Von: ka
Mailand – Der Ausbruch von sieben Jugendlichen aus der Jugendstrafanstalt „Beccaria“ von Mailand sorgt italienweit für Aufsehen.
Nicht zuletzt dank der Hilfe ihrer Eltern und Großeltern konnten drei der sieben jugendlichen Ausbrecher zwar wieder „eingefangen“ werden, aber die Leichtigkeit, mit der es den jungen Straftätern gelungen war, das Gefängnis zu verlassen, legt offen, wie schlecht es um die Haftbedingungen in der veralteten und überfüllten Jugendstrafanstalt bestellt ist.
Der weihnachtliche Massenausbruch aus der Jugendstrafanstalt „Beccaria“ von Mailand sorgt italienweit für Aufsehen. Es sind vor allem die Einzelheiten, wie es zu diesem Ausbruch kommen konnte, die im ganzen Stiefelstaat für Kopfschütteln sorgen. Am Weihnachtstag gegen 16.00 Uhr fanden sich auf dem Gefängnishof zwölf Jugendliche ein, um gemeinsam Fußball zu spielen. Die zwölf „Fußballspieler“, die nur von einem einzigen Gefängnispolizisten beaufsichtigt wurden, verfolgten von Anfang an den Plan, aus dem Jugendgefängnis auszubrechen. Dies zeigt die Tatsache, dass einer von ihnen den „absoluten Ausbruchsklassiker“ – ein Bettlaken – bei sich hatte.
Die Jugendlichen hatten offenbar vor, die Unaufmerksamkeit des Beamten und die Sicherheitsschwachstelle, die durch fortwährende Bauarbeiten am Gefängnis entstanden war, für ihre Zwecke auszunützen. Einer der Jugendlichen bat den Gefängnispolizisten darum, einen Ball zu holen, um das Spiel beginnen zu können. Von seinem Standort aus konnte der ahnungslose Beamte den Hof, in dem sich die Jugendlichen aufhielten, nicht vollständig überblicken.
Den kurzen, unbeobachteten Moment nutzten die Jugendlichen zur Flucht. Sie rissen die dünnen Trennwände ein, die das Baugerüst abdeckten, kletterten über das Gerüst auf die andere Seite und fanden sich auf einem alten, stillgelegten Fußballplatz wieder. Dort benutzten sie das Bettlaken, um über die äußere Begrenzungsmauer des Gefängnisses zu gelangen. Da das Laken aber fast sofort riss, schaffte es nur einer der Ausbrecher hinüberzuklettern. Daraufhin rannten die anderen auf die andere Seite des Feldes, entfernten die Plane und kletterten über den Zaun, wodurch sie gleich wie ihr „Kollege“ ebenfalls in die Freiheit gelangten. Wenige Minuten später erkannte der Gefängnispolizist, dass einige seiner Schützlinge fehlten. Er schlug sofort Alarm.
In der Folge entzündeten andere Häftlinge aus Protest mehrere Feuer, wodurch vier Gefängniswärter eine leichte Rauchgasvergiftung erlitten.
Keiner der sieben Ausbrecher war ein Gewaltverbrecher und keiner von ihnen war rechtskräftig verurteilt worden. Bei den sieben entwischten Jugendlichen handelte es sich vielmehr um Kleinkriminelle. Fünf von ihnen stammen aus der Lombardei und kommen aus Mailand, Pavia und der Gegend von Como. Die beiden letzten hingegen sind ein junger Marokkaner und ein gerade erst volljährig gewordener Ecuadorianer.
Für drei der sieben Ausbrecher dauerte die Freiheit aber nur wenige Stunden. Der 18-jährige Südamerikaner, der Mitglied der Mailänder Jugendgang Z4 ist, wurde von der Polizei in der Nähe des Hauses seiner Schwiegermutter aufgegriffen. „Ich habe einen Fehler gemacht. Ich wollte nicht fliehen, aber ich habe mich von den anderen mitreißen lassen“, so der junge Ecuadorianer zum Staatsanwalt. Ein 17-jähriger Mailänder und ein ebenfalls 17-jähriger Jugendlicher aus Cantù, die zunächst jeweils bei der Tante und bei der Schwester Unterschlupf gesucht hatten, konnten nicht zuletzt dank der Hilfe und der Überredungskunst ihrer Verwandten, im Falle des Mailänders seiner Oma, zur Aufgabe überredet werden. In einem Fall entschied der „Familienrat“, den straffällig gewordenen Zögling wieder ins Gefängnis zurückzubringen.
Nach den übrig gebliebenen vier Minderjährigen wird intensiv gefahndet. Der ehemalige Gefängniskaplan der Jugendstrafanstalt „Beccaria“, Don Gino Rigoldi, erklärte am Stephanstag, dass er alles in seiner Macht Stehende tun werde, um die Jugendlichen wieder zurückzubringen. „Ich denke, dass die Köpfe dieser ‚schwierigen‘ Jungen voller Emotionen wie Wut, Traurigkeit und Heimweh waren. Vermutlich spielte auch der Gedanke, gerade Weihnachten fern ihrer Lieben verbringen zu müssen, eine starke Rolle. Die Erkenntnis, dass es eine Ausbruchsgelegenheit gab, ließ in den Jugendlichen den Willen zur Flucht reifen. Für sie war es eine Chance, ein großes Abenteuer zu erleben, aber sie waren sich der Konsequenzen nicht bewusst“, meint Don Gino Rigoldi.
„Mehr noch als um Inhaftierte handelt es sich um Teenager. Ich kenne sie. Ich bin sicher, dass ich sie zusammen mit Don Claudio Burgio zurückholen kann, bevor sich ihre rechtliche Lage weiter verschlechtert. Drei von ihnen kehrten bereits zurück. Während zwei von der Polizei abgeholt wurden, wurde der dritte von seinen Familienangehörigen zurückbegleitet. Es handelt sich um schwierige Minderjährige, von denen einige keine Familie mehr haben. Wir müssen uns bewusst sein, dass wir ihre erwachsenen Bezugspersonen sind“, fügt der ehemalige Gefängniskaplan hinzu.
L'evasione dal BeccariaLe indagini sull'evasione dal carcere minorile Beccaria di Milano. Ancora in fuga quattro ragazzi. L'analisi della situazione delle carceri minorili dell'Associazione AntigoneMaria Teresa Palamà e Roberta Cerqua per il Tg3 delle 19 del 27 dicembre 2022
Posted by Tg3 on Tuesday, December 27, 2022
Die Leichtigkeit, mit der es den jungen Straftätern gelungen war, das Gefängnis zu verlassen, legt aber auch offen, wie schlecht es um die Haftbedingungen in der veralteten und überfüllten Jugendstrafanstalt bestellt ist. Der Verein Antigone, der sich um die Betreuung der Inhaftierten kümmert, weist darauf hin, dass fast alle italienischen Jugendhaftanstalten überfüllt sind.
„Das letzte Mal waren wir am Montag, dem 19. Dezember, wegen einer Musikveranstaltung in der Beccaria. Obwohl nur 31 Plätze verfügbar waren, saßen im Gefängnis 43 Jugendliche ein. Sicherlich war das, was passiert ist, nicht vorhersehbar, aber in den Gesprächen am Montag beklagten sich nicht nur die Inhaftierten, sondern auch die Gefängniswärter über die vom Personalmangel verursachten Schwierigkeiten bei der Führung des Instituts“, so die für die Lombardei zuständige Mitarbeiterin des Vereins Antigone, Valeria Verdolini.