Fersental vor Herausforderungen. Der Einfluss der italienischen Sprache und Kultur ist in den letzten Jahrzehnten stark gewachsen und viele junge Menschen verlassen das Tal auf der Suche nach Arbeit in den Städten. Dennoch gibt es auch Bemühungen, die Sprache und Traditionen der Bersntoler zu schützen und zu fördern. Projekte zur Dokumentation der Sprache und Kultur sowie Förderprogramme der Autonomen Provinz Trient tragen dazu bei, das kulturelle Erbe der Bersntoler zu bewahren.
“Bersntoler Kulturinstitut”: Zwischen Sorge und Hoffnung
Leo Toller vom “Bersntoler Kulturinstitut” gibt im Gespräch mit Südtirol News zu bedenken, dass die Anerkennung als Sprachminderheit gar nicht so alt ist. Erst 2001 wurde sie erstmals im Statut der autonome Region Trentino-Südtirol verankert. Seit 2006 gebe es zwei Stunden in der Woche “Bersentolerisch” in der Grundschule im Fersental sowie auch Unterricht in Hochdeutsch. Zuvor gab es nur Experimente in der Schule. Sobald die Kinder die Mittelschule in Pergine besuchen, falle der Sprachunterricht für die deutschsprachige Minderheit weg. Hier gebe es also noch Luft nach oben.
Toller wünscht sich eine Ausweitung des Bildungsangebots für die Bersentaler. Doch die Aussichten seien schwierig, da es nur wenig Gelegenheit gebe, Bersentolerisch auch tatsächlich zu sprechen. Das bringe auch das moderne Leben mit sich. Viele aus dem Fersental würden außerhalb arbeiten oder sogar leben. Manchmal werde die Sprache auch in der Familie selbst zu wenig gepflegt.
“Rund 1.400 Menschen im Trentino geben an, Bersentolerisch zu sprechen, 1.000 davon leben in den Dörfern im Fersental, der Rest außerhalb – etwa in Trient oder Pergine. Gerade da fehlt oft der Rahmen, die Sprache vollumfänglich zu verwenden”, so Toller.
Er bleibt aber optimistisch: Bereits vor einem Jahrhundert habe es nämlich geheißen, dass die deutschsprachige Minderheit im Fersental in ein bis zwei Generationen verschwunden sei. Die Gefahr bestehe natürlich auch heute noch, so Toller. Doch es gibt auch positive Entwicklungen: “Unter den jungen Fersentalern wächst neues Selbstbewusstsein und Stolz zum kulturellen Erbe heran.” Die Sprache werde gepflegt – etwa indem Sprachkurse besucht werden.” Einige junge Fersentaler besuchen auch bewusst die deutschsprachige Universität in Bozen oder Brixen und gehen nicht nach Trient zum Studieren.”
Reizvoll und kulturell einzigartig
Das Fersental ist nicht nur landschaftlich reizvoll, sondern auch kulturell einzigartig. Die Bersntoler pflegen seit Jahrhunderten ihre Sprache und Traditionen inmitten der Alpen. Für Besucher bietet das Tal eine interessante Gelegenheit, eine fast vergessene Welt zu entdecken, in der alte Bräuche und moderne Lebensweisen aufeinandertreffen.
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