Von: ka
Mailand – Die Jugendhaftanstalt Beccaria in Mailand iat zum Schauplatz unglaublicher und schockierender Gewalttaten geworden. Nachdem nach Hinweisen von Psychologinnen und Müttern von Inhaftierten in die Wege geleitete Ermittlungen eine erdrückende Menge von Beweismaterial zutage gefördert hatten, wurden auf Antrag der Staatsanwaltschaft dreizehn Gefängnisbeamte verhaftet.
Den Beschuldigten werden Körperverletzung, Misshandlungen, Folter und in einem Fall versuchte sexuelle Gewalt zur Last gelegt. Die Ermittler sehen es als erwiesen an, dass im Jugendgefängnis Beccaria in Mailand, das einen „finsteren Ruf“ hat, die jugendlichen Häftlinge von den Gefängniswärtern monate- und teilweise sogar jahrelang misshandelt wurden. Als besonders schockierend stuft die Staatsanwaltschaft ein Video ein, das im Inneren des Gefängnisses mit einer versteckten Kamera aufgenommen wurde.
Die Ermittlungen kamen ins Rollen, nachdem Psychologinnen und Mütter von inhaftierten Jugendlichen Hinweise auf im Gefängnis Beccaria verübte Gewaltexesse erhalten hatten. Auch beim Garanten der Rechte von Personen, denen die Freiheit entzogen wurde, waren Klagen über Übergriffe jeglicher Art gegenüber Inhaftierten eingegangen.
Die Hinweise veranlassten die Ermittler dazu, Nachforschungen anzustellen und in den Innenräumen der Jugendhaftanstalt versteckte Kameras zu installieren. Die Aufnahmen, die schockierende Gewalttaten dokumentieren, erhärteten den Verdacht, dass die jugendlichen Gefängnisinsassen fast regelmäßig Gewalttaten ausgesetzt waren. Die Erzählungen der Opfer lassen kaum Zweifel über das Klima aufkommen, das im Inneren des Gefängnisses herrschte. „Mir haben sie ein blaues Auge verpasst, meinen Zellennachbarn hingegen haben sie mit den Füßen getreten und geschlagen“, erzählt Amine.
Am Montagmorgen zogen die Polizei und die regionale Ermittlungseinheit der Gefängnispolizei der Lombardei aus und nahmen 13 Strafvollzugsbeamte, die im Jugendgefängnis ihren Dienst versahen, fest. Acht weitere Beamte wurden hingegen vom Dienst suspendiert. Die 13 mutmaßlichen Haupttäter wurden nach einem ersten Verhör ins Gefängnis überstellt.
Die Liste der gegen sie gerichteten Anschuldigungen ist lang. Ihnen werden Misshandlung und Folterung von Minderjährigen, Falschbeurkundung und in einem Fall versuchte sexuelle Gewalt durch einen Beamten gegenüber einer inhaftierten Person vorgeworfen. Die verübten Taten gelten als besonders schwerwiegend, weil es sich bei den Opfern um Minderjährige handelte, sie der Willkür ihrer Bewacher ausgeliefert waren und alle Gewalttaten aus nichtigen und niedrigen Beweggründen verübt wurden. Ersten Ermittlungsergebnissen zufolge sollen alle Gewaltverbrechen ab dem Jahr 2022 verübt worden sein.
Al Tg3 le immagini dei pestaggi dei detenuti nel carcere minorile Beccaria di Milano. Oggi sono stati interrogati alcuni degli agenti della Polizia penitenziaria sospesi dal servizio pic.twitter.com/7iEVkA9xlW
— Tg3 (@Tg3web) April 29, 2024
„Die über mehr als ein Jahr hinweg durchgeführten Ermittlungen zeichnen ein Bild extremer Gewalt, die sowohl physischer als auch verbaler und psychologischer Natur war“, so Staatsanwältin Letizia Mannella, die die Ermittlungen leitete.
Einige dokumentierte Vorfälle waren besonders brutal. Unter anderem wurde ein Jugendlicher, der sich einem Beamten gegenüber arrogant und bedrohlich verhalten hatte, zweimal hintereinander verprügelt. Nachdem er bereits am Abend zuvor geschlagen worden war, holte ihn ein „Bestrafungsteam“ von Beamten am Morgen erneut aus der Zelle. Sie fesselten ihn hinter dem Rücken mit Handschellen, sodass er sein Gesicht nicht mit den Armen schützen konnte, und prügelten abermals auf ihn ein.
„Um möglichst keine Spuren zu hinterlassen, wandten die Beamten bei den Schlägen eine ganz besondere Methode an“, fügt Letizia Mannella hinzu.
Trotz der Verhaftungen stehen die Ermittlungen jedoch erst am Anfang. Dem Verdacht der Staatsanwaltschaft zufolge sollen hochrangige Beamte von den im Gefängnis verübten Straftaten gewusst, aber nichts dagegen unternommen haben.
Laut vielen Experten zeigen die schockierenden Gewalttaten aber auch, dass die italienischen Gefängnisse seit Jahren vernachlässigt werden. Diesen Stimmen zufolge braucht es nicht nur mehr und besser ausgebildete Beamte, sondern auch Gefängnisse, die menschlicher gestaltet sind.