Überlebende beschreiben verzweifelte Stunden unter der Lawine

Eisiges Grab: „Wir retteten uns, indem wir Schnee lutschten“

Montag, 23. Januar 2017 | 08:02 Uhr

Von: ka

Rigopiano/Pescara – Wenige Stunden nach ihrer wundersamen Rettung berichten die Überlebenden der Lawinenkatastrophe von Rigopiano von ihrer unheimlichen Zeit unter der Lawine.

Sie verbrachten 58 Stunden unbeweglich, ohne zu essen und ohne zu trinken und in absoluter Dunkelheit unter den Trümmern des von einer gigantischen Lawine zerstörten Hotels Rigopiano und versuchten, nicht verrückt zu werden und zu überleben, indem sie Eis und schmutzigen Schnee lutschten. Da sie unter meterhohem Schnee und Trümmerteilen praktisch lebendig begraben waren und nur dank der Existenz einiger Luftblasen unter der Lawine die Katastrophe überlebt hatten, bestand ihre einzige Hoffnung darin, dass Rettungskräfte von außen zu ihnen vordringen würden.

Twitter/rigopiano
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Es waren Stunden, die keiner von ihnen jemals wieder vergessen wird. Einige begannen in ihrer Not zu beten, andere zu weinen, ein anderer munterte den Rest der Verschütteten auf und wieder andere spitzten ihre Ohren und nahmen bei jedem Geräusch an, es wären die Rettungskräfte, die nach ihnen graben würden. Besonders tapfer waren die Kinder, die sich gleich wie die Erwachsenen gegen ein ungerechtes, tödliches Schicksal stemmten. Aber leider hatten es nicht alle Lawinenopfer geschafft.

Twitter/rigopiano
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Stunden später befinden sich die Überlebenden im Krankenhaus von Pescara. „Ich bin ein wiedergeborener Mann“, sagt Giampiero Parete, dessen Frau und seine beiden Kinder unter der Lawine verschüttet waren, allesamt gerettet wurden und sich nun in der Pädiatrie befinden. Er hatte selbst nicht mehr an ein Wunder geglaubt und kann nun doch wieder seine Frau Adriana und seine zwei Kinder umarmen. Andere hingegen, die von den Rettungskräften lebend aus den Trümmern geborgen wurden, befinden sich weiterhin auf der Intensivstation. Francesca Bronzi liegt in ihrem Bett und fragt immer wieder nach ihrem Verlobten Stefano Feniello, der sich immer noch unter den 24 Vermissten befindet. Die Ärzte sahen sich gezwungen, ihr Beruhigungsmittel zu verabreichen. Neben ihr befindet sich ein Paar, Giorgia Galassi und Vincenzo Forti. Bei Giorgia, die von den dunklen Stunden unter der Lawine emotional schwer gezeichnet ist, folgen Phasen der Euphorie und der Depression rasch aufeinander ab. Einmal ist sie überglücklich zu den Überlebenden zu gehören, aber dann bricht sie wieder in Tränen aus, weil sie immerzu an jene denken muss, die es nicht geschafft haben, einem grausamen Schicksal zu entkommen.

Außer Giampiero Parete, der zum Auto gegangen war, um Aspirin zu holen und später Hilfe holen sollte, befanden sich zum Unglückszeitpunkt alle in der Eingangshalle des Hotels und warteten darauf, abgeholt zu werden. Als sie starke Erschütterungen spürten, dachten sie zuerst an ein Erdbeben, aber es war eine riesige Lawine, die ihr Hotel zerstörte.

Einen kurzen Moment später fanden sich die Verschütteten in insgesamt vier Luftblasen wieder. Adriana, Giampiero Paretes Frau, spürte neben sich ihren Sohn und umarmte ihn dann für den ganzen Rest der traurigen Stunden. Dann rief sie nach ihrer Tochter, die sofort antwortete. Das Mädchen hatte zusammen mit zwei weiteren Kindern in der „Nachbarblase“ den Lawinenabgang überlebt. Da Rufkontakt bestand, gelang es ihr die Kinder zu beruhigen. Schlimm war auch die Lage von Francesca Bronzi, die in ihrer Blase vollkommen alleine war. Ein Stück weiter entfernt befanden sich das überlebende Paar und Giampaolo Matrone, dessen Arm unter einem Balken eingeklemmt war. Giampaolo Matrone klagte über starke Schmerzen und rief in seiner Verzweiflung immer wieder nach seiner Freundin Valentina. Ganz besonders schlimm sei der zweite Tag gewesen, erzählt Giorgia Galassi, weil absolute Stille geherrscht hätte und die Hoffnung auf Rettung langsam geschwunden sei. Aber dann hätten sie Geräusche gehört und hätten begonnen, wie verrückt, an die Decke ihres eisigen Verlieses zu schlagen. Die Retter riefen nach ihnen und sie antwortete: „Ich bin Giorgia und ich lebe“

Dem eisigen Grab entkommen zu sein, löst bei den Überlebenden das Gefühl aus, ein zweites Leben zu beginnen. Aber dann senken sich die Blicke und die Gedanken schweifen wieder zu jenen, die weniger Glück hatten.

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