Venetien: Kaum jemand will mehr Krankenpfleger werden – VIDEO

“Einer von 100 möglichen Punkten reicht fürs Studium!”

Donnerstag, 17. Oktober 2024 | 08:04 Uhr

Von: ka

Vicenza – Da immer mehr Krankenpfleger altersbedingt aus dem Berufsleben ausscheiden oder kündigen und für sie immer weniger Berufsneulinge nachrücken, wird in Venetiens Krankenhäusern der Mangel an Pflegekräften immer dramatischer.

Die Tatsache, dass sich die Universitäten immer schwerer tun, die zur Verfügung gestellten Studienplätze zu besetzen, zeugt davon, dass der Beruf des Krankenpflegers immer stärker an Anziehungskraft verliert. Der in früheren Zeiten gefürchtete Aufnahmetest gerät inzwischen zur Farce. Angesichts der geringen Nachfrage nach Studienplätzen sind für die Zulassung zum Krankenpflegestudium selbst niedrigste Bewertungen kein Hindernis mehr.

Den Vogel jedoch schoss ein Studienanfänger in Vicenza ab. Obwohl er beim Aufnahmetest nur einen von 100 möglichen Punkten erreichen konnte, wurde er zum Krankenpflegestudium zugelassen. Da es erfahrungsgemäß jeder Dritte nicht schafft, die Ausbildung zum Krankenpfleger abzuschließen, wird es zur Behebung des Pflegenotstands jedoch nicht reichen, beim Aufnahmetest alle “durchzuwinken”.

LPA/Claudia Corrent

Ähnlich wie in Südtirol macht sich auch in Venetien der Mangel an Pflegekräften immer stärker bemerkbar. Nichts verdeutlicht den Verlust an Anziehungskraft der Pflegeberufe stärker als unbesetzte Studienplätze. Während ein Teil der 120 Plätze des von der Universität Verona organisierten Studiengangs nicht besetzt werden konnten, traten in Vicenza von den ursprünglich 98 eingeschriebenen Bewerbern, die bei der Aufnahmeprüfung Vicenza als den von ihnen gewünschten Studienort angegeben hatten, überhaupt nur rund 80 zum Krankenpflege-Studiengang an.

ANSA

Dabei geriet der Aufnahmetest zur Farce. Aufgrund der geringen Anzahl von Bewerbern bestanden alle Kandidaten den Test. Selbst niedrigste Bewertungen waren für die Zulassung zum Krankenpflegestudium kein Hindernis mehr. Sogar ein Kandidat, der beim Aufnahmetest nur einen von 100 möglichen Punkten erobern konnte, wurde zum Studium zugelassen.

Facebook/NurseTimes

“Der Test bestand aus Fragen, die Logik, Mathematik, Chemie und Biologie sowie allgemeine Kultur zum Inhalt hatten. Für den Studiengang in Vicenza wurden auch Bewerber mit sehr niedrigen Punktezahlen, darunter einer mit nur einem von 100 möglichen Punkten, zugelassen. Ich habe nichts gegen die betreffenden Studienanfänger, aber wenn man sich die Zahlen vor Augen hält, die auf langjährige Erfahrungswerte fußen, wird schnell offensichtlich, dass es ein grundlegendes Problem gibt. Erfahrungsgemäß werfen mindestens 30 Prozent der Studenten vor dem Ende des Studienzyklus das Handtuch”, so der scheidende Präsident der Kammer der Pflegeberufe von Vicenza, Federico Pegoraro, gegenüber dem Corriere del Veneto.

Facebook/Federico Pegoraro

Federico Pegoraro beobachtet mit Sorge, dass sich dieser überaus bedenkliche Trend auch auf die Stellenausschreibungen niederschlägt. “Für die 138 freien Stellen für Krankenpfleger, die der Gesundheitsbetrieb von Vicenza ausgeschrieben hatte, bewarben sich nur 60 Interessenten. Da wir in diesem Fall von unbefristeten Verträgen sprechen, ist es offensichtlich, dass es den Pflegeberufen an Attraktivität mangelt. Zugleich müssen wir feststellen, dass die Kündigungen immer häufiger werden. Einerseits handelt es sich um Pensionierungen, aber andererseits sehen wir auch, dass viele Krankenpfleger das öffentliche Gesundheitswesen verlassen, um in privaten Gesundheitseinrichtungen oder gar im Ausland zu arbeiten”, erklärt Pegoraro. In der Tat locken Länder wie die Schweiz oder Norwegen mit Monatslöhnen, die ein Vielfaches italienischer Gehälter betragen.

Über die Gründe hegt der scheidende Präsident der Kammer der Pflegeberufe von Vicenza wenig Zweifel. “Die Misere hat viele Ursachen. Die Höhe des Gehalts trägt sicherlich nicht dazu bei, angehende Krankenpfleger für diesen Beruf zu begeistern. Aber das ist nicht alles. Heutzutage suchen die jungen Leute nach einem günstigen Gleichgewicht zwischen Arbeit und Privatleben, wobei das Pendel oftmals zugunsten des eigenen Wohlbefindens ausschlägt. Mit seinen Feiertags-, Wochenende- und Nachtdiensten hat der Krankenpflegeberuf dabei schlechte Karten. Der Beruf des Krankenpflegers ist nicht nur sehr anstrengend, sondern auch in psychischer Hinsicht sehr fordernd, denn er bringt uns durch die Arbeit mit den Patienten fast täglich in Kontakt mit Schmerz und Tod”, erklärt Federico Pegoraro.

APA/APA/dpa/Marijan Murat

Durch den immer gravierender werdenden Pflegenotstand gerät das Gesundheitswesen Venetiens in eine immer bedenklicher werdende Schieflage. Auch in Südtirol macht sich der auf allen Ebenen herrschende Mangel an Fachkräften der Gesundheitsberufe immer stärker bemerkbar.

 

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