Italien erlebt wahren Boom von Vaterschaftstests – VIDEO

„Einer von zehn Erstgeborenen ist ein Kuckuckskind“

Dienstag, 13. Februar 2018 | 07:23 Uhr

Von: ka

Rom/Pesaro – Italien und andere europäische Staaten erleben derzeit einen wahren Boom von Vaterschaftstests. Die „Mode“ begann in den Vereinigten Staaten, wo sich die DNA-Analysen, welche hauptsächlich dazu dienen, fragliche Vaterschaften nachzuweisen, nach und nach zu einem gesellschaftlichen Phänomen entwickelten. Von dort schwappte die Welle auch nach Italien hinüber. Im Stiefelstaat vermehrten sich die nachgefragten Tests gegenüber dem Vorjahr um mehr als 30 Prozent. Wie auch in den USA und den anderen europäischen Ländern ist es vor allem die Angst der italienischen Männer, ein Kuckkuckskind großzuziehen, die den Boom befeuert.

Twitter/infedeltà

Der relativ einfache Zugang zu den Tests und die immer günstiger werdenden Preise – es genügen eine Kreditkarte sowie ein Internetanschluss, während verschiedene DNA-Testkits bereits für weniger als 100 Euro zu haben sind – bewegen immer mehr von Zweifeln geplagte, italienische Männer dazu, ihre Vaterschaft genauer abzuklären. Zudem erhoffen sich nicht wenige Ehemänner, auf diese Weise im Scheidungsfall um die Unterhaltungszahlungen herumzukommen.

Die Vorgangsweise ist denkbar einfach. Beim online erworbenen DNA-Vaterschaftsnachweis wird dem Kunden meist ein Probenentnahmekit, der mehrere Wattestäbchen enthält, zugestellt. Das Wattestäbchen wird über die Mundhöhle gestrichen, wobei Schleimhautzellen, die später zur DNA-Untersuchung dienen, entnommen werden. Daraufhin werden die in sterilen Plastiktüten verpackten Wattestäbchen zusammen mit der Anfrage und den Unterschriften, die die Zustimmung zur Untersuchung beglaubigen, an das Untersuchungslabor zurückgeschickt. Innerhalb weniger Tage oder Wochen erhält der Kunde dann das Ergebnis der genetischen Untersuchungen.

Laut einer Untersuchung der Verbraucherschützer des Codacons von Friaul Julisch Venetien ist der Verdacht der Männer, nicht der Vater des als das eigene geglaubte Kind zu sein, recht häufig begründet. Rund 15 Prozent der im letzten Jahr in der Region online verkauften DNA-Vaterschaftstests bestätigten den Verdacht der Männer, nicht der biologische Vater des Kindes zu sein, so die Verbraucherschützer des Codacons.

Diese Zahlen wurden auch vom Präsidenten der Vereinigung der auf das Eherecht spezialisierten Anwälte, Gian Ettore Gassani, bestätigt.

„Laut neuerer Studien sollen zehn Prozent der Erstgeborenen nicht die Kinder des amtlich eingetragenen Vaters sein. Dieser Prozentsatz erhöht sich bei den Nachgeborenen auf fast das Doppelte. Im Trennungsfall zeigen viele Männer die Ergebnisse von online gekauften Tests vor. Diese haben allerdings keinen rechtlichen Wert, weil im Verdachtsfall im Gerichtsverfahren beide Seiten das Recht besitzen, einen eigenen Gutachter zu ernennen. Die Untersuchungen zum Nachweis der Vaterschaft werden dann in einem Labor durchgeführt. Laut meiner Erfahrung muss ich aber zugeben, dass die anfänglichen Zweifel sehr oft bestätigt werden und dass die Frauen heutzutage wenigstens so untreu sind, wie die Männer“, erläuterte Gian Ettore Gassani.

APA/dpa/Boris Roessler

Mehrere übereinstimmende, wissenschaftliche Studien zeichnen hingegen ein anderes Bild. Auf die Gesamtbevölkerung gerechnet ist ungefähr eines von 30 Kindern ein sogenanntes Kuckuckskind. Der Unterschied zu den Ergebnissen der online erworbenen Testkits ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass in diesen Fällen meist bereits ein Verdachtsmoment vorliegt.

Aber nicht alle DNA-Analyseanforderungen kommen von zweifelnden Männern oder untreuen Ehefrauen, welche selbst Gewissheit haben wollen. Andere Fälle betreffen die Suche nach möglichen Erbkrankheiten oder die fraglichen Verbindungen mit Brüdern und Schwestern. Manche Kunden wollen auch nur ihren genetischen Stammbaum rekonstruieren.

Die Fokussierung auf die Tests verstellt aber bisher den Blick auf die menschlichen Tragödien, die die Ergebnisse dann zur Folge haben. In Pesaro wurde ein Fall bekannt, bei dem der „Vater“, den das nur wenige Jahre alte Kind bis zum Tag zuvor „papà“ genannt hatte, über Nacht aus der Wohnung auszog. Nach der Trennung der Eltern wartet auf den kleinen Buben nun ein langes Anerkennungsverfahren.