Von: ka
Mailand – Schon seit Monaten sind in der italienischen Öffentlichkeit immer wieder Klagen von Unternehmern zu hören, dass die jungen Leute keine Lust auf Arbeit hätten. Diesmal ist es aber nicht ein Hotelier oder der Inhaber eines Freizeitparks, den der Kragen platzt, sondern niemand weniger als der Chef von Fincanteri – eine der größten und erfolgreichsten Werften Europas. „Wir brauchen 5.000 bis 6.000 Personen, aber ich weiß nicht, wo ich sie finden soll“, so Giuseppe Bono.
Fincanteri – eine der größten und erfolgreichsten Werften Europas – kann sich vor Aufträgen kaum retten, aber dem Schiffbauunternehmen, das sowohl gediegene Kreuzfahrtschiffe, aber auch überaus gefragte Kriegsschiffe herstellt, fehlen bald schlicht die Arbeiter, alle Aufträge zu bedienen. Die Arbeit und die Aufträge sind bereits vorhanden, aber es fehlen die Arbeiter, so das Urteil des Vorstandsvorsitzenden von Fincantieri, Giuseppe Bono.
L'AD di #Fincantieri, Giuseppe Bono: "Nei prossimi 2 o 3 anni avremo bisogno di 5-6 mila lavoratori ma non so dove andarli a trovare…Carpentieri, saldatori… Abbiamo lavoro per 10 anni ma sembra che i giovani abbiano perso la voglia di lavorare". https://t.co/3jxNJyzJ5V
— Tgr Rai FVG (@TgrRaiFVG) July 10, 2019
„In den nächsten zwei oder drei Jahren werden wir 5.000 bis 6.000 Arbeiter brauchen, aber ich weiß nicht, wo ich sie hernehmen soll. Wir brauchen vor allem Schweißer und Tragwerkebauer. Wir haben Arbeit für die nächsten zehn Jahre und wachsen mit einem Rhythmus von zehn Prozent im Jahr, aber es scheint so, dass die Jungen die Lust auf Arbeit verloren hätten“, so Giuseppe Bono am Rande eines Runden Tisches der italienischen Gewerkschaft Cisl.
Während der Konferenz kam der Vorstandsvorsitzende des erfolgreichen Werftunternehmens so richtig in Fahrt. „Auf der einen Seite begnügen sie sich, als Rider (Ausfahrer, Anmerkung der Redaktion) 500 bis 600 Euro zu verdienen, während bei uns ein durchschnittlicher Werftarbeiter monatlich 1.600 Euro erhält. Leider scheint mir so, dass wir in dieser Hinsicht die Mentalität gewechselt haben“, fährt Giuseppe Bono fort.
„Ich höre dauernd von Arbeit, Wachstum, Infrastrukturen, Häfen, Autobahnen und Flughäfen. Ich denke aber, dass wir in nächster Zeit mehr Universitäten als Akademiker, mehr Häfen als Schiffe und mehr Flughäfen als Passagiere haben werden. Das sind die Verschwendungen unseres Landes: Wir wollen alles, aber wir wollen, das es andere tun“, so der aufgebrachte Vorstandsvorsitzende.
Auch die Gewerkschaften bekamen ihr Fett ab. Giuseppe Bono machte die Arbeitnehmervertreter für die „allgemeine Verflachung des Lohnsektors“ verantwortlich. „Ich kann nicht einem Magazineur das gleiche Geld geben, wie einem Schweißer. Ich müsste ihn wie einen Ingenieur bezahlen und das geht nicht“, so ein enttäuschter Giuseppe Bono.
Die herbe Kritik des Chefs von Fincantieri blieb nicht ungehört. Der Arbeits- und Wirtschaftsminister, Luigi Di Maio, versprach der Schiffswerft, die weltweit als Visitenkarte des erfolgreichen italienischen Unternehmertums gilt, ihr mit der nationalen Agentur für aktive Arbeitspolitik, Anpal, unter die Arme zu greifen.
„Wir sind dazu bereit, Fincantieri bei der Ausbildung der notwendigen Arbeitskräfte zu unterstützen. Unsere neue Arbeitspolitik zielt darauf ab, die Kluft zwischen Nachfrage und Angebot zu schließen“, so Luigi Di Maio.
Ob dies helfen wird, das Arbeitskräfteproblem von Fincantieri zu lösen, steht in den Sternen. Bleibt die offene Frage, ob die jungen Leute heutzutage wirklich andere, vielleicht sogar schlechter bezahlte Arbeitsstellen der zugegeben harten Arbeit als Schweißer oder Tragwerkebauer in einer Werft vorziehen. Was meinen unsere Leserinnen und Leser?