Ausschreitungen und heftige Polemiken begleiten Protest gegen Gewalt – VIDEO

Femizide und Patriarchat: „Kulturkampf“ in Italien

Dienstag, 28. November 2023 | 08:06 Uhr

Von: ka

Rom – Anlässlich des Internationalen Aktionstags gegen Gewalt an Frauen am 25. November demonstrierten in Italiens Städten Hunderttausende von Menschen für einen besseren Schutz der Frauen vor Gewalt. Aufgrund des grausamen Mordes an Giulia Cecchettin, der viele Italiener erschüttert und tief bewegt, war heuer die Beteiligung an den Demos besonders groß.

Seit dem Mord und insbesondere seit den Worten der Schwester des Opfers, Elena Cecchettin, tobt in der italienischen Öffentlichkeit jedoch auch ein heftiger Kulturkampf. Über die Frage, ob und wie patriarchale Strukturen mit der Gewalt gegen Frauen zusammenhängen, wird in Italien heftig gestritten.

Facebook/Roberto Gualtieri

Unter anderem werden einige Ansichten von Elena Cecchettin – „Ein Frauenmord ist kein Delikt aus Leidenschaft, sondern ein Machtdelikt und ein Delikt des Staates, weil dieser uns nicht schützt“ und „Männer müssen ein Schuldbekenntnis ablegen“ – mit dem Hinweis, dass die strafrechtliche Verantwortung immer persönlich ist und nicht alle Männer in einen Topf geworfen werden können, von nicht wenigen Italienern mit Entschiedenheit zurückgewiesen. Auch die Anschuldigungen von Feministinnen, die dem Staat eine Mitschuld an den Femiziden geben und der Regierung anlasten, dass sie patriarchale Strukturen fördere und auf diese Weise zur Gewalt an Frauen beitrage, werden nicht von allen Italienern geteilt.

Facebook/Fiorella Mannoia

Zwischen dem Regierungslager und der Opposition herrscht seit Tagen Streit. Einige Vertreter rechter Regierungsparteien gingen sogar so weit, Elena Cecchettin zu beschuldigen, den grausamen Tod ihrer jüngeren Schwester politisch und ideologisch missbrauchen zu wollen. Insbesondere ein Lokalpolitiker von Fratelli d’Italia aus Brindisi in Apulien, Cesare Mevoli, ging mit Elena Cecchettin, der er vorwirft, „einen ideologischen Frontalangriff auf alle Männer“ zu führen, auf seiner Facebook-Seite hart ins Gericht.

ANSA/ANDREA MEROLA

„Wahre Männer wissen seit jeher sehr gut, wie man sich gegenüber Frauen verhält und mit ihnen in Frieden zusammenlebt“, so Cesare Mevoli. „Ach was Patriarchat, das ist „euer umerzogener Mann““, so der Lokalpolitiker, der den Satz zusammen mit einem Foto von Filippo Turetta postet. „Das sind eure umerzogenen, verweichlichten und feminisierten Männer. Sie sind eifersüchtig, unsicher, neidisch, ängstlich, egozentrisch, besitzergreifend, hysterisch und unfähig, mit Problemen umzugehen. Mit einem Wort, schwach. Genau vor diesen Männern sollten sich Frauen in Acht nehmen“, so Cesare Mevoli. Cesare Mevolis Post löste eine Welle heftiger Kritik aus. Mehrere Politiker sprachen in Bezug auf Mevoli von einem „hoffnungslosen Fall“ und forderten den Lokalpolitiker von Fratelli d’Italia zum Rücktritt auf. Dieser hingegen entgegnete, dass ihm in ihren Antworten unter seinem Eintrag selbst viele Frauen zustimmen.

Facebook/Pro Vita & Famiglia Onlus

Auch bei der Kundgebung anlässlich des Internationalen Aktionstags gegen Gewalt an Frauen am 25. November in Rom, bei der eigentlich Männer und Frauen über alle politischen Gegensätze hinweg für einen besseren Schutz der Frauen vor Gewalt demonstrieren wollten, blieben gewalttätige Ausschreitungen nicht aus. In der Ewigen Stadt wurde der Sitz der italienischen Bewegung für das Leben Pro Vita & Famiglia von militanten Feministinnen mit Rauchbomben und einem Brandsatz angegriffen.

Facebook/Pro Vita & Famiglia Onlus

Ein Vertreter von Pro Vita & Famiglia sprach von „einer noch nie dagewesenen Dimension der Gewalt“ seitens der Demonstranten. Um den Sitz des Vereins der Abtreibungsgegner schützen zu könnten, musste die Polizei eingreifen. Bei den folgenden gewalttätigen Ausschreitungen erlitten zwei Aktivistinnen leichte Verletzungen. Regierungschefin Giorgia Meloni forderte die Organisatoren der Kundgebung dazu auf, sich von den für die Ausschreitungen verantwortlichen gewalttätigen Aktivistinnen zu distanzieren.

Facebook/Comune di Vigonovo

Das Traurige ist, dass die Gewalttaten einen Schatten auf die vielen friedlich demonstrierenden Menschen werfen. Der in der italienischen Öffentlichkeit tobende „Kulturkampf“ riskiert mittlerweile sogar die Bemühungen von Politikern beider Lager, die über alle politischen Grenzen hinweg gemeinsam versuchen, auf gesetzlichem Wege den Schutz der Frauen zu verbessern, zu torpedieren. Bessere gesetzliche Voraussetzungen für den Schutz von Frauen vor Gewalt zu schaffen, ist aber der sehnlichste Wunsch vieler Italiener.