Von: ka
Piacenza – Die italienische Öffentlichkeit beschäftigt der erschütternde Verdacht, dass es sich bei der erst 13 Jahre alten Aurora um das vielleicht jüngste Opfer eines Femizids handeln könnte.
Ihr 15-jähriger Ex-Freund, der seit Montag wegen vorsätzlichen Mordes im Jugendgefängnis von Bologna in Untersuchungshaft sitzt, wird beschuldigt, Aurora am Freitag von einem Balkon im achten Stock gestoßen zu haben. Als Tatmotiv wird angenommen, dass M.S., der Augenzeugen zufolge die 13-Jährige während ihrer “Beziehung” mehrmals geschlagen und gedemütigt hatte, sich mit der Trennung nicht abgefunden habe.
Die Carabinieri und die Jugendstaatsanwaltschaft von Bologna sind von der Schuld des 15-jährigen Ex-Freunds des Opfers überzeugt. Auf Anordnung der Jugendstaatsanwaltschaft wurde der 15-jährige M.S., gegen den bereits wegen vorsätzlicher Tötung ermittelt wurde, am Montagnachmittag festgenommen und ins Jugendgefängnis von Bologna überstellt. Nach dem ersten am Freitag erfolgten Verhör, bei dem der Jugendliche jede Verantwortung abgestritten und behauptet hatte, Aurora habe Selbstmord begangen, wurde er nicht erneut einvernommen.
Auroras Familie, die in den letzten vier Tagen eine beeindruckende Menge an Beweisen für das “besitzergreifende und gewalttätige” Verhalten des 15-Jährigen gesammelt hat, weist seine Behauptung mit Entschiedenheit zurück. “Aurora war ein lebensfrohes Mädchen, das sich auf den bevorstehenden Urlaub freute”, so die Schwester des Opfers Viktoria Tila.
Zwei Zeuginnen zufolge hatte M.S. die 13-Jährige bereits am vergangenen 4. Oktober mitten in der Stadt am selben Tag zweimal angegriffen. Erst als eine Gruppe von Freundinnen und beim zweiten Mal eine der beiden Zeuginnen dazwischengegangen waren, hatte der 15-Jährige von ihr abgelassen. Als eine von ihnen vom Tod des Mädchens erfuhr, wandten sich beide Frauen an die Carabinieri und an Auroras Familie. Zu den der Jugendstaatsanwaltschaft vorliegenden Unterlagen gehört auch der Befund einer ärztlichen Visite, der sie sich nur drei Tage vor ihrem Tod wegen eines angeblichen Übergriffs unterzogen hat, und ein Schreiben an die Sozialdienste, das von den durch ihren Ex-Freund erlittenen Misshandlungen handelt.
Die Festnahme von M.S. soll aber weniger mit den Zeugenaussagen und Berichten über sein gewalttätiges Verhalten, sondern vielmehr mit neuen, angeblich entscheidenden Ermittlungsergebnissen zusammenhängen, die von den Carabinieri von Piacenza gesammelt worden seien.
In denselben Stunden, in denen der 15-Jährige in die Jugendhaftanstalt von Bologna gebracht wurde, begann in Pavia die Autopsie der Leiche von Aurora. Bereits während der äußeren Untersuchung sei in Höhe der linken Schläfe ein Bluterguss entdeckt worden, von dem jedoch unklar ist, ob er vom tödlichen Balkonsturz oder von einem vorausgegangenen Angriff stammt.
Die Rekonstruktion des mutmaßlichen Tathergangs ist noch recht bruchstückhaft. Am Freitagmorgen gegen 7.30 Uhr sollen sich die beiden verabredet haben, um ein “klärendes Gespräch” zu führen. Gesichert ist nur, dass Aurora und M.S. die Treppe bis zum Balkon im achten Stock eines Gebäudes im Zentrum von Piacenza hinaufgestiegen sind, wo sie sich bereits früher öfters getroffen hatten. Dort angekommen, soll der 15-Jährige – möglicherweise im Laufe einer Auseinandersetzung – Aurora vom Balkon gestoßen haben.
Die 13-Jährige erlitt beim Sturz tödliche Verletzungen. Der 15-Jährige verständigte die Rettungskräfte. Seine Beteuerungen, dass seine Ex-Freundin eine Verzweiflungstat begangen habe, wurden von Anfang an angezweifelt.
Vier Tage später sind die Ermittler davon überzeugt, dass es sich bei der erst 13 Jahre alten Aurora um das vielleicht jüngste Opfer eines Femizids handeln könnte.
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