Von: ka
Verona – Weil sie für ihr kleines, aber feines Restaurant in Verona kein geeignetes Personal fand, kam die preisgekrönte Chefköchin Micol Zorzella auf die Idee, einen einzigen großen Tisch mit Überraschungsgästen – „The Table“ – mitten in ihr Restaurant zu stellen. Ihre Hoffnung war, dass sich ihre Gäste darauf einlassen würden, mit eigentlich wildfremden Menschen an einem Tisch zu sitzen und zu essen, miteinander zu plaudern und sich vielleicht sogar näher kennenzulernen. Viele hielten sie für verrückt und meinten, das könne doch nicht gut gehen, doch nach dem ersten Jahr von „The table“ steht fest, dass die aus der Not geborene Idee ein durchschlagender Erfolg ist.
Spätestens seit ihrem Sieg bei der bekannten Koch- und Restaurantsendung „Quattro Ristoranti“ mit Alessandro Borghese gilt die junge Veroneserin Micol Zorzella als eine der besten Nachwuchsköchinnen Italiens. Doch wie viele andere ihrer Zunft plagte auch sie die Sorge, geeignetes Personal für ihr kleines, aber feines Restaurant Antica Amelia Bistrot in der historischen Altstadt von Verona zu finden. Um sich ihrer Kochkunst widmen zu können, brauchte sie dringend eine Küchenhilfe und einen Kellner, aber sie waren einfach nicht aufzutreiben.
Micol Zorzella war verzweifelt, doch in ihrer Not kam die talentierte Küchenchefin auf die radikale Idee, ihren Restaurantbetrieb grundlegend umzugestalten und rigoros zu rationalisieren. Anstatt 24 Gedecke an verschiedenen Tischen anzubieten, stellte sie einen einzigen großen Tisch – „The Table“ – mit zwölf Gedecken in die Mitte ihres Saals. Die radikale Idee, dass alle zwölf Gäste gleichzeitig kommen und dasselbe Menü essen, ermöglichte es Micol Zorzella, nicht nur alle Gerichte selbst zuzubereiten, sondern sie auch persönlich an den Tisch zu bringen.
„Als ich vor einem Jahr beschloss, auf Kellner und Küchenhilfen zu verzichten und einen einzigen großen Tisch in die Mitte des Saals zu stellen, hielten mich die anderen für verrückt. Aber ich wusste, was ich wollte, und heute weiß ich, dass diese Entscheidung die einzig richtige war“, freut sich Micol Zorzella. Zur Freude und Überraschung ihrer Kollegen fanden sich von Anfang an genügend Gäste, die bereit waren, sich mit eigentlich wildfremden Menschen an einen Tisch zu setzen, zu essen, miteinander zu plaudern und sich vielleicht sogar näher kennenzulernen.
Obwohl es ihr in den letzten Monaten gelungen ist, eine Küchenhilfe und einen Kellner zu finden, ist Micol Zorzella fest entschlossen, an ihrem erfolgreichen Konzept festzuhalten.
„Ja, ich bin nicht mehr ganz allein“, sagt sie lächelnd und beweist damit, dass es immer noch Menschen gibt, die bereit sind, auch dann zu arbeiten, wenn alle anderen es sich gemütlich machen wollen, nämlich abends und am Wochenende. „Seit April habe ich Chamod, eine 25-jährige Küchenhilfe aus Sri Lanka, an meiner Seite. Der Tag beginnt mit der Zubereitung des Menüs. Stundenlang arbeiten wir daran, für unsere Gäste verschiedene Gerichte zu kreieren, die mittags und abends serviert werden“, erzählt die junge Köchin dem Corriere del Veneto.
Die vier Hände, die sie unterstützen, haben es Micol Zorzella ermöglicht, ihre ursprünglich strenge „The Table“-Revolution etwas „aufzulockern“. „The Table ist wirklich eine andere Art zu essen. Als ich vor fast genau einem Jahr damit anfing, kamen alle gleichzeitig und es gab nur ein Menü für alle, auch wenn es jeden Abend anders war. Dieses Jahr dagegen kann jeder kommen, wann er will und sein Menü auch à la carte genießen. An der Grundidee, mit anderen an einem großen Tisch zu sitzen, hat sich hingegen nichts geändert. Das einzige Zugeständnis ist, dass ich für die ‚Schüchternen‘, die sich den großen Tisch noch nicht zutrauen, zwei Tische für zwei Personen hinzugefügt habe. Die Idee von The Table ist es, den Service für die Gäste zu verbessern: Während ich ein Gericht serviere, kann ich die anderen Gäste im Auge behalten, um zu sehen, ob alles in Ordnung ist, ob etwas fehlt oder ob noch etwas benötigt wird“, erklärt die junge Köchin die Grundidee des „großen Tisches“.
Ein Lächeln huscht über Micol Zorzellas Gesicht, als sie von Gästen erzählt, die glaubten, beim Essen ihren Traumpartner kennenzulernen. „Blind Dates sind etwas anderes, aber es gab wirklich einige, die dachten, sie kämen hierher, um die neue Liebe zu finden“, lacht die junge Gastronomin.
„Es gab Abende, da herrschte Harmonie, an anderen Abenden hingegen wurde kein Wort gesprochen und es war so still, dass ich das Klappern des Bestecks bis in die Küche hören konnte, und wieder andere, an denen am großen Tisch heftig diskutiert wurde. Nach einer Weile habe ich sogar eine Regel aufgestellt: Bei Tisch wird nicht über Politik gesprochen“, erzählt Micol Zorzella.
Die Umstellung, die Speisen und Weine selbst zu servieren, hat die junge Gastronomin auch beruflich weiter reifen lassen. „Das war das Beste, was mir passieren konnte. Die Arbeit im Saal hat mir geholfen, viele Dinge aus einem neuen Blickwinkel zu sehen. Meine Arbeitsweise zu ändern, mich mehr auf die Qualität und weniger auf die Anzahl der Menüs zu konzentrieren, ist eine Chance, die ich mir gerne gebe und die ich auch anderen Gastronomen wünsche. Denn es braucht Mut, die Zahl der Gedecke zu verringern und gegen den Strom zu schwimmen, aber am Ende belohnt das Glück immer die Mutigen“, ist Micol Zorzella überzeugt, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben.
„The Table“ ist ein Erfolg, der viele überrascht. Es scheint, dass sich in einer zunehmend digitalisierten Welt immer mehr Menschen beim Essen zwanglos treffen und über Gott und die Welt plaudern wollen. Könnte sich ein einheimischer Gastronom die Idee des „großen Tisches“ nicht abschauen?
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