Von: ka
Bari – Nachdem die Mutter einer 16-jährigen Tochter bemerkt hatte, dass die Handtasche ihrer Tochter voller Geld war, kamen nach ihrer Anzeige bei der Polizei die Ermittlungen ins Rollen, die nach mehreren Monaten zur Verhaftung von vier Frauen und sechs Männern führte. Die von der Staatsanwaltschaft von Bari geleitete Untersuchung führte zutage, dass drei Minderjährige aus Bari dazu verleitet worden waren, für Summen von 300 bis 500 Euro ihren Körper an wohlhabende Männer, darunter Unternehmer und Rechtsanwälte, zu verkaufen.
Der Escort-Ring, der von den vier Frauen, die selbst Escorts waren, und zwei Männern geleitet wurde, lockte die drei Jugendlichen aus Bari mit dem Versprechen auf leicht verdientes Geld an. Die Hälfte des Geldes, das sie für ihre „Dienste“ von den wohlhabenden Kunden erhielten, mussten sie jedoch an ihre Ausbeuter des Escort-Rings abgeben. Das widerliche Treiben des Rings flog erst auf, als die Mutter einer 16-Jährigen nicht mehr länger dabei zuschauen wollte, wie sich ihre minderjährige Tochter die Nächte um die Ohren schlug und hohe Geldsummen, für die sie keine glaubhafte Herkunft nennen konnte, für teure Designermode ausgab.
Ihre 16-jährige Tochter war „unruhig, jähzornig und rebellisch“, verbrachte ganze Nächte außerhalb des Hauses und hatte offensichtlich ein „Privatleben“, von dem sie ihren Eltern nichts berichten wollte. Zudem mussten sie entdecken, dass ihre Tochter, die das örtliche Lyzeum besucht, über erhebliche finanzielle Mittel verfügte. „Die Handtasche meiner Tochter war voller Geld“, so die Mutter.
Als die Mutter bei ihr ein kleines Stück Haschisch fand und entdeckte, dass sie mit ihrem Smartphone mit Erwachsenen chattete, die fast 30 Jahre älter waren als sie, suchte sie im März des Jahres 2022 die Polizei auf. Die polizeilichen Ermittlungen deckten bald auf, dass die 16-Jährige zusammen mit zwei gleichaltrigen Freundinnen ins Netz eines abscheulichen Escort-Rings geraten war, der von vier Frauen, die sich selbst prostituierten, und zwei Männern geleitet wurde.
Nach anfänglichem Zögern erzählte die 16-Jährige im Beisein ihrer Eltern und einer Jugendpsychologin, wie sie und ihre Schulfreundinnen von den Frauen und den zwei Männern, die seit Montag im Gefängnis von Bari inhaftiert sind, mit dem Versprechen auf leicht verdientes Geld angelockt worden waren und ausgebeutet wurden. Das Gespräch förderte zutage, dass der Prostitutionsring, an dem die minderjährigen Mädchen beteiligt waren, zu diesem Zeitpunkt bereits seit einem Jahr bestand. Die von den vier Frauen und den beiden Männern organisierten „Kundentreffen“ fanden in Luxushotels und Pensionen in Bari und Umgebung statt. Die dabei entstandenen Einnahmen der Minderjährigen – in der Regel 300 bis 500 Euro – wurden zu gleichen Teilen zwischen den Minderjährigen und ihren „Beschützern“ aufgeteilt.
Zudem wurde die 16-Jährige, die als Erste in die Fänge des Netzwerks geraten war, von ihren Ausbeutern dazu angehalten, ihre Freundinnen anzuwerben. „Eines Tages, als ich aus der Schule kam, schlug mir meine Freundin vor, dass ich mit Prostitution viel Geld verdienen könnte. Ein paar Wochen später gingen wir gemeinsam zu einem Treffen“, gab eine 16-Jährige zu Protokoll.
Neben dem Geld erhielten die 16-Jährigen auch teure Geschenke wie Handtaschen und Schuhe sowie Aufenthalte in Fünfsternehotels und von ihren „Gönnern“ bezahlte Abendessen in teuren Restaurants. Zudem wurden die Minderjährigen dazu verleitet, Drogen zu konsumieren. „Einer der Kunden bewahrte in seinem Auto ein Päckchen mit Kokain auf“, sagte eine der 16-Jährigen aus.
„Bei einer Gelegenheit gab er uns sogar eine ‚goldene Kreditkarte‘ und sagte uns, dass wir nicht mehr als 20.000 Euro pro Woche abheben könnten. Wir versuchten zwar, Geld abzuheben, aber der uns mitgeteilte PIN-Code erlaubte es uns nicht. Er gab uns dafür keine Erklärung und blieb vage“, so eine der drei 16-Jährigen über einen der Freier, der nach seiner Verhaftung nun in Hausarrest sitzt. Wie der Untersuchungsrichter in seinem Haftbefehl schreibt, war der genannte Verdächtige „sich nicht nur des Alters der Mädchen vollkommen bewusst, sondern auch sehr zufrieden damit, sexuelle Beziehungen mit minderjährigen Mädchen haben zu können“.
Die Entdeckung dieser „goldenen Kreditkarte“ durch die Mutter einer Freundin der ersten 16-Jährigen gab den Ermittlungen weiteren Auftrieb, woraufhin es den Beamten gelang, einige der Kunden der Minderjährigen ausfindig zu machen.
Nachdem sie ausreichend belastendes Material gesammelt hatten, zogen die Polizisten aus und nahmen vier Frauen und sechs Männer, darunter vier mutmaßliche Freier, fest. Dem Inhaber einer Pension, die oft Schauplatz von Treffen zwischen den 16-Jährigen und ihren Kunden gewesen war, wurde es hingegen verboten, seinen Wohnort zu verlassen.
Angesichts des umfangreichen belastenden Materials und der Schilderungen der 16-Jährigen, die von den Ermittlern als sehr aussagekräftig bezeichnet werden, dürfte es für die Verdächtigen schwer werden, vor Gericht milde Urteile zu erwirken. Weit über Bari hinaus blicken die Italiener mit Abscheu und Entsetzen auf die menschlichen Abgründe, die sich in der süditalienischen Hafenstadt aufgetan haben. An die Eltern hingegen geht Polizeiexperten und Psychologen zufolge der Rat, genau hinzusehen, wenn die eigenen Kinder von einem Tag auf den anderen über viel Geld verfügen und ein entsprechendes Leben führen.