38-Jährige ließ ihre Tochter verhungern, Ermittlungen gegen Psychologinnen – VIDEO

„Falscher“ IQ-Test: Alessia Pifferi für Strafnachlass „manipuliert“?

Donnerstag, 25. Januar 2024 | 08:03 Uhr

Von: ka

Mailand – Gegen zwei Gefängnispsychologinnen, die Alessia Pifferi einem IQ-Test unterzogen und der 38-Jährigen die Intelligenz eines siebenjährigen Mädchens bescheinigten, wird wegen Beihilfe und Falschbeurkundung ermittelt. Die Rechtsanwältin von Alessia Pifferi, Alessia Pontenani, sieht sich den gleichen Vorwürfen ausgesetzt.

Die beiden Psychologinnen werden beschuldigt, zur Ermittlung des Intelligenzquotienten der Angeklagten ein sehr zweifelhaftes Verfahren angewandt zu haben. Der Staatsanwalt Francesco De Tommasi wirft den beiden Psychologinnen vor, Alessia Pifferi „eine alternative Verteidigungsthese“ geliefert und sie „manipuliert“ zu haben. Das Verfahren gegen Alessia Pifferi, die beschuldigt wird, ihre erst eineinhalb Jahre alte Tochter Diana sechs Tage lang allein gelassen und auf diese Weise deren grauenvollen Hungertod verursacht zu haben, gilt als einer der aufsehenerregendsten Prozesse der letzten Jahre. Das Verfahren gegen die Rechtsanwältin der Angeklagten und die beiden Psychologinnen wirft auch auf vergangene Fälle ein schiefes Licht.

Facebook/Alessia Pifferi

Im Mailänder Schwurgerichtsprozess gegen Alessia Pifferi, die wegen schweren Mordes angeklagt ist, weil sie ihre erst 18 Monate alte Tochter Diana im Juli des Jahres 2022 tagelang alleine gelassen und das Kind damit dem Hungertod ausgeliefert hatte, kam es am Mittwoch zu einem Paukenschlag.

Gegen zwei Gefängnispsychologinnen, die Alessia Pifferi einem IQ-Test unterzogen und der 38-Jährigen die Intelligenz eines siebenjährigen Mädchens bescheinigt hatten, wurde wegen Beihilfe und Falschbeurkundung ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Die Rechtsanwältin von Alessia Pifferi, Alessia Pontenani, sieht sich den gleichen Vorwürfen ausgesetzt. Die Wohnungen der beiden Psychologinnen wurden durchsucht.

Ursache des Verfahrens ist die Anfechtung des Berichts der beiden Psychologinnen durch den Mailänder Staatsanwalt Francesco De Tommasi. Laut Francesco De Tommasi hätten die beiden Psychologinnen ein sehr zweifelhaftes Verfahren angewandt und damit Alessia Pifferi zu „einer alternativen Verteidigungsthese“ – die einer möglichen geistigen Störung – verholfen und sie damit „manipuliert“.

Dem Staatsanwalt zufolge wäre der Angeklagten „fälschlicherweise“ bescheinigt worden, dass sie „einen IQ von 40 und damit ein „schweres Defizit“ habe“. Dazu wäre von den beiden Psychologinnen ein Test verwendet worden, der „für diagnostische und bewertende Zwecke nicht brauchbar“ sei. Die beiden Psychologen hätten, so der Staatsanwalt, „für die Verteidigung eine echte Beratungstätigkeit ausgeübt, die nicht in ihren Zuständigkeitsbereich“ falle. Der Verdacht des Staatsanwalts stützt sich auf den Bericht der Psychiater Marco Lagazzi und Alice Natoli, die in ihrer Expertise die Arbeit der beiden beschuldigten Gefängnispsychologinnen hart kritisieren.

YouTube/Diana Pifferi

Laut dem Staatsanwalt hätten die Psychologinnen mit der Fälschung der Diagnose das Ziel verfolgt, für Alessia Pifferi, die sich „in Wirklichkeit im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte befindet“, eine ausreichende Menge von Dokumenten zusammenzutragen, was die Angeklagte in die Lage versetzt hätte, das ersehnte psychiatrische Gutachten über ihre Zurechnungsfähigkeit zu beantragen und vor Gericht zu erhalten. Diese schwere Anschuldigung des Staatsanwalts soll mit Abhörprotokollen belegt sein.

Den vorgeworfenen Straftaten soll ein „antisoziales“ Motiv zugrunde liegen. Wie aus einigen abgehörten Gesprächen hervorgeht, soll eine der beiden Psychologinnen, eine 58-jährige Frau, gesagt haben, dass sie das Justizsystem „Tropfen für Tropfen“ aus den Angeln heben wolle, um diejenigen zu retten, die sie als Justizopfer betrachtet. Die Ermittler nahmen auch ein Gespräch zwischen der betreffenden Psychologin und der Rechtsanwältin von Pifferi auf, in dem sich die beiden gegenseitig zu den Ergebnissen der psychodiagnostischen Tests, die der Frau einen Intelligenzquotienten eines siebenjährigen Mädchens bescheinigen, beglückwünschten.

Bei der von der Gefängnispolizei durchgeführten Durchsuchung wurden in der Wohnung der 58-jährigen Psychologin, die mit ihrem Ehemann zusammenlebt, unter anderem zahlreiche Medikamente und 10.000 Euro in bar gefunden. Die Ermittler wollen nun herausfinden, woher die Medikamente und das Geld stammen.

Facebook/Alessia Pifferi

Das Verfahren gegen die Rechtsanwältin der Angeklagten und die beiden Psychologinnen wirft auch auf vergangene Fälle ein schiefes Licht. Die Mailänder Staatsanwaltschaft gedenkt, weitere Fälle, mit denen die beiden Gefängnispsychologinnen betraut waren, genauer unter die Lupe zu nehmen. Konkret geht es dabei um vier Insassen des Gefängnisses San Vittore in Mailand, in dem die Beschuldigten tätig waren. Unter ihnen befinden sich die Wahrsagerin Lucia Finetti, die wegen des Mordes an ihrem Ehemann in erster Instanz zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, und Patrizia Coluzzi, die kürzlich in Pavia eine Haftstrafe von zwölf Jahren erhielt, weil sie im März 2021 ihre kleine Tochter Edith erstickt hatte.

ANSA/MOURAD BALTI TOUATI

Das Ermittlungsverfahren sorgt in der italienischen Öffentlichkeit für großes Aufsehen. Viele Italiener hegen den Verdacht, dass gar einige Straftäter, denen eine eingeschränkte Zurechnungsfähigkeit bescheinigt wurde, in Wirklichkeit im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte sein könnten. Sie fordern daher, dass den Gutachtern in Zukunft genauer auf die Finger geschaut wird.