Von: ka
Ravenna – Die Coronapandemie und die zu ihrer Bekämpfung ergriffenen Maßnahmen wie die Maskenpflicht, aber ganz besonders die Impfung und die Einführung des Green Pass mögen, obwohl kaum zwei Jahre her, zwar bereits wie ein ferner Albtraum erscheinen, aber ihre Nachwirkungen beschäftigen immer noch die Gerichte.
Angesichts der damaligen massiven Proteste gegen die Impfpflicht und den Green Pass verwundert es nicht, dass ein großer Gerichtsprozess, der nicht weniger als 227 Angeklagte zählt, für Aufsehen sorgt. Den 227 Beschuldigten, die nun in Ravenna wegen Falschbeurkundung vor Gericht stehen, wird zur Last gelegt, sich mittels in Wirklichkeit nie erfolgten Impfungen illegal einen Green Pass erschlichen zu haben. Unter den Angeklagten befindet sich auch der Fraktionsvorsitzende der Fratelli d’Italia im Stadtrat von Ravenna, Alberto Ferrero. Der Lokalpolitiker der Meloni-Partei stimmte einem gerichtlichen Vergleich zu.
Bei der Straftat, die den 227 „No Vax-Schlaumeiern“ zur Last gelegt wird, handelt es sich um kein Kavaliersdelikt. Für gerichtlich erwiesene Falschbeurkundung kann eine mehrjährige Haftstrafe verhängt werden.
Die Taten geschahen in der zweiten Hälfte des Jahres 2021. Den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft von Ravenna zufolge ließen sich die Angeklagten von einem willfährigen Arzt, Mauro Passarini, gefälschte Impfstoffdosen inokulieren. Anstelle der von Moderna oder Pfizer hergestellten Seren befanden sich in den Spritzen entweder physiologisches Wasser oder – wie es scheint – verdünnte Dosen. Diese vorgenommenen „Impfungen“ waren zur Vorbeugung schwerer Formen von Covid-19 zwar vollkommen ungeeignet, ermöglichten es den militanten Impfgegnern aber, sich illegal einen Grünen Pass zu ergattern.
Die Ermittlungen kamen im Oktober 2021 ins Rollen, nachdem ein militanter Impfgegner aus Belluno, der in der Umgebung als „Vorreiter alternativer Therapien“ bekannt war, aufgrund einiger Auffälligkeiten ins Visier der lokalen Staatsanwaltschaft geraten war. Die Ermittler fanden heraus, dass der Impfgegner sich an die Arztpraxis des 67-jährigen Mauro Passarini in Ravenna gewandt hatte, um dort seine Tochter impfen zu lassen. Die Ermittlungen ergaben, dass der Grüne Pass, den seine Tochter erhalten hatte, gefälscht war. Das negative Ergebnis des serologischen Antikörpertests bestätigte den Anfangsverdacht, dass die Tochter des radikalen No Vax in Wirklichkeit nie geimpft worden war.
Bei der Durchsuchung der Praxis des 67-jährigen Arztes wurden fünfzehn Ampullen von Impfdosen sichergestellt. Auffällig war, dass dreizehn Stück der Impfdosen bei Raumtemperatur gelagert waren, was sie unbrauchbar werden ließ. Folgende Ermittlungen der Staatsanwaltschaft erbrachten das Ergebnis, dass die Impfdosen zum Schaden des italienischen Gesundheitswesens gestohlen waren.
Der vom Arzt angewandte Trick war denkbar einfach. Mithilfe der auf den Etiketten der Ampullen aufgedruckten Chargennummern verschaffte sich der Arzt Zugang zum Computersystem „Soleweb“ des regionalen Gesundheitswesens, was ihm die Möglichkeit eröffnete, das Sicherheitssystem des Gesundheitsministeriums zu umgehen. Ohne jemals das Impfserum in den Unterarm seiner „Patienten“ injiziert zu haben, schaltete er durch die Eingabe der Chargennummer in das System die Ausstellung der Grünen Passes frei.
Auf diese oder ähnliche Art und Weise verhalf er Dutzenden von militanten Impfgegnern, die aus Berufs- oder Freizeitgründen nicht auf einen Green Pass verzichten konnten, zu gefälschten Grünen Pässen. Von der in diesem Fall ermittelnden Staatspolizei wurden insgesamt 84 gefälschte Grüne Pässe beschlagnahmt. Zehn Inhaber gefälschter Bescheinigungen erklärten sich nach entsprechender Aufforderung durch die Staatsanwaltschaft dazu bereit, sich einer serologischen Untersuchung zu unterziehen. Alle zehn Tests erbrachten negative Ergebnisse. Laut den Ermittlungen hatte Mauro Passarini 292 Personen geimpft und insgesamt rund 400 Dosen verabreicht. Nach und nach stellte sich heraus, dass fast alle von ihnen Fake-Impfungen waren.
Mauro Passarini gestand nach seiner am 10. November 2021 erfolgten Festnahme die ihm zur Last gelegten Strafttaten. Im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs wurde er wegen Falschbeurkundung und Veruntreuung zu einer Haftstrafe von zwei Jahren verurteilt. Fast die Hälfte der anderen Angeklagten, genau genommen 97, streben ebenfalls einen gerichtlichen Vergleich an. Die anderen 91 und 39 Beschuldigten hingegen entschieden sich jeweils dafür, in die Vorverhandlung oder in ein verkürztes Verfahren zu gehen. Prominentester Angeklagter ist der Fraktionsvorsitzende der Fratelli d’Italia im Stadtrat von Ravenna, Alberto Ferrero. Der Lokalpolitiker der Meloni-Partei stimmte einem gerichtlichen Vergleich zu.
Alles in allem dürften die 227 ihre illegale „Abkürzung“ zum Grünen Pass gründlich bereut haben. Ins Gefängnis muss zwar keiner von ihnen, aber angesichts der Verurteilung, der Geldstrafe und der Prozesskosten wäre es im Rückblick wohl besser gewesen, entweder auf den Green Pass ganz zu verzichten und zu Hause zu bleiben oder sich wie die meisten anderen impfen zu lassen.