Von: ka
Verona – Bereits seit Tagen blickten die Veroneser mit banger Miene auf „ihren“ Fluss – die Etsch – der in mehreren Schleifen die Stadt durchfließt.
Nach erneuten Regenfällen spitzte sich die Lage in der Nacht vom Montag auf Dienstag erneut zu. Der mit großer Sorge erwartete Höchststand des Hochwassers wurde mit einem Pegel von 4,8 Metern und einer Durchflussmenge von 1.900 Kubikmetern die Sekunde – fast der höchste jemals gemessene Wert – am Dienstagvormittag gegen 10.00 Uhr erreicht.
Rettungskräfte und Mitglieder des Zivilschutzes besetzten mit rund 100 Männern und Frauen alle Brücken und Etschmauern der Stadt. Wie in ganz Venetien blieben auch in Verona am Dienstag alle Schulen geschlossen. Aber die Stadt der Arena und von Romeo und Julia kam mit dem Schrecken davon. Die Etsch überflutete lediglich einige Uferpassagen, was zur Schließung mehrerer Straßen führte. Bereits am Dienstagnachmittag begannen die Pegelwerte zu sinken. Die Veroneser atmeten langsam auf.
Dass die Stadt so glimpflich davonkam, verdankte sie vor allem dem Etsch-Gardasee-Tunnel. Dank des fast zehn Kilometer langen Tunnels, durch den bei Mori im Trentino abgeleitetes Etschwasser dem Gardasee zugeführt wird, wird die Etsch talwärts der Ableitungsschleuse um bis zu 500 Kubikmeter die Sekunde ihrer Durchflussmenge „erleichtert“. Am Montag beschlossen die für den gesamten Etschlauf zuständigen Behörden, die Schleuse in Mori zu öffnen und einen Teil des Etschwassers in den Gardasee umzuleiten.
In der Nacht vom Montag auf Dienstag wurde kurz vor Mitternacht die Schleuse geöffnet, sodass sich praktisch ein Viertel bis ein Fünftel des gesamten Etschwassers südlich von Torbole in den Gardasee ergoss. Das gewaltige Schauspiel, wie sich die riesigen, murig braunen Wassermassen der Etsch in den Gardasee fluteten, brachte viele Neugierige zum Staunen. Nicht wenige der „Hochwassertouristen“ zückten ihre Smartphones oder ihre Kameras, um das seltene, aus blanker Not geborene Ereignis für die Nachwelt festzuhalten.
Am frühen Dienstagnachmittag wurde Entwarnung gegeben. In der Folge wurde die Schließung des Tunnels eingeleitet.
Angesichts der Fluten und der Pegelstände kann mit Fug und Recht behauptet werden, dass der Etsch-Gardasee-Tunnel Verona vor einer Flutkatastrophe bewahrt hat.