Von: ka
Mailand – Eine wissenschaftliche Studie, in deren Rahmen die Auswirkungen von Corona auf das Krankenhauspersonal untersucht wurden, hat erschreckende Ergebnisse zutage gefördert. Von 550 befragten Sanitätsangestellten eines Mailänder Universitätskrankenhauses gaben nicht weniger als 56 Personen an, Beruhigungsmittel einzunehmen oder eingenommen zu haben. Als Gründe wurden die Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus, Arbeitsüberlastung, die schreckliche Erfahrung, Patienten sterben zu sehen und ihnen nicht helfen zu können und die Furcht, Angehörige und Freunde anzustecken, angegeben.
In einer ersten Phase der Untersuchung wurden die 550 Teilnehmer der Studie – bei ihnen handelt es sich vor allem um Ärzte, Krankenpfleger, Hilfskräfte, aber auch um Labortechniker und andere Angestellte der Universitätsklinik – gefragt, ob sie an irgendwelchen Krankheiten leiden und ob sie regelmäßig Medikamente einnehmen. Etwas mehr als 200 der Befragten bejahte dies. Unter ihnen waren es jedoch besonders die Antworten von 56 Angestellten des Gesundheitswesens – das heißt mehr als zehn Prozent aller Interviewten – die ins Auge stachen. Sie gaben an, Anxiolytika, Antidepressiva, Beruhigungs- und Schlafmittel, aber auch Vitamine einzunehmen oder in der Vergangenheit eingenommen zu haben, und erklärten, dass sie damit nach dem Beginn der Coronapandemie begonnen hatten. Ihren Angaben zufolge sahen die Sanitätsangestellten die Einnahme dieser Medikamente als eine Art Notwendigkeit an. Ihr Ziel war es, die psychologischen Folgen des Stresses, der während der Pandemie mit ihrer Arbeit verbunden war, zu lindern. Als Gründe wurden die Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus, Arbeitsüberlastung, die schreckliche Erfahrung, Patienten sterben zu sehen und ihnen nicht helfen zu können und die Furcht, Angehörige und Freunde anzustecken, angegeben.
Bei der vor wenigen Tagen veröffentlichten medizinwissenschaftlichen Studie Hospital workers mental health during the Covid-19 pandemic handelt es sich aber nur um den ersten Teil einer großen Forschungsarbeit, in deren Rahmen Arbeitsmediziner und Psychiater den psychologischen Zustand von rund 3.000 Krankenhausangestellten untersuchen werden.
Dieses umfangreiche Vorsorge- und Betreuungsprogramm wurde in die Wege geleitet, weil das Gesundheitspersonal „Erfahrungen gemacht hatte, die in ihren psychologischen Auswirkungen mit jenen eines Krieges vergleichbar sind“. Bei sehr schwerwiegenden Erkrankungen wie der „posttraumatischen Belastungsstörung“, die für Kriegsveteranen typisch ist, ist „für eine Früherkennung eine aktive Überwachung unerlässlich“. Nach einer ersten Bewertung wurde festgestellt, dass 39 Prozent der Ärzte und Pflegekräfte über einem Schwellenwert liegen, der auf eine generalisierte psychische Belastung hindeutet, und dass „ein Fünftel der befragten Angestellten an von posttraumatischem Stress und Angstzuständen herrührenden Symptomen leidet“.
192 Mitarbeiter der Mailänder Universitätsklinik wurden einer tiefergehenden Untersuchung unterzogen. Auf die Gesamtanzahl von 550 Befragten gerechnet, wurden bei zwölf Prozent Symptome einer Depression und bei sieben jene einer Dissoziation diagnostiziert. Bei Frauen, Pflegekräften, jüngeren Mitarbeitern und Angestellten, die auf den Covid-19-Abteilungen eingesetzt waren, traten psychische Probleme häufiger auf.
Weitere Zahlen der Umfrage vervollständigen das Bild, welchen Leidensdruck das Gesundheitspersonal während der Pandemie ausgesetzt war. Von den 550 Teilnehmern der Umfrage erkrankten 60 selbst an Covid-19 und 90 wurden in Quarantäne gestellt. Familienmitglieder von 18 Angestellten wurden ins Krankenhaus eingeliefert und zehn Mitarbeiter hatten in ihrer Familie selbst Trauerfälle zu beklagen. 78 Prozent der Mediziner und Pflegekräfte gaben an, dass ihre größte Angst gewesen sei, das Virus nach Hause zu schleppen. Ein Fünftel aller Mitarbeiter fühlte sich außerhalb des Krankenhauses irgendwie „diskriminiert“, 43 Prozent hatten Angst um ihre eigene Gesundheit und 69 Prozent sah sich aufgrund der Pandemie dazu gezwungen, ihr gewohntes Leben erheblich zu ändern. Zwölf Prozent der Interviewten zogen sogar einen Arbeitsplatzwechsel in Betracht.
Die Ergebnisse der umfassenden Umfrage lösten bei den Experten tiefe Besorgnis aus. Mit psychologischen Angeboten, regelmäßigen Visiten und eigenen Hilfsprogrammen wollen Therapeuten und Psychologen der Mailänder Klinik die von der Pandemie hart getroffenen Mitarbeiter dabei unterstützen, sie von ihren Leiden und Ängsten zu befreien.