Von: ka
Modena/Sassuolo – Die Angehörigen der 2009 ermordeten Giulia Galiotto sind entsetzt und enttäuscht. Nachdem sie vom Mörder der zum Tatzeitpunkt erst 30-jährigen Frau, ihrem damaligen Ehemann Marco Manzini, nur einen kleinen Bruchteil der ihnen gerichtlich zugesprochenen Entschädigung von einer Million Euro erhalten hatten, flatterte ihnen nun ein Schreiben der Agentur für Einnahmen ins Haus.
Darin fordert der Staat die Familie dazu auf, die auf die volle Entschädigungssumme berechneten Steuern, nicht weniger als 18.000 Euro, an die Agentur zu überweisen. Die Familie Galiotto, die nach der vorzeitigen Freilassung des Mörders von der Justiz tief enttäuscht ist, spricht von einem „weiteren Schlag ins Gesicht“. Die Familie hat gegen den Steuerbescheid Berufung eingelegt. Von Marco Manzini, der nach seiner Freilassung die Kündigung einreichte, fehlt hingegen jede Spur.
Der Femizid ereignete sich am 19. Februar 2009. Giulia Galiotto, deren Ehe mit Marco Manzini nach nicht einmal vier Jahren in einer tiefen Krise steckte, wollte wohl bei einem gemeinsamen Treffen ausloten, ob es noch eine Möglichkeit gäbe, die Beziehung zu kitten. Die beiden gerieten jedoch sofort in Streit, in dessen Verlauf Marco Manzini einen Stein in die Hand nahm und seine Frau damit erschlug.
Danach tat Marco Manzini alles, um den Mord wie einen Selbstmord aussehen zu lassen. Um das Blut zu stoppen, wickelte er Giulias Kopf in eine Plastiktüte. Nachdem er geduscht und seine blutverschmierte Kleidung in einen Mülleimer geworfen hatte, legte er die Leiche seiner Frau in sein Auto und warf sie von einer Brücke in den Fluss Secchia. Nach einer intensiven Autowäsche rief er seine Schwiegereltern an und spielte ihnen gegenüber den besorgten Ehemann. Besorgt teilte er ihnen mit, dass er einen handgeschriebenen Zettel gefunden habe, der auf einen Selbstmord hindeute. Tatsächlich hatte Giulia Galiotto diese Zeilen jedoch Jahre zuvor nach einem ersten Streit mit ihrem späteren Ehemann geschrieben.
Die Leiche der damals 30-Jährigen wurde später aus der Secchia geborgen. Die Aufnahmen mehrerer Überwachungskameras, die ihn unter anderem beim Waschen des Autos zeigten, brachten das Lügengebäude von Marco Manzini schnell zum Einsturz. Nach einem langen Verhör durch die Carabinieri gestand der Ehemann den Mord an seiner Frau.
Doch der anschließende Mordprozess war für die Angehörigen und Freunde des Opfers eine herbe Enttäuschung. „Nicht ihrem Mörder wurde der Prozess gemacht, sondern meiner Tochter“, klagt Giovanna Ferrari, die Mutter von Giulia Galiotto. Tatsächlich wurde Manzini während des Prozesses ein verkürztes Verfahren gewährt. Zudem wurde seine Tat als „Impulsverbrechen“ im Rahmen einer „emotionalen Störung“ anerkannt. Der zuvor im Raum stehende Vorsatz wurde gestrichen. Trotz der Schwere seiner Bluttat und trotz des Versuchs, den Selbstmord seines Opfers vorzutäuschen, wurde er zu einer Freiheitsstrafe von nur 19 Jahren verurteilt.
Aber es sollte noch schlimmer kommen. Wegen guter Führung wurde Manzini bereits Anfang 2022 in die Halbfreiheit entlassen. Insgesamt verbrachte Giulias Mörder also nur 13 Jahre hinter Gittern. Nur zwei Jahre später erlangte er die volle Freiheit.
Nach seiner Entlassung auf Bewährung nahm Manzini seine alte Arbeit wieder auf, woraufhin die Familie Galiotto die Pfändung eines Fünftels seines Gehalts beantragte und durchsetzte. „Um seine Bereitschaft zu einem strafrechtlichen Ausgleich zu zeigen“, wandte er sich inzwischen über seine Anwälte an Giulias Eltern und bot ihnen 50 Euro monatlich als „Entschädigung“ an.
Diese Geste kam bei Giulias Eltern alles andere als gut an. „Nach dem Mord an unserer Tochter hat er uns belogen und verhöhnt. Vor Gericht hat er nie Reue gezeigt und nur Lügen über unsere Tochter erzählt“, wies die Familie des Opfers diesen „Annäherungsversuch“ zurück.
Als der Mörder im Juli 2024 wieder auf freiem Fuß war, kündigte er seinem Arbeitgeber. Mit der letzten Lohnzahlung an Marco Manzini endete auch die Pfändung. Seitdem wissen die Galiottos nicht, ob er eine neue Arbeit oder ein anderes Einkommen hat.
Zum Schaden kommt nun der Spott. Das damalige Urteil beinhaltete auch eine Entschädigung von 1,2 Millionen Euro für Giulias Familie, ihre Mutter Giovanna Ferrari, ihren Vater Giuliano und ihre Schwester Elena. Obwohl sie bisher nur einen sehr geringen Teil dieser Entschädigungssumme erhalten hatten, erhielten die drei Angehörigen des Opfers ein Schreiben der Agentur für Einnahmen, in dem sie aufgefordert wurden, eine Steuerschuld von jeweils rund 6.000 Euro an den Staat zu überweisen. Diese Summe von insgesamt 18.000 wurde aus der Gesamtentschädigungssumme von 1,2 Millionen Euro errechnet.
Während die Aussicht auf Entschädigung gering ist, sind Steuern eine Gewissheit. „Wir haben Einspruch gegen den Steuerbescheid eingelegt. Die Steuer bezieht sich auf die gesamte Summe, die wir höchstwahrscheinlich nie erhalten werden. Obwohl wir bisher nur lächerliche Beträge erhalten haben, sollen wir trotzdem Steuern zahlen. Wir empfinden es als einen Schlag ins Gesicht, dass er nach Ablauf seiner Strafe sofort kündigen darf. Dass der Staat dann auch noch Steuern verlangt, ist absurd“, sagte Giulias Mutter Giovanna Ferrari dem Lokalblatt Gazzetta di Modena.
„Das ist eine Form von Gewalt, die von staatlichen Behörden ausgeht. Wenn eine staatliche Behörde von den Angehörigen, die ihr Recht auf Gerechtigkeit einfordern, Steuern auf die gesamte Entschädigungssumme verlangt, ist das auch eine Form der Gewalt“, versucht Giulias Mutter ihre tiefe Enttäuschung in Worte zu fassen.
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