„Corona-Resistenz“ der „Uralten“ gibt Forschung Rätsel auf – VIDEO

Fast unsterblich: Hundertjährige besiegen SARS-CoV-2

Freitag, 22. Januar 2021 | 08:13 Uhr

Von: ka

Rom – Die „Corona-Resistenz“ der Hundertjährigen stellt die Forschung weltweit vor einem Rätsel. Während statistisch SARS-CoV-2 unter der Altersgruppe der 80- bis 90-Jährigen am meisten Opfer fordert, sinken bei den Über-90-Jährigen die Zahlen der an Covid-19 Verstorbenen wieder spürbar ab. Zur Überraschung der Forscher und der Mediziner scheinen die allermeisten Hundertjährigen überhaupt eine Art „Corona-Resistenz“ aufzuweisen.

In den Medien häufen sich Nachrichten von Über-Hundertjährigen, die nach einer Ansteckung mit dem Coronavirus und einer meist nur von geringen Symptomen gekennzeichneten Krankheit wieder genesen sind. Auf Sardinien, das für seine hohe Anzahl von Hundertjährigen bekannt ist, scheint bisher keiner der sehr alten Menschen an Corona gestorben zu sein.

Facebook/Don Moschetta/Linda Franzo

Die 107 Jahre alte Linda Franzo, die sich im November mit dem Coronavirus angesteckt hatte, hat die Krankheit spurlos überstanden. Kurze Zeit nach ihrer Genesung ist es ihr eine Freude gewesen, mit den Bediensteten des Altersheimes „Don Moschetta“ von Caorle den Heiligabend und wenige Tage später ihren 107. Geburtstag zu feiern. Bei der am 2. Januar 1914 geborenen Dame aus Caorle handelt es sich dabei keineswegs um einen Einzelfall. In ganz Italien häufen sich Nachrichten von Über-Hundertjährigen, die nach einer Ansteckung mit dem Coronavirus und einer meist nur von geringen Symptomen gekennzeichneten Krankheit wieder genesen sind. Gerade weil das Virus unter jenen, die zwei Jahrzehnte jünger als diese „Corona-resistenten“ Hundertjährigen sind, am meisten Opfer fordert, ist dieser Befund umso überraschender.

Dieser Befund stellt die Forschung weltweit vor ein Rätsel. „Wenn sie in diesem Alter gesund sind, zeigt das, dass ihre organischen, metabolischen und psychologischen Mechanismen noch gut funktionieren. Sie haben zum Beispiel fast immer einen von Natur aus niedrigen maximalen Blutdruck und haben in ihrem Leben noch nie an Magen-Darm-Beschwerden gelitten“, so der Florentiner Geriater und Neuropsychiater Elio Musco. „Vielleicht ist sie im Laufe ihres langen Lebens so vielen Viren begegnet, dass ihr Immunsystem nun besser gegen Covid gerüstet ist“, so der Immunologe Raffaele De Palma über seine 102-jährige Patientin, die das Coronavirus besiegt hat.

APA/APA (Symbolbild/AFP)/HANDOUT

Besonders letzterer Punkt scheint die Forscher besonders zu interessieren. Den Wissenschaftlern zufolge scheinen die Hundertjährigen über einen besonderen Schutz vor dem Virus zu verfügen, der aufgrund der Tatsache, dass es sich bei SARS-CoV-2 um einen neuen Virus handelt, nicht von einer klassischen Immunisierung nach einer erfolgten Infektion stammen kann. Besonders der Fall der Hundertjährigen von Sardinien gibt den Wissenschaftlern viele Rätsel auf. Auf der Mittelmeerinsel, die für ihre hohe Anzahl von Hundertjährigen bekannt ist, scheint bisher keiner der sehr alten Menschen an Covid-19 gestorben zu sein.

Einige Forscher glauben, dass das Geheimnis der „Corona-Resistenz“ der sardischen „Uralten“ in einer genetischen Mutation liegt, die vor allem in Gebieten vorkommt, die unter der Malaria leiden oder in denen in der Vergangenheit die Malaria vorgekommen ist. Die Sarden sind von dieser Mutation besonders häufig betroffen. Die Träger dieser Mutation, die das X-Chromosom betrifft, genießen zwar einen gewissen Schutz vor der Malaria, leiden aber gleichzeitig an einer Stoffwechselstörung, die unter der Bezeichnung Favismus bekannt ist. Einige Forscher glauben, dass die gleiche Mutation auch vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus schützt oder zumindest für einen milden Covid-19-Verlauf sorgt.

Die Expertin Maria Rita Gismondo, die an der Universität von Mailand Virologie lehrt und die Abteilung für klinische Mikrobiologie und Virologie des Krankenhauses „Sacco“ von Mailand leitet, weist darauf hin, dass praktisch allen Über-Hundertjährigen gemeinsam ist, dass sie mit dem Erreger der Spanischen Grippe in Berührung gekommen sind. Der Pandemie, die vor allem in den Jahren 1918 und 1919 gewütet hat, sind rund 50 Millionen Menschen zum Opfer gefallen.

„Das Virus, das vermutlich bereits im Jahr 1917 zirkulierte, ist auch noch nach 1919 im Umlauf geblieben. Allerdings hat es nicht mehr Schaden angerichtet. Ein heute Hundertjähriger ist damals entweder ein sehr kleines Kind gewesen oder hat sich noch im Mutterleib befunden. Sie sind mit diesem Virus in Berührung gekommen. Sie haben sich sogar mit ihm infiziert, sind aber selbst nicht ernsthaft erkrankt. Sicherlich sollte man die Hundertjährigen untersuchen, denn entweder haben sie ein besonderes genetisches Erbe gegen Viren – dies könnte ihre Langlebigkeit bei gleichzeitig guter Gesundheit erklären – oder sie verfügen noch über Spuren der zur Zeit der Spanischen Grippe entwickelten Immunabwehr“, so Maria Rita Gismondo.

Die Mediziner und Wissenschaftler fügen selbst hinzu, dass es sich noch um Hypothesen und Erklärungsversuche handelt, aber sie sind auch guter Dinge, dass sie früher oder später der „Corona-Resistenz“ der Hundertjährigen auf die Spur kommen werden. Von der Forschung auf diesem Gebiet erhoffen sich die Wissenschaftler aber vor allem neue Erkenntnisse, wie die Coronapandemie besser bekämpft werden kann.