Von: ka
Campobello di Mazara – Als die Carabinieri das Versteck von Matteo Messina Denaro, bei dem es sich eigentlich um eine geräumige und luxuriös eingerichtete Wohnung handelte, durchsuchten und dabei Frauenkleider, Pillen, die die sexuelle Leistungsfähigkeit steigern, und Kondome sicherstellten, wussten sie, dass zum „fast normalen“ Leben des „letzten Paten“ auch weibliche Begleitung gehörte. Eigentlich war das aber keine Überraschung. Das ganze Leben des Bosses aller Bosse war von einem ständigen Kommen und Gehen verschiedener Frauen geprägt. Die meisten waren „nur“ seine Liebhaberinnen, aber einige von ihnen sollen auch zu seinem Netzwerk gehört haben und Übermittlerinnen von „Pizzini“ gewesen sein.
Da bei der Verhaftung des Capo bei ihm nicht nur zwei Smartphones, sondern auch Zettelchen mit zwei Telefonnummern gefunden wurden, war es für die Ermittler ein Leichtes, die Identität seiner letzten Liebhaberinnen herauszufinden. Es handelt sich um zwei Frauen mittleren Alters aus Campobello di Mazara, die jeweils als Kleinunternehmerin und Kauffrau tätig sind. Beide Frauen bekamen Besuch von den Carabinieri. Auf der Suche nach zweckdienlichen Hinweisen wurden beide Wohnungen einer minutiösen Hausdurchsuchung unterzogen. Interessant ist, dass eine der beiden Frauen ein erst in jüngster Zeit erworbenes Luxusfahrzeug im Wert von 70.000 Euro ihr Eigen nennen kann. „Es ist kein Geschenk von irgendjemandem. Sie hat vor einem Jahr eine Gelegenheit genutzt und das Auto gekauft. Nehmt bitte Abstand von falschen Mutmaßungen“, so ein Angehöriger der Frau. Ob das der Wahrheit entspricht, ist nun Gegenstand von Untersuchungen.
Anstatt auf den Besuch der Carabinieri zu warten, zog es eine dritte Frau vor, ihnen zuvorzukommen und selbst die Carabinierikaserne aufzusuchen. Während der Vernehmung gab sie unumwunden zu, in den letzten Wochen und Monaten mehrmals in der Wohnung des Capo gewesen zu sein. Gleich wie ihre beiden „Kolleginnen“ bestritt sie aber, gewusst zu haben, dass der Mann, mit dem sie eine Beziehung hatte, Matteo Messina Denaro gewesen sei. Sie erklärte den Carabinieri, dass sie den Mafiaboss erst nach seiner Verhaftung am 16. Januar im Fernsehen wiedererkannt habe.
L'amante di Messina Denaro: "Non sapevo fosse lui"
L'amante di Messina Denaro: "Non sapevo fosse lui"Nell'inchiesta sulla rete dei presunti fiancheggiatori di Matteo Messina Denaro spuntano alcune donne che avrebbero avuto rapporti con il capomafia durante la latitanza. Una si è presenta alla caserma dei Carabinieri: "L'ho frequentato ma non sapevo che fosse lui".L'inviato Jacopo Cecconi per il Tg3 delle 19 del 29 gennaio 2023
Posted by Tg3 on Sunday, January 29, 2023
Gleich wie im Fall der anderen beiden Frauen schenken die Carabinieri aber auch ihr keinen Glauben. Vielmehr vermuten sie verschiedenen Hinweisen folgend, dass den Frauen die Identität des „letzten Paten“ sehr wohl bekannt war. Dieser Verdacht wird insbesondere dadurch erhärtet, dass die dritte Frau auch Freundin von Andrea Bonafede, des „vertraulichen Ehrenmannes“ von Matteo Messina Denaro, war. In der Folge der Vernehmung wurde auch ihre Wohnung durchsucht.
Nach der Verhaftung des „letzten Paten“ erreichen die Ermittler viele Hinweise. In Anbetracht der Tatsache, dass die beiden Smartphones des Capo voller Telefonnummern waren, kommen gleich wie die „dritte Liebhaberin“ auch viele andere einer Vorladung durch die Carabinieri zuvor und gehen zur Kaserne. Andererseits wächst unter den Ermittlern auch der Verdacht, dass sich unter den vielen Hinweisen auch kleine persönliche Racheakte und dörfliche Fehden verbergen könnten.
Für die Ermittler sind die drei „Liebhaberinnen“ aber keine Überraschung. Zum Leidwesen seiner damaligen Capi Totò Riina und Bernardo Provenzano, die für einen Mafioso einen solchen Lebenswandel nicht nur für unwürdig, sondern vor allem auch für gefährlich hielten, galt Matteo Messina Denaro unter seinesgleichen als großer Frauenliebhaber, sizilianisch als „Fimminaro“.
Das ganze Leben des „letzten Paten“ war von einem ständigen Kommen und Gehen verschiedener Frauen geprägt. Neben Francesca Alagna, der er seine einzige, heute 26-jährige Tochter, Lorenza, verdankte, war Maria Mesi über Jahre hinweg seine feste Freundin. Verschiedene Identitäten nutzend – in seinem Versteck wurden nicht weniger als fünf verschiedene Ausweise mit seinem Foto sichergestellt – war er mit ihr sogar mehrmals in Urlaub gefahren.
Die Beziehung zwischen Matteo Messina Denaro und Maria Mesi war aber auch den Ermittlern seit Jahrzehnten bekannt. Bereits im Jahr 2000 gerieten sie und ihr Bruder Francesco ins Visier der Ermittler. Zusammen mit zwei weiteren Personen wurde sie beschuldigt, eine Wohnung angemietet zu haben, in der sich der Capo vor der Justiz versteckt hielt. Die Frau wurde in erster und zweiter Instanz wegen schwerer Beihilfe zur Mafia verurteilt. Der römische Kassationsgerichtshof kam aber zum Schluss, dass die sentimentale Beziehung zum Capo di tutti i capi die Beihilfe zur Cosa Nostra ausschließe. Bereits bei dieser Gelegenheit stellten die Ermittler mehrere Liebesbriefe zwischen Mesi und Messina Denaro sicher. Eine Wohnung, die Maria Mesi gehört, wurde am Montag erneut durchsucht.
Eine der bekanntesten Beziehungen von Matteo Messina Denaro ist jene zu Andrea Haslehner. Der damals erst 26 Jahre alte Matteo lernte die junge mehrsprachige Österreicherin im Jahr 1988 kennen, als sie an der Rezeption des Hotels „Paradise Beach“ in Selinunte arbeitete. Der junge Mann war für die 20-jährige, großgewachsene Blondine sofort Feuer und Flamme. Sein einziges Problem war, dass der Hoteldirektor, Nicola Consales, ebenfalls ein Auge auf die junge Österreicherin geworfen hatte. Zudem prahlte Nicola Consales damit, dass er „diese vier kleinen Mafiosi“, die sich in seinem Hotel herumtrieben und die er nicht mochte, hinauswerfen werde. Diese Worte und seinen „Wettstreit“ gegen einen jungen Spross der Cosa Nostra um eine Frau sollte er bald bereuen. Im Februar 1991 wurde Nicola Consales in Palermo erschossen. Dieser Mord soll einer der ersten von Matteo Messina Denaro gewesen sein.
Die meisten der Frauen, mit denen der Capo Beziehungen eingegangen war, waren „nur“ seine Liebhaberinnen, aber einige von ihnen sollen auch zu seinem Unterstützernetzwerk gehört haben und Übermittlerinnen von „Pizzini“ – verschlüsselten Botschaften auf einem kleinen Stück Papier, mit denen Mafiabosse ihren Verwandten und Untergebenen Mitteilungen zukommen lassen – gewesen sein. Über die „Pizzini“ gelang es dem untergetauchten Capo di tutti i capi seine „Geschäftsbeziehungen“ zu pflegen, aber vor allem die Cosa Nostra „zusammenzuhalten“. Sollten seine Frauen mit ihm „nur“ Liebesbeziehungen gepflegt haben, kommen sie ungeschoren davon, andernfalls könnte ihnen wegen Beihilfe zur Flucht und zur Mafia eine mehrjährige Gefängnisstrafe blühen. Heute dürften viele von ihnen ihre Beziehung zum „Fimminaro“ bitter bereuen. Waren sie mehr als „nur“ seine Liebhaberinnen?